Schmerzhafte Verführung - Dem Feind ausgeliefert!. Anne Hope
letzten Monaten von der Konkurrenz ausgeschaltet worden. Gleichzeitig stehen wir vor großen Aufgaben.«
Ich nicke, obwohl er es nicht sehen kann.
»Sarah, wir müssen uns sehen. Jetzt. Ich übermittle dir die Daten.«
Dann klackt die Leitung. Mehrmals muss ich durchatmen, bevor ich mein Mobiltelefon auf den Beifahrersitz werfe. Die Sache scheint ihm wichtig zu sein. Diesen Mann ohne Namen, den ich, seitdem ich denken kann, nur mir Sir anspreche. Kurz bauen sich die Schatten der Vergangenheit in meinem Geist auf und ziehen mich wieder herab in das abgelegene Camp, irgendwo in der Nähe von Alaska. Auf einmal bin ich wieder das kleine Mädchen, das zusammen mit anderen Kindern stundenlang im Matsch marschieren musste. Auf einmal sind meine roten Haare wieder einer Glatze gewichen und…
Ich bin dankbar, als mein Handy piept und ich die Koordinaten für das Treffen erkenne.
Konzentrier dich Sarah! Es geht hier nicht um dich, ging es nie. Das Einzige, was zählt, ist die Firma, verdammt.
Die Koordinaten führen mich zum Queens Midtown Tunnel. Im schwarzen Anzug lehnt er sich an seinen Wagen und bläst Rauch in die warme Nachtluft. Sein Blick allerdings ist wieder in die Stadt hinein gerichtet. Er wirkt verträumt, beinahe als würde er über etwas nachgrübeln.
Mit gehörigem Abstand parke ich meinen Wagen, schreite langsam auf ihn zu. Dieser Mann ist kaum größer als ich. Das Braun seiner Haare hat einen weißen Ton angenommen und sein fahles Gesicht wirkt eingefallen. Nur der riesige Schnauzbart hat immer noch dieselbe Fülle, wie er es schon vor Jahren hatte. Trotzdem löst alleine seine Anwesenheit eine Angst aus, die sich nicht greifbar auf meinen Verstand auswirkt. Es ist genau die Angst, die uns jahrelang ausgeprügelt wurde, die uns verboten wurde. Genau sie ist es, die jetzt wieder vom Unterbewusstsein in die Realität durchbricht. Er ist wieder der große Mann mit dem Feuerwehrschlauch, der uns Nass spritzt, während wir Liegestütze machen und ich bin wieder das kleine Mädchen.
»Guten Abend, Sir«, hauche ich und senke ohne es zu wollen meinen Kopf.
Er blickt mich nicht an, schnippt seine Zigarette weg und zündet sich sofort eine neue an.
»Siehst du das?«, will er mit einer Kopfbewegung wissen. Ich verfolge seinen Blick.
»Das Hauptquartier der Vereinten Nationen. Selbstgefällige Bastarde, die ihren Bürgern verpflichtet sind und sich deshalb nicht die Hände schmutzig machen wollen.«
Die Fahnen der Länder sind angeleuchtet. Hell und im Winde flatternd strahlen sie mir entgegen, als wären sie ein Leuchtturm der Freiheit in einer von Dunkelheit regierten Welt.
Doch er sieht es nicht so. Zwischen zwei Zügen grunzt er abfällig.
»Nein, auf ihren feinen Politikerhänden darf kein Blut kleben. Dafür sind ja wir da. Wir müssen ihnen den Dreck hinterhertragen und gucken, dass sie ihr Saubermann-Image behalten.«
Er blickt mich mit seinen stahlblauen Augen an. Auch wenn vor mir ein älterer Mann steht, er hat die Augen eines Jugendlichen. Wach, interessiert, niemals müde.
»Ohne uns wären sie nichts, Sarah. Und deshalb habe ich auch schon den nächsten Auftrag für dich.«
Während sein Blick wieder zu den Fahnen geht, reicht er mir ein Kuvert hin. Im selben Augenblick übergebe ich ihm die Dokumente aus dem Safe. Als ich keine Reaktion erkenne, öffne ich die braune Mappe. Das Foto einer attraktiven Frau kommt mir entgegen. Ihre brünetten Haare trägt sie offen, mit einem makellosen Lächeln strahlt sie Ruhe und gleichzeitig Herzlichkeit aus. Der Blazer vor der blauen Wand und der amerikanischen Flagge wirkt gut ausgesucht. Erneut geht mein Griff in das Kuvert. Ich ertaste eine Phiole mit einer Flüssigkeit. Dazu Blaupausen eines Gebäudes und mehrere Seiten mit psychologischen Profilen und weiteren Daten.
»Amy Dowal«, lese ich laut vom Blatt ab.
»Die Erbin eines Multimillionen Dollar Konsortiums. Sie engagiert sich für verschiedene Hilfsprojekte, hat in Harvard studiert, besitzt Macht, Einfluss und viele Freunde in wichtigen Positionen.«
Routinemäßig überfliege ich die wichtigsten Daten des Auftrags.
Ich habe aufgehört nachdem Warum zu fragen, stattdessen haben andere Punkte Priorität.
»Wie soll sie ausgeschaltet werden?«
Er zieht erneut an der Zigarette, lässt sich Zeit mit seiner Antwort.
»Nicht ausschalten, außer Gefecht setzten für genau einen Abend.« Unsere Blicke treffen sich. »Heute wird sie auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung in ihrem Haus die Kandidatur für die Präsidentschaft in ihrer Party verkünden. Wir wollen, dass sie es … verschläft.«
Ich ziehe meine Stirn in Falten. Unmerklich drückt sich die Hitze meinen Körper hoch.
»Heute schon? So wenig Vorbereitungszeit hatte ich noch nie. Und warum ihr nicht einfach etwas in das Glas kippen?«
Meine Respektlosigkeit scheint ihm nicht zu gefallen. Das Gesicht zu einer emotionslosen Maske geformt, kommt er auf mich zu. Augenblicklich zieht sich mir ein Schauer durch Mark und Bein. Ich könnte mich für meinen Ton selbst Ohrfeigen.
»Denk nach Sarah«, zischt er aus geschlossenen Zähnen. »Das wäre zu auffällig. Wenn wir ihr etwas ins Glas kippen, wird sie es bemerken. Es muss schleichend passieren. Es muss so aussehen, als wäre es ihr Fehler. Aus diesem Grund hast du diese Flüssigkeit. Eine Mischung aus Schlaf- und Schwächemittel, zusätzlich noch ein starkes Aphrodisiakum.«
Langsam verstehe ich, was er sagen will.
»Ich soll sie verführen?«
Ohne etwas zu sagen, schnippt er auch diesen Zigarettenstummel weg, steigt in den Wagen.
»Sie hat Bi-Neigungen, es dürfte ein Leichtes für dich sein.« Er fährt kurz an, dann geht das Fenster einen Spalt herunter. »Und pass auf, es könnten Mitarbeiter der Konkurrenzfirma vor Ort sein. Steht alles in der Akte.«
Mit diesen Worten lässt er mich alleine stehen.
Die Bronx liegt mir.
Hier werden keine Fragen gestellt. Meinen Liebling steuere ich in die Tiefgarage des Hauchhauses in Co-Op City. Hier wohnen die Ärmsten der Armen und diejenigen, die nicht gefunden werden wollen. Ich gehöre zu der zweiten Gruppe.
Tief in meinen eigenen Gedanken versunken, nehme ich die Treppe in die dreizehnte Etage. Als mir drei Männer entgegenkommen, werfe ich die Kapuze meiner geliebten Lederjacke über das Gesicht und verberge meine roten Strähnen. Sie scherzen, johlen, gehen jedoch nur an mir vorbei, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Es wäre ein Leichtes, sie auszuschalten. Als ich meine Tür aufschließe, muss ich an das jahrelange Training in der Firma zurückdenken. Die unzähligen Stunden des harten Drills, der Waffenkunde und der Kampftechniken. Jahre voller Schweiß und Blut.
Ohne das Licht anzuschalten gehe ich in die abgedunkelte Wohnung und reiße eine Decke vom Fenster herab. Das Lichtermeer unter mir beruhigt meine Sinne. Dann löse ich die schützende Folie von meinen Fingerkuppen und verbrenne sie in einer kleinen Schale. Praktisch, wenn man keine Fingerabdrücke hinterlassen will.
Einen Moment denke ich zurück. Es waren harte Wochen, voller Aufträge und Entbehrungen. Doch sie dienen einem Ziel - dem Wohl der Menschen. Zumindest versuche ich mir das einzureden, als ich unter die Dusche steige und mir das Wasser die Erschöpfung aus den Gliedern spült. Mitten in der Nacht lasse ich mich auf das Bett fallen und sinke sofort in einen tiefen Schlaf.
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