Fleischpflanzerl. Jonas Scotland

Fleischpflanzerl - Jonas Scotland


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      Der Blick des in Rage geratenen Gatten wendet sich auf seine Frau: »Ich?! Ich getan?! Du hast es getan! Und das an unserem Hochzeitstag! Du verdammtes Miststück!« Schon streckt er seine kräftigen Arme auch nach ihr aus.

      »Nein! Anton!«, bettelt sie, während seine dicken Finger sich anspannen, um auch ihr die Luft abzuschnüren: »Ich bring’ dich um, du dreckige Hure!«

      »Ich fleh’ dich an! Er hat mich gezwungen!«

      »Was sagst du da?«

      »Ja! Ich habe ihn reingelassen. Er hat mir gesagt, dass du nicht kommen kannst und dass du ihn beauftragt hättest, mir eure Erlebnisse zu erzählen. Kaum waren wir drinnen, ist der gemeine Kerl über mich hergefallen.«

      »Der Hans? Das glaub’ ich nicht! Der Hans würde so was nie machen! Du hast ihn verführt, du Hexe!«

      »Es ist die Wahrheit! Ich konnte mich nicht wehren. Er hat mich einfach gepackt und genommen. Ich bin doch so schwach!« Die Frau beginnt nun zu schluchzen, um ihren Mann zu beruhigen.

      Der lässt daraufhin von ihr ab.

      »Oh, Anton, es war furchtbar!«

      Der Zurückgekehrte schweigt einen Moment. Dann blickt er auf den leblosen Körper, schlägt seine Hände vor die Augen, stöhnt »Oh, Gott!« und lässt sich auf einen Stuhl nieder.

      Nach einer Weile bemühen sie sich, einen klaren Gedanken zu fassen: »Hilde, jetzt ist alles aus. Die bringen mich ins Zuchthaus, wegen Totschlags, wenn sie mich nicht gleich hinrichten!«

      »Ach was. Es weiß doch keiner was davon.«

      »Ja und?! Was sollen wir denn machen?«

      »Zuerst müssen wir dafür sorgen, dass ihn keiner findet.«

      »Oh, wie soll das denn nur weitergehen?«

      »Das werde ich dir sagen: Wenn es dunkel ist, vergraben wir Hans im Garten.«

      »Du meinst, einfach begraben? Das geht doch nicht! Wenn uns jemand dabei sieht!«

      »Weißt du vielleicht was Besseres? Schließlich hast du ihn umgebracht und nicht ich!«, schlägt es ihm entgegen.

      »Nein. Aber ...«

      »Na also!«

      »Aber wie soll es weitergehen? Man hat ihn doch sicher gesehen, als er ins Dorf gekommen ist und bestimmt auch, als er in unser Haus ging!«

      »Das macht nichts. Wenn jemand fragen sollte, werden wir sagen: Du bist dazugekommen, wir haben uns unterhalten und viel zusammen erzählt. Warte — ich weiß: Wir werden sagen, Hans wollte nur bis morgen früh in Dingeln bleiben. Dann wollte er noch irgendwo eine Bekannte besuchen. Deshalb haben wir bis spät in die Nacht zusammen gesessen und erzählt, weil er ja morgen in aller Frühe loswollte. Hier im Dorf wird ihn ja sonst keiner vermissen. Ja, und wenn er sich dann nicht von seinem Heimaturlaub bei der Truppe zurückmeldet: Wir wissen von nichts.«

      »Hm — klingt überzeugend.«

      »Ist es auch.«

      »Ich kann es immer noch nicht fassen, dass man sich so in einem Menschen täuschen kann. Hans, mein bester Freund!«

      »Tja, so was passiert eben.«

      Der Flüchtige sieht das noch geschlossene Päckchen des Toten auf dem Küchenbuffet liegen und erzählt: »Dabei wollte er zuerst gar nicht alleine kommen. Weißt du, es sah nämlich so aus, als wenn ich keinen Urlaub bekäme. Deshalb sind wir auch nicht zusammen angekommen. Und dann so was!«

      »Ach, das hat doch nichts zu sagen. Vielleicht war das nur ein Trick von ihm, und er hatte die Sache von Anfang an geplant!«

      »So ein Schuft! Der Kerl hat den Tod wirklich verdient!«

      Am späten Abend geht Anton Brunisch, mit dem Spaten ausgerüstet, in den hinteren Teil des großen Gartens und beginnt damit, ein tiefes Loch auszuheben. Er hat kein Licht mitgenommen, um nicht das Risiko einzugehen, die Aufmerksamkeit eines Nachbarn, welcher nicht schlafen kann, auf sich zu ziehen. Nur ab und zu dringt der kalte Schein des Mondes durch die dunklen Wolken. Die Blätter der umstehenden alten Bäume rauschen, als wenn sie sich über den Ablauf des Geschehens aufregen würden.

      Während Anton schaufelt, drehen sich ihm die Gedanken im Kopf: Ist das richtig, was er tut? Hat seine Frau ihm wirklich die Wahrheit gesagt? Ist sie ihm treu geblieben? War sein alter Freund Hans wirklich ein gemeiner Frauenschänder? Er gräbt und gräbt, grübelt und zweifelt. Aber es nützt nichts. Selbst wenn Hilde ihn belogen hat — er muss die Sache jetzt zu Ende bringen.

      Da — war das nicht ein Geräusch?

      Wahrscheinlich nur der Wind. So, nun ist die Grube wohl tief genug. Aber — was ist das?

      Unversehens spürt Anton eine Hand von hinten auf seinem Rücken. Er verliert das Gleichgewicht und fällt in das Loch!

      Die schaurige Furcht, sein eigenes Grab geschaufelt zu haben, ist es, was ihm den Schmerz vergessen lässt und ihm die Kraft gibt, sich sofort wieder auf die Beine zu rappeln.

      »Wer... wer ist da?«, ruft er zitternd ins Dunkle.

      »Pst! Sei ruhig! Du wirst noch alles verderben! Ich bin es. Wer sonst?! Du Dummkopf!«

      »Hilde! Was ...?«

      »Ich komme extra an, um dich zärtlich zu umarmen und dir so Kraft zu geben, und du lässt dich einfach in die Grube fallen und schreist die ganze Nachbarschaft zusammen!«, beschwert sie sich.

      »Aber ... du hast mich doch hineingestoßen!«, sagt er verstört.

      »Gestoßen soll ich dich haben? Nu’ hör aber auf! Du bist doch der Gewalttäter hier! Du hast ihn doch kaltgemacht! Vergiss das nicht! Und jetzt hol ihn!«

      Anton gehorcht. Vorsichtshalber schleicht er noch einmal ums Haus, um zu überprüfen, dass sich in der Nachbarschaft nichts regt. Als er in das Wohnzimmer kommt, erstarrt er vor Schreck. Der Boden, auf dem vorhin noch die Leiche lag, ist leer!

      Sollte der Gewürgte am Ende doch nicht tot gewesen sein? Haben ihn die Lebensgeister nach dem Atemstillstand wieder gepackt und zu Kräften kommen lassen?

      Als seine Frau den Raum betritt, treibt diese ungeduldig an: »Was ist denn? Wo bleibst du denn?«

      »Er ... er ist... weg! Hilde, er ist verschwunden!«

      »Rede doch nicht so einen Unsinn, Mann! Hans ist schon vorne bei der Terrassentür. Ich habe ihn dahin geschleift, weil ich ihn hier nicht mehr liegen sehen konnte, und damit wir ihn nicht ums Haus tragen müssen, damit uns am Ende keiner sieht.«

      Vor der Terrassentür glotzen Anton die weit aufgerissenen Augen des Leichnams erwartungsvoll entgegen.

      »Ein schauriger Anblick!«, zögert er. Mit großer Überwindung schafft er es, die Lider zuzudrücken: »O Gott!«

      »Zuerst ihn töten, und dann stellst du dich so an! Soll er ewig hier liegen?!«, ereifert sie sich.

      »Ich mach’ ja schon.« Aber als er den Toten hochnimmt, springt das rechte Auge wieder auf! Anton lässt ihn erschrocken fallen.

      »Bist du nun ein Soldat oder nicht?! Der Augenmuskel ist noch gespannt. Na und!«

      Folgsam bückt er sich runter, packt die Leiche an den Armen und zieht sie sich auf den Rücken: »Tür auf! Oder soll ich das auch noch machen!«

      Frau Brunisch öffnet die Tür. »Los! Aber leise!«, zischt sie.

      Es geht über die Steinplatten, dann die Stufen hinab und auf den Rasen. Mit schweren Tretern stapft der Mann durch das feuchte Gras. Die Beine des Toten baumeln mit jedem Schritt willenlos hin und her. Anton atmet schwer unter der grausigen Last. Ihm ist, als ob Hans ihn mit sich nach unten drücken will. Seine Gattin geht voran.

      »Endlich!«, stöhnt Anton, als er sich dem dunklen Loch nähert. Er bückt sich, um die Leiche langsam hineingleiten zu lassen. Nachdem er


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