Anja und das Reitinternat - Auf gut Glück. Feli Fritsch

Anja und das Reitinternat - Auf gut Glück - Feli Fritsch


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diskutieren. Solange Phil nicht sagt Hey, Anja, ich hab keine Lust mehr auf die Fernbeziehung. Wir werden jetzt zusehen, dass ich zu dir ziehe , mach ich gar nichts mehr!“ Mit den Worten schlug Anja den Spind ihres Pferdes zu und ließ eine verdutzte Amelie zurück.

      Draußen war es bitterkalt. Anja fror und spürte ihre Finger nicht mehr, die zwar in dicken Handschuhen steckten, aber eben auch Skys Zügel festhalten mussten. Am liebsten hätte sie den Start zurückgezogen, als sie sich auf den Weg vom Abreiteplatz zur Startbox machte, aber ihr Vater Steffan redete ihr gut zu und gab ihr die letzten Tipps.

      Warum muss es ausgerechnet heute so bitterkalt werden? , fragte sich Anja, als das grüne Licht den Start freigab und sie Sky treibende Hilfen gab. Der Schimmelhengst gab mächtig Gas und wirbelte Anjas negative Gedanken davon. Sie musste sich jetzt konzentrieren, um ihr Pferd sicher durch die Geländepferdeprüfung der Klasse A zu bringen, deren Endergebnis über Skys weiteres Training entschied. Sie hatten zwar im A-Gelände des Willkommensturniers eine 8,7 abgestaubt und für Anja war damit bereits klar, dass sie in den nächsten Wochen mit L anfangen konnten, aber ihr Vater wollte dennoch noch mal Skys Leistung unter Beweis stellen.

      Anja nahm Sky ein wenig zurück, als sie den breiten Oxer anritten. Der Hengst zog mächtig an, gab Gals, als Anja in den Zügeln nachgab und setzte darüber hinweg. Dahinter ging es einen kleinen Hügel hinauf und nach einem kleinen Sprung wieder herunter. In einem großen Bogen galoppierten sie über die Wiese, nahmen drei Hindernisse mit und machten sich dann auf den Weg ins Wasser. Sky spitzte die Ohren und fixierte mit den Augen den Aufsprung. Mit einem großen Satz ließen sie das Wasser hinter sich und Anja ließ ihm die Zügel länger, damit er sich auf der Distanz zum nächsten Hindernis gut strecken konnte. Den letzten Sprung, ein blaues Dach, nahmen sie fehlerfrei und schlossen den Parcours damit in der neuen Bestzeit ab. Anja klopfte zufrieden Skys Hals und ließ ihn zum Abreiteplatz traben.

      „Das sah gut aus“, lobte Anjas Mutter Friederike.

      „Danke“, Anja war erleichtert, dass sie sich nicht die Finger abgefroren hatte, und ließ Sky die Zügel länger.

      „Für die Startnummer 453 Sky von Skyline aus einer Frisko-Mutter ergibt sich in dieser Prüfung eine Endnote von 8,5. Herzlichen Glückwunsch auch an die junge Reiterin“, wurde verkündet.

      „Hey, das war auch ein Kompliment an dich“, grinste Cedric, Anjas Bruder, der an den zwei Tagen Turnier mit seinem Pferd eine Kader-Sichtung ritt.

      „Du bist toll geritten, meine Kleine“, sagte auch Steffan, als er Anja liebevoll und stolz umarmte und sie dann zum Abreiteplatz begleitete.

      „So klein bin ich doch gar nicht mehr“, lächelte Anja und ihr Vater nickte.

      „Da hast du recht. Du bist mittlerweile auch meine Große geworden. Du hast Talent, Anja! Ich bin wirklich sehr stolz auf dich!“ Er lächelte ihr väterlich zu und Anja freute sich über seine Worte, dann ritt sie Sky ab, bis die Siegerehrung begann. Mit seiner Wertnote hatten sie – wenn auch ein wenig überraschend – gewonnen und so führten sie die Ehrenrunde an. Anja winkte zum Publikum, das begeistert applaudierte, während ein Sommerlied des Jahres 1985 aus den Lautsprechern dröhnte.

      „Lasst uns Sky zurück in die Box bringen und Cedric beim Fertigmachen helfen. Seine erste Prüfung beginnt in zwei Stunden mit der Dressur.“ Steffan Klein hatte mal wieder alles im Griff und so machten sich die vier samt Pferd auf den Weg zu den Boxen, in denen Sky und auch Cedrics Pferd Spirit’s Best für zwei Tage untergebracht waren.

      Für Anjas Bruder war heute ein wichtiger Tag. Er war aufgrund seiner vielen Erfolge in der letzten Saison inklusive des deutschen Jugendmeister-Titels zu einer Kadersichtung eingeladen worden und die fand an diesen zwei Turniertagen statt. Reiten musste Cedric eine CIC*, also eine Vielseitigkeit auf L-Niveau, was für ihn wirklich keine Herausforderung mehr war, denn in der Schule ritt er bereits auf einem guten S-Niveau. Dennoch war er aufgeregt, das konnte Anja ihm ansehen, als er Spirit für die Dressur fertig machte.

      „Du machst das ganz bestimmt total super“, versuchte Anja, ihren Bruder etwas aufzulockern.

      Cedric grinste schief. „Selbst wenn ich nicht in den Kader berufen werde, kann ich mich immer noch zur Deutschen Jugendmeisterschaft nächsten Sommer qualifizieren“, er nickte Anja zu. Für ihn war es wichtig, seinen Titel zu verteidigen. Im letzten Sommer war er wie Phoenix aus der Asche aufgetaucht und hatte alle anderen Vielseitigkeitsreiter ziemlich dumm aussehen lassen, denn er hatte drei wirklich gute Prüfungen abgelegt und haushoch gewonnen. Seinen Namen kannten alle in der Vielseitigkeitsszene. Dass er sich das nicht mehr abjagen lassen wollte, war klar.

      „Ich drück dir die Daumen“, sagte Anja lächelnd und schnappte sich einen Eimer, um Sky frisches Wasser zu holen. Für sie war das Wochenende hier ein Ausflug in eine frühere Sparte. Anja selbst ritt mit ihrem eigenen Pferd, dem Pony-Wallach Boreo, in der Schule auf einem anfänglichen M-Niveau und war eine begnadete Springreiterin. An der Dressur fand sie wenig und das Geländereiten war ihr in mancher Hinsicht ein wenig zu actionreich. Aus diesem Grund versuchte sie, die Trainingszeit mit Sky in den unteren Klassen zu genießen, und hegte klammheimlich den Plan, sich mit Boreo, mit dem sie seit dem letzten Sommer nicht mehr auf Auswärts-Turnieren unterwegs gewesen war, zu den Deutschen Ponyjugendmeisterschaften im Springreiten zu qualifizieren. Das wäre ein geeigneter Abschluss, denn für Boreo würde der kommende Sommer das Ende seiner Karriere bedeuten: Er war bereits fünfzehn Jahre alt, hatte viele Titel gewonnen und Anja wollte ihn nicht einer Ausbildung über M hinaus unterziehen. Stattdessen wollte sie ihn nur noch als Freizeitpony reiten oder mit ihm in kleineren Klassen starten. Ihre Eltern wussten wie Anja, dass sie danach ein neues Pferd bräuchte. Auch dass Sky bis dahin nicht auf einem sicheren S-Niveau unterwegs war, musste ihnen klar sein.

      Anja verdrängte den Gedanken, als sie ihren Eltern und ihrem Bruder zum Abreiteplatz folgte. Jetzt wollte sie die Zeit, die sie noch mit Boreo hatte, genießen und nicht schon darüber nachdenken, was kommen würde, sollte er nicht mehr ihr täglicher Schulbegleiter sein. Eines war ihr jedoch klar: Sie hätte niemanden mehr – weder Phil noch Boreo. Beide würden sie alleine lassen …

      Cedric schlug sich ziemlich gut. In der Dressur hatte er mit einem ziemlich guten Ergebnis vorgelegt und sich eine gute Startposition fürs Springen ergattert. Und auch dort lief es gut. Cedric hatte nicht zu viel versprochen, seine Leistungen waren gut. Mit einer Startposition an drittletzter Stelle für das Gelände schloss er am Donnerstag die Prüfungen ab.

      „Wir sind wirklich sehr stolz auf euch zwei Großen“, sagte Friederike Klein beim Abendessen, zu dem Steffan seine Familie eingeladen hatte.

      „Ihr seid beide richtig gut geritten und habt keine Schande über das Reitinternat und die Familie Klein gebracht“, stimmte Steffan seiner Frau zu.

      „Darf ich mich mit Boreo bei ein paar Ponyturnieren melden?“, fragte Anja vorsichtig nach, als längst ein anderes Thema eingeschlagen worden war und sie die Vorspeise längst verputzt hatten.

      „Klar. Hast du etwas Bestimmtes vor?“ Etwas erstaunt schaute Steffan Klein seine Tochter an.

      „Ich möchte mit Boreo eine letzte wirklich gute Saison haben und die gerne mit den Jugendmeisterschaften der Ponyreiter abschließen. Dafür muss ich mich aber in meinem Landesverband qualifizieren und wenn ich nie ein Turnier mit ihm reite, dann wird das wohl eher nichts“, erklärte sie ihren Plan und ihre Eltern sagten einen Augenblick lang gar nichts.

      „Bist du sicher, dass du das machen willst?“, wollte Friederike besorgt wissen. „Du weißt, dass das sehr viel Arbeit und Training bedeutet – nicht nur für Boreo, sondern auch für dich.“

      „Ja, das ist mir bewusst“, erwiderte Anja. „Aber ich sehe es als Abschluss. Wir wissen alle, dass es Boreos letzte Saison sein wird, jedenfalls in der Schule. Und ich möchte ihm die Chance geben, nach seinen Erfolgen in Baden-Württemberg noch mal mit mir ein bisschen Karriere zu machen. Außerdem ist es auch meine letzte Chance, im nächsten Jahr kann ich nicht mehr in der U16 reiten.“

      „Das verstehen wir. Und wir wollen dich natürlich darin unterstützen“, Anjas Mutter nahm ihre Hand und drückte sie leicht.


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