Geschichten aus einem anderen Land. Joachim Gerlach

Geschichten aus einem anderen Land - Joachim Gerlach


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      Impressum

      Geschichten aus einem anderen Land

      Gert Holstein

      Copyright: © 2015 Joachim Gerlach

      published by: epubli GmbH, Berlin www.epubli.de

      ISBN 978-3-7375-2919-8

      Inhalt

       Impressum

       Expose

       Die Wende

       Onkel Fritz

       Schulbank und Werkbank

       NVA – Die Ernüchterung

       NVA – Im Kampfkern

       NVA – Kriegsspiele

       Kredit und Zins

       Unter Parteibefehl

       Grenzwanderung

       Leseprobe „Maidan – Am Vorabend der Apokalypse“

       Expose

      Der Autor legt nach inhaltlicher und formeller Überarbeitung seines bereits 2010 in Buchform veröffentlichten Romans „Holstein, Gert – Lebenswege im deutschen Osten“ jetzt auch eine Fassung als ebook vor. Dabei durchbricht er die bisherige streng chronologische und formelle Fassung und bietet die einzelnen Kapitel auch sich selbst tragend dar.

      In engem Bezug zu seiner Autobiographie vermittelt der Auto, dies zuweilen auch mit bissigem Spott und einem Hauch von Sarkasmus, offene, ehrliche und schonungslose Einblicke in das Alltagsleben der DDR-Bürger, aber auch in Strukturen, die selbst vielen DDR- Bürgern nicht zugänglich waren wie Flottenübungen der Volksmarine, Mobilmachungs-übungen der NVA-Wehrkommandos, Arbeitsweise des Partei- und Staatsapparates und nicht zuletzt des Ministeriums für Staatssicherheit.

      Im Unterschied zu den meisten nachwendigen Veröffentlichungen stellt der Autor dabei nicht ehemalige Führungseliten oder Widerständler der DRR in den Mittelpunkt seines Narrativs sondern einfache Menschen, die sich guten Glaubens und festen Willens der sozialistischen Idee verschrieben hatten.

      Ein zwingendes Muss für alle zeitgeschichtlich interessierten Leser.

      Vom gleichen Autor in Vorbereitung einer Veröffent-lichung:

      „Maidan – Am Vorabend der Apokalypse“

      Die Wende

      An der Tür, welche von außen aus Sicherheitsvorschriften nicht zu öffnen möglich war, klopfte es heftig. Wird wohl Wunderlich sein, der drängelte nämlich schon sein Tagen, ob das von ihm beantragte Computerprogramm endlich einsatzbereit wäre. Ein Riesenzeitaufwand wäre die gegenwärtig manuell betriebene, permanente Auswertung hunderter Investitionsvorhaben, mit der edv-gestützten Lösung erhoffte man sich geradezu unendliche Freiräume für andere Aufgaben. Zum Beispiel säße ihm schon wieder ein Mitarbeiter von der SED-Bezirksleitung mit einer Vorlage für deren Sekretariat im Nacken: Ergebnisse bei der Senkung des Kraftstoffverbrauches, Diesel und Benzin, im Bezirk, gute und schlechte Erfahrungen galt es dabei herauszufiltern.

      Wunderlich, gut zehn Jahre jünger als Holstein, von korpulenter Statur mit deutlichem Bauchansatz, galt als Nachfolgekanditat der Parteikontrollkommission, die sich als sogenannte Parteipolizei um Einheit, Reinheit und Geschlossenheit des Kampfbundes mühte. Im Vorfeld dieser Funktionsaufnahme hatte er sich schon einmal einen Rüffel eingefangen, als er, zu einer ersten Aussprache und Beratung ins Haus der Bezirksleitung gerufen, vor dem Aufzug stehend salopp von sich gab: „Was hier am besten klappt, sind wohl auch nur die Türen der Fahrstühle.“ Der Rüffel konnte ausgebügelt werden, da Wunderlichs Schwager sich einschaltete. Der verfügte als stellvertretender Kreistierarzt über ausgesprochen gute Kontakte zur territorialen Parteispitze. Allerdings verschob sich Wunderlichs Berufung in die Parteipolizei durch den vorlauten Ausrutscher um ein paar Jahre. Als sie ihn im Frühjahr 1990 dann urplötzlich doch wollten, da ihnen alle anderen schon weggelaufen waren, versagte er sich ihnen.

      Nun stand er, wie es Holstein schon geahnt hatte, wirklich vor dem Computerarbeitsraum und steckte erst einmal vorsichtig schnuppernd seinen großen Kopf zwischen den Türrahmen. Und Holstein war’s zufrieden, dass es nicht dessen Chef war. Der nämlich, Leiter der Abteilung „Mittelfristige Planung“, ein eigentlich recht mickriger Mittfünfziger, leicht gehbehindert infolge einer Granatsplitterverletzung, die er sich in den letzten Kriegswochen in den eisigen Schmelzwässern inmitten des letzten Aufgebotes von Heldenklaumarschall Schörner an der Oderfront zugezogen hatte, maß den neuartigen elektronischen Rationalisierungsgeräten im Gegensatz zu den meisten seiner Leitungskollegen durchaus praktische Bedeutung zu. Nur hatte er die schlimme Angewohnheit, sich sehr schnell in den Vordergrund zu schieben, auch dann, wenn er tiefer greifend vom Sachprinzip nichts verstand. Die ihm unterstellten Mitarbeiter hatten unter seinem Regime nichts zu lachen: Noch vor Dienstaufnahme nach krankheits- oder urlaubsbedingten Ausfällen verlangte er von ihnen die Hinterlegung aller wesentlichen, während seiner Abwesenheit eingetretenen Probleme. Allesamt sauber aufbereitet auf seinem Schreibtisch abgelegt, in chronologischer Reihenfolge. Am Tage seines Dienstantrittes saß er dann Stunden bevor der erste Mitarbeiter seiner Abteilung eintraf in seinem Dienstzimmer und hatte bereits etliche Stapel Papier verarbeitet. Dann widmete er sich der Auswertung des eben Verarbeiteten. Im halbstündigen Rhythmus defilierten die Abteilungsmitarbeiter durch seinen Dienstraum, Abwäsche folgte auf Abwäsche, Nicht wenige der Gerufenen, zumal der weiblichen Geschlechts, die schon zitternd im Wissen um die Gefahren früh zur Arbeit erschienen und voller Bangen den Rufen folgten, verließen bar jeglicher Hemmungen schluchzend die Höhle des Löwen und waren für den Rest dieses Tages zu keiner Arbeit mehr zu gebrauchen. Andererseits ging beharrlich das Gerücht um, dass die attraktiveren Mitarbeiterinnen von diesen Ärgernissen weitgehend verschont blieben. Eine aus der Schar dieser Auserwählten berichtete Holstein unter dem brüchigen Siegel der Verschwiegenheit, dass er zu einer seiner Audienzen sie auf Knien um ein Schäferstündchen, vielleicht auch weniger, nur ein halbes Stündchen, ein Viertelstündchen, man könne sich ja beeilen, gleich hier im Dienstzimmer, auf dem Schreibtisch, auf dem Drehstuhl, auf dem Ledersofa, gebeten habe. Sie habe widerstanden, müsse sich nunmehr aber die üblen Prozeduren dienstlicher Schurigeleien wie alle anderen gefallen lassen, allerdings nicht allzu übel, denn sie hätte ja noch einen Trumpf dagegen, die Grenzen wären da schon gesteckt.

      Wunderlich schnupperte jetzt in den Computerraum.

      „Junge, Junge, da drinnen kann man ja wieder die Luft mit dem Messer schneiden! Solltest du nicht ein richtiges Zimmer kriegen, mit Fenster und so? Und wolltest du nicht eigentlich wieder aufhören zu rauchen?“

      „Beides. Kommt Zeit, kommt Rat. Manchmal bin ich ganz froh darüber, in dieser Buchte zu arbeiten. Selbst der Ratsvorsitzende müsste anklopfen, um eingelassen zu werden, dank der idiotischen Sicherheitsvorkehrungen. Hab‘ ich meine Ruhe.“

      Holstein und Wunderlich hatten am Ende des vergangenen Jahres gemeinsam den Rechner in einem Piratenakt beschafft. Die Bilanzzuteilung, der schriftlich fixierte, staatlich gesicherte Anspruch auf eine Ware oder Dienstleistung


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