Fleischpflanzerl. Jonas Scotland

Fleischpflanzerl - Jonas Scotland


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wartet?! Ich kenne doch die Weiber. Die sind doch alle gleich!«

      »Was willst du damit sagen?«, erwidert der Angesprochene wütend. Anton Brunisch hat ein leicht aufbrausendes Temperament. Er ist sehr stolz auf seine Hildegard. Sie ist achtzehn Jahre jünger als er. Vielleicht ist das der Grund, weshalb er besonders empfindlich ist, wenn es um sie geht.

      »Reg dich doch nicht über den besoffenen Quatschkopf auf, Anton. Der will sich doch nur wieder schlagen«, beschwichtigt Kuchenbäcker.

      »Hast ja Recht, Hans. Der ist es gar nicht wert.«

      Aber Krüger provoziert weiter. Er weiß, dass er Brunisch gleich so weit hat: »Was ich damit sagen will? Ja, was will ich wohl damit sagen? Na, dass deine Schlampe ganz froh ist, dass du nicht da bist. Und weißt du auch warum? Weil sie sich jetzt jede Woche einen anderen angeln kann, darum!«

      »Du Hund!« Mit diesen Worten stürzt sich Anton Brunisch auf den streitsüchtigen Zeitgenossen.

      Vergeblich versucht sein Freund ihn zu beruhigen. Bald ist eine wilde Keilerei im Gange. Die Karten fliegen vom Tisch. Plötzlich steht der Hauptmann daneben: »Auseinander!«

      »Jawohl, Herr Hauptmann!«

      »Jawohl, Herr Hauptmann!«

      »Krüger, melden Sie sich zum Latrinenreinigen! Brunisch, Ihnen ist wohl die Urlaubsbewilligung zu Kopf gestiegen! Der Heimaturlaub ist gestrichen!«

      »Herr Hauptmann, Krüger hat die Schlägerei angezettelt. Ich habe es ganz genau gehört«, bemüht sich Kuchenbäcker zu erklären.

      »Es ist mir vollkommen egal, wer angefangen hat! Ich will keine Streitereien unter meinen Leuten. Das habe ich oft genug gesagt! Deshalb muss ich hart durchgreifen und beide bestrafen! Und jetzt ist Ruhe im Quartier!«

      Nachdem der Vorgesetzte die Mannschaftsunterkunft wieder verlassen hat, versucht der Freund Trost zu spenden: »Tja, Anton, tut mir Leid für dich. Da kann man nichts machen. Nimm es nicht so schwer. Lange kann der Krieg ja nicht mehr dauern. Und dann bist du wieder für immer bei deiner Hilde.«

      »Ach Hans, am Fünften ist unser Hochzeitstag. Wer weiß, ob ich den nächsten noch erlebe? Naja, dann musst du halt allein nach Dingeln.«

      »Ich kann doch nicht alleine gehen und dich in deinem Pech zurücklassen. Ich verzichte auf meinen Urlaub, Kumpel.«

      »Das würdest du für mich tun? Du bist ein wirklicher Freund. Aber meine Frau ist ganz alleine. Ich will ihr wenigstens eine kleine Freude machen. Ich bitte dich, dass du zur Hilde gehst und ihr alles von hier erzählst, und dass du mit ihr über ihre Sorgen sprichst und ihr sagst, dass ich immer nur an sie denke und bald heimkomme. Mein Freund, willst du das für mich tun?«

      »Klar, Anton. Wenn du das wirklich willst.«

      »Und vergiss nicht ihr zu sagen, dass ich jetzt viel schlanker bin, weil mir ihr gutes Essen fehlt.«

      »Apropos Essen, kennst du den schon?:

      Es tönt ein Ruf wie Donnerhall:

      "In Deutschland sind die Zwiebeln all’."

      Doch Hermann Göring sprach vor kurzem:

      "Man kann auch ohne Zwiebeln furzen."«

      Gemeinsam bricht man nach der aufheiternden Reimeinlage in Gelächter aus. »Haha! Der ist wirklich gut«, findet Anton. »Aber da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Weißt du, warum?«

      »Nein«, antwortet Kuchenbäcker humorvoll abwartend.

      »Ich will dir’s sagen: weil meine Hilde bei uns im Garten ihre eigenen Zwiebeln anbaut. Hahahaha! Da wird sie bestimmt für dich eine Zwiebel übrig haben. Dann erzähl ihr doch auch gleich den Witz, damit sie auch was zu lachen hat.«

      Am nächsten Morgen verabschieden sich die Freunde:

      »Auf Wiedersehen, Hans! In zwei Wochen sehen wir uns wieder. Und komm gut durch, Alter!«

      »Klar, ich gehe doch nur durch erobertes Land. Also, bis dann!«

      Aber Gefreiter Brunisch kann sich nun doch nicht damit abfinden, dass man so ungerechtfertigt seinen Heimaturlaub gestrichen hat. Die Sehnsucht schmerzt ihn so sehr, dass er gegen alle Vernunft handelt und sich ein paar Stunden später unerlaubt von der Truppe entfernt, um sich heimlich nach Hause zu begeben. Der Hitzkopf weiß genau, dass ihn dafür eine schwere Strafe erwartet. Doch das Verlangen seine Frau wiederzusehen ist einfach stärker.

      Bereits am Vortag des Hochzeitstages holt letztere das Beil aus dem Keller, um den Braten vorzubereiten. Heute nieselt es etwas. Sie hat ihr buntes Kopftuch mittels einer Schlaufe über der Stirn turbanartig um das Haupt geschlungen, wie es Mode ist. Das Beil wird gegen den Hackklotz gelehnt, welcher im Garten steht. Dann geht sie auf den Hühnerstall zu, sucht sich das fetteste Federvieh aus, öffnet das Gatter und schnellt mit beiden Armen hinein. Unter dem wilden Gegacker und Umherflattern der verängstigten Tiere, gelingt es ihr endlich das auserwählte Huhn zu packen und herauszuziehen.

      Das verschreckte Wesen zuckt am ganzen Körper und dreht aufgeregt den Kopf hin und her, als ob es wissen würde, was es erwartet. Hildegard Brunisch umklammert mit der linken Hand beide Hühnerbeine und lässt den Körper nach unten kippen, so dass sie bequem den Kopf gegen den Klotz lehnen kann. Jetzt greift sie mit der rechten Hand das Beil, holt rückwärts weit aus und hackt durch einen kräftigen Schlag den Hals durch. Das Blut spritzt ihr ins Gesicht, während der abgetrennte Kopf klatschend vor ihre Füße fällt.

      Dann lässt sie den Torso los. Dieser breitet die Flügel aus, flattert etwa zwei Meter in die Höhe und fliegt anschließend etwa fünf Meter durch die Luft. So lange, bis er völlig entkräftet zu Boden sinkt, um mit letzten Zuckungen zu verenden.

      Als Anton sein Heimatdorf erreicht, wird ihm ganz warm ums Herz. Die längste Strecke hat er mit der Dampfeisenbahn zurückgelegt. Nur noch ein paar hundert Meter, und er ist zu Hause. Was für ein Gefühl für einen Mann, der seine Frau ein langes Jahr des Krieges und der Entbehrungen nicht gesehen hat. Auf dem Kopf trägt er die Uniformkappe. Hinten am oberen Teil des breiten Rucksackes sind eine Decke und der Stahlhelm festgesurrt. Um die Hüften baumeln eine zylinderförmige Metalldose, welche seine Gasmaske beinhaltet, die Menage sowie die Feldflasche.

      Frohgemut durch den Ort marschierend, wird er ab und zu freundlich von alten Bekannten gegrüßt, wie von Großvater Oberbeck: »Ach, der Herr Brunisch! Endlich wieder mal zu Hause. Schöne Tage und einen freudigen Aufenthalt wünsche ich Ihnen!«

      »Danke, Herr Oberbeck!«

      Nun kann Soldat Brunisch schon sein Haus erblicken. Das Haus mit den roten Backsteinen und dem spitzen, dunklen Dach. Die kleine, schwarze Laterne davor. Und er fragt sich: Ob meine Hilde gerade im Garten arbeitet? Der Hans war bestimmt schon da und hat ihr gesagt, dass ich nicht kommen kann. Das wird eine Überraschung für sie!

      Nachdem er die Pforte leise geöffnet hat, schreitet er durch den blühenden Vordergarten. Die summenden Bienen sind gerade eifrig dabei, die Blüten zu befruchten. Freudig erregt schleicht er sich am Haus vorbei in den Garten. Aber seine Frau ist nicht bei der Gartenarbeit. Die Terrassentür steht nicht offen. Folglich geht er nun zur Haustür, steckt den Schlüssel ins Schloss und schließt auf. »Hilde?«, fragt er zaghaft.

      Aber — keine Antwort. Stattdessen vernimmt er lautes Stöhnen und andere Geräusche aus dem Wohnzimmer.

      »Hilde! Was ist passiert? Ist dir nicht gut?« Mit diesen Worten stürmt der Heimkehrende in den Raum. Doch was er jetzt sehen muss, entsetzt ihn: Seine Frau mit Kuchenbäcker. Sie sind nur spärlich bekleidet! Anton hat die beiden beim Liebesspiel überrascht! »Mein bester Freund! Du Dreckschwein!«

      »Hör gut zu, Anton! Ich ...«

      Der betrogene Ehemann stürzt sich auf seinen Kameraden. Wutentbrannt umklammern seine Hände dessen Hals!

      Der Drangsalierte will sich nun zur Wehr setzen. Aber ihn verlassen die Kräfte. Gegen den vor Zorn tobenden Mann hat er keine Chance.

      »Anton, nicht!«, versucht seine


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