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vorbelastete Gäste versprachen, da auf anderweitige Dinge konzentriert, sich nur allzu leicht wie die Weihnachtsgänse ausnehmen zu lassen.

      Auf diese Weise verbrachten Holstein und Wunderlich einen durchaus erlebnisreichen Abend, Essen und Trinken zumal gesponsert vom dies nicht ahnenden, den Einlass zur Bierstube regulierenden Kellner mit Parteiabzeichen.

      Der im Fachorgan eingesetzte Computer erfüllte die in ihn gesetzten Erwartungen über alle Maße. Wie üblich standen zwar noch immer einige Kollegen dieser technischen Entwicklung mehr als skeptisch gegenüber, einige, die nicht einmal den längst üblichen Taschenrechnern vertrauten und die ellenlangen Spalten und Zeilen der Planungsmatrizen wie seit Urzeiten gewohnt kopftechnisch summierten und multiplizierten, andere dagegen waren nur mit sanfter Gewalt und unter dem Druck des Einsatzplanes von der neuen Technik weg zu bewegen. Als jämmerlicher Engpass stellte sich mit forcierter Nutzung die Beschaffung des erforderlichen Zubehörs wie Disketten, Druckerpapier und Druckerfarbbänder heraus. Disketten gab’s stückweise und nachweispflichtig per rationierter Zuteilung - gut, wenn man da wie Holstein wenigstens ein, zwei Flaschen Wernesgrüner Bier im Gepäck hatte. Im Frühsommer des Jahres 90, kurz vor Währungsunion und Anschluss, traten Holstein schier die Augen aus den Höhlen, da er zu Besuch bei entfernten Verwandten im Fränkischen weilte und wahrnahm, dass der Hausherr ausgemusterte, aber noch funktionstüchtige Festplatten-Laufwerke als Abstützhilfen für wackelnde Regale in seiner Werkstatt einsetzte. Von Laufwerken dieser Leistungsfähigkeit hätte Holstein zu DDR-Zeiten nicht einmal zu träumen gewagt.

      Alles in allem aber war Holstein, nunmehr am Beginn in sein fünftes Lebensjahrzehnt stehend, dienstlich gesehen im Reich der Glückseligen angelengt und hatte seine Seelenbalance mit der neuen Tätigkeit wiedererlangt. Längst - Gott, dem ehernen Naturgesetz oder wem sonst auch immer, sei’s tausendfach gedankt - vergangen waren die nervenaufreibenden Tage, Wochen und Monate, da er hauptamtlich in der SED-Bezirksleitung und danach ehrenamtlich für die Aufklärungsabteilung der Stasi arbeitete.

      Sohn Sven, der Pfiffikus, bereitete sich auf den Eintritt in die mathematisch-physikalische Spezialschule vor, die würde ihn direkt nach dem Abitur ohne Zeitverzug in eine der eben ins Leben gerufenen Meisterseminargruppen an einer Universität führen, von dort in eine der Forschungs- und Entwicklungsbereiche in Wissenschaft oder Industrie. Svens beruflicher Weg war klar und eindeutig vorgezeichnet. Über dessen Zukunft brauchte sich Holstein keine Sorgen zu machen, das beruhigte ungemein. Da konnte man über die Zustände im Lande meckern wie man will, berechtigt oder auch nicht, im Gegensatz zum Westen erhielten die Jungs und Mädels hier alle eine Lehrstelle, danach alle auch ohne Abstriche eine berufliche Anstellung, keiner lag auf der Straße und damit den Eltern oder der Gesellschaft auf der Tasche. Wer wollte und das Zeug dazu hatte, besuchte die höheren Bildungseinrichtungen. Dort dauerte das Studium vier, fünf oder höchstens sechs Jahre, nicht sieben, acht, neun, zehn und darüber hinaus. Und auch die Absolventen der Hochschulen und Unis standen mit ihren erfolgreichen Abschlüssen nicht arbeits- und hoffnungslos vor den Schaltern irgendeines Arbeitsamtes. War schon etwas dran am Sozialismus. Zugegeben, die Bäume wuchsen nicht in den Himmel, vor allem nicht gleich und nicht sofort und nicht überall. Die Prozesse brauchten eben ihre Zeit, Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Es würde sich trotz aller Hindernisse und Schwierigkeiten lohnen, sich weiterhin dazu zu bekennen und dafür zu streiten. Die Kaste der Parteioligarchen musste eliminiert, die Fachkompetenz zum alleinigen Sachwalter erhoben werden. Das war der Schlüssel zum Erfolg, darin wussten sich Holstein und Wunderlich einig.

      Wie es schien, hatten die sowjetischen Genossen unter ihrem neuen Generalsekretär Gorbatschow in diesem Sinne die Nase dabei vorn, vielleicht konnte man es bald wieder zu Recht verkünden: Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen.

      Wie üblich legte Holstein den Heimweg am späten Abend bei trockenem Wetter zu Fuß zurück, das sparte Benzin und verhalf zu klarem Denken.

      Tochter Maria, mittlerweile auch schon Schülerin der vierten Klasse und Sohn Sven präsentierten heute ihre Halbjahreszeugnisse, für Sven würde es das entscheidende Sprungbrett zur Spezialschule bedeuten. Holstein musste bei beiden keine Bedenken haben. Dani und er hatten sich immer viel mit den Kindern beschäftigt, auf dass deren Anlagen nicht ungenutzt verfilen oder gar ungesteuert missbraucht wurden. Trotzdem war es kein Geheimniss, dass sich beide Kinder trotz gleichem genetischen Ausgangsmaterials und weitgehend gleicher Begleitumstände beim Aufwachsen im Elternhaus deutlich verschieden in ihrem Charakter zeigten. Während Sven ausgesprochen, manchmal geradezu beängstigend kühl und sachlich seinem schulischen und sonstigen Tagewerk nachging, zeigte sich bei Maria ein deutlicher Hang zum Extravaganten, ja zum Luxus. Diese, von Holstein stirnrunzelnd beobachtete Neigung erfuhr durch Holsteins Mutter noch beachtlichen Vortrieb. Die Oma hatte genug Zeit, hin und wieder, freilich ohne meinen Vater, der hätte diesen ihren Unternehmungen nur hinderlich im Wege gestanden, per Straßenbahn ins Stadtzentrum zufahren, um bei dem dort seit ein paar Jahren vermehrt in den Straßenunterführungen der Innenstadt postierten, wie Mutter Holstein es bezeichnete, „fahrenden Volk aus Polen“ für recht viel Geld recht billigen Tand einzuhandeln und diesen alsdann Maria bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit ins Haar zu stecken, um den Hals zu legen, an Fingern, Ohren und Handgelenken zu befestigen. Holstein nahm die zunehmende Schar der permanent aus Polen einrückenden jungen Männer mit Erstaunen und Unmut wahr: Kerle wie Gardesoldaten mit Händen zum Zupacken verhökerten Kettchen, Armreifen, Anhänger und jede Menge anderen Tinnef, von diesem selbst behangen wie Christbäume. Gab’s denn keine ordentliche Arbeit mehr im polnischen Nachbar- und Bruderland?

      Wahlen standen wieder einmal vor der Tür und damit kam auch Holsteins moderne Rechentechnik im Wahleinsatz zum Tragen. Und das war auch gut so, denn es ersparte ihm, da diesmal als Spezialist im eigenen Haus gebraucht, den Einsatz als Wahlhelfer wie zu den letzten Wahlen. Dabei ging es zwar nur um solche im kommunalen Bereich, das Prozedere jedoch war das gleiche: Gegen vier Uhr nachmittags wurden durch den Leiter des Wahlbüros Gruppen von je zwei Mann gebildet, die suchten diejenigen Bürger des Wahlbereiches auf, die bis dahin noch nicht im Wahllokal erschienen waren und forderten sie auf, ihrer patriotischen Pflicht nachzukommen. Holstein hatte Glück, sein Partner, ein älterer Bankangestellter, kannte sich bestens aus in den Gepflogenheiten und Abläufen der Wahlrituale. Noch vor der Aufgabenstellung und Inmarschsetzung durch den Wahlbüroleiter zu den vermeintlich Säumigen nahm er Holstein zur Seite, und sie verkrümelten sich zu einem länger währenden Spaziergang durch die städtischen Parkanlagen. Erst nach Schließung des Wahllokals kehrten sie zurück und nahmen dann an der öffentlichen Auszählung der Stimmen teil. Eine immer wieder vermutete Wahlfälschung konnte Holstein in diesem Wahlbüro nicht feststellen.

      Zur diesjährigen Wahl würde er also nicht als Stimmen-Zutreiber fungieren, sondern das tun, was er auch sonst immer tat: den Computer bedienen. In Vorbereitung des qualitativ neuen Rechenverfahrens wurde er vom Vorsitzenden der Wahlkommisssion vergattert: Alles, was im Zusammenhang mit der Erbringung und Zusammenstellung der Wahlergebnisse steht, unterliegt der strengsten Schweigepflicht. Was wird denn das jetzt, fragte sich Holstein? Doch nicht etwa Wahlbetrug!

      Was sie jedenfalls bis in die späten Abendstunden mittels Computer als vorläufiges Wahlergebnis für den Bezirk errechneten, fand sich auch so bis auf geringe Abweichungen nach dem Komma in den Tageszeitungen am nächsten Tag wieder. Die in Holsteins Rechner einfließende Zahlen ergaben über alle Kreise und den Bezirk selbst nie weniger als 98,5 Prozent an Ja-Stimmen. Wieso und woher also der stete Verdacht auf Betrug und Fälschung? Holstein vergaß an diesem Abend die vielen Stimmen derjenigen, die im Vorfeld der Wahlen per Briefwahl oder Sonderwahllokal die Chance nutzten, dort ihren Unmut über das Regime und dessen Ablehnung kundzutun. Bei deren Stimmen-Auszählung blieb die Öffentlichkeit fern. Wo aber lag denn das Problem für die Partei- und Staatsführung, einmal zwanzig Prozent unter den angestrebten Hundert zu kassieren? Hätte das nicht auch gereicht? Hätte es nicht. Holstein wurde sich dessen erst viel später bewusst: Einmal in Fahrt gekommen, wäre die Sache nicht zu bremsen gewesen. Zur nächsten Wahl wären vierzig, fünfzig oder gar sechzig Prozent von Hundert abzuzählen gewesen.

      Der Herbst zog ins Land, die Wahlen zu den örtlichen Parteiorganen standen auch wieder an. Da gab es jede Menge Agitation in Rundfunk und Fernsehen, wenig aus dem großen Sowjetlande, dafür um so mehr aus dem eigenen Politbüro.

      Zur


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