Genesis IV. Alfred Broi

Genesis IV - Alfred Broi


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Der arme Junge ist sichtlich verängstigt!“

      „Stimmt!“ rief der Ältere. „Und ich weiß auch, warum!“ Er trat einen halben Schritt vor und riss dem Jungen sein Paket förmlich aus der Hand, dass der in der Eile lediglich hinter seinem Körper verstecken konnte. „Er ist ein Dieb!“

      „Was?“ rief der jüngere Rekrut überrascht aus.

      Vilo explodierte innerlich, weil er wusste, dass er jetzt nur noch wenige Chancen hatte, die Situation doch noch zu retten. „Aber...!“ Er beugte sich zu dem Jungen hinab und schaute ihn direkt und mit mahnendem Blick an. „...das ist doch bestimmt nur ein Versehen, nicht wahr?“

      Der Junge schaute ihn unsicher an und reagierte nicht wirklich auf ihn.

      „Das werden wir schon noch sehen!“ rief der Ältere sofort wieder und streckte seine Hand nach ihm aus. „Wir nehmen ihn mit und befragen ihn!“

      „Müssen sie das wirklich?“ meinte Vilo. „Sie sehen doch, dass er Angst hat!“

      „Das mag schon sein. Aber wir dürfen Diebstahl hier nicht dulden. Das sollten sie als Commander am besten wissen. Wo kämen wir denn hin, wenn sich jeder hier so bedient, wie er es für richtig hält?“

      „Ich meine ja nur!“ versuchte Vilo ein letztes Mal. „Es ist doch nur ein kleines Vergehen. Ein Dummjungenstreich! Ich denke nicht, dass er es noch mal tun wird. Richtig?“ Er schaute den Jungen wieder fragend an.

      „Tut mir leid, Sir!“ beharrte jedoch der Ältere. „Aber wir müssen ihn mitnehmen. Wenn sie etwas zur Sache beitragen wollen, müssen sie mitkommen!“

      „Was?“ Vilo erschrak. Deutlich konnte er seine eigenen gestohlenen Fleischstücke an seinem Oberkörper spüren und die Feuchtigkeit, die von ihnen allmählich durch die Jacke sickerte. Nein, er konnte auf keinen Fall mit den Männern gehen. „Ähm....nein. Das wird nicht nötig sein, denke ich. Ich werde meine Inspektion fortsetzen wie geplant. Ich erwarte jedoch...!“ Er wartete, bis die beiden Soldaten ihn ansahen. „...dass sie eine menschliche Entscheidung treffen und ihn mit einer Verwarnung davonkommen lassen werden!“

      Dem jüngeren Rekruten sah man an, dass er willens war, Vilos Wunsch zu folgen. Der Ältere jedoch blieb nach wie vor ungerührt. „Wir werden ihm schon nicht den Kopf abreißen!“ meinte er nur, packte den Jungen am Kragen und zog ihn mit sich nach draußen.

      Vilo sah ihnen nach, bis zu dem Moment, in dem sich der Junge herumdrehte und ihn voller Angst und hilflos anschaute. Da spürte Vilo, wie seine Beine zu zittern begannen und er wandte seinen Blick ab.

      „Kommen sie?“ fragte der Ältere.

      Vilo nickte und folgte ihnen. Während der Jüngere die Tür wieder verschloss, schob der Ältere den Jungen schon den Gang hinunter. Der Rekrut nickte Vilo noch zu, dann lief er hinter seinem Kollegen her. Ein paar Sekunden später waren sie hinter der ersten Abzweigung verschwunden.

      Augenblicklich schossen Vilo Tränen in die Augen. Oh Gott, was hatte er nur getan? Wie tief musste er eigentlich noch sinken, um seine Familie zu schützen? Er stöhnte gequält auf, dann glaubte er ein Geräusch zu hören. Er erschrak und erkannte, dass er hier nicht bleiben konnte. Mit schnellen Schritten machte er sich auf den Weg zurück nach draußen.

      Als er jedoch einen dunklen und stickigen Raum durchquerte, musste er stehen bleiben und erlitt erneut einen furchtbaren Weinkrampf. „Du Schwein!“ beschimpfte er sich selbst. Dann schien etwas in ihm explodieren zu wollen. Ohne zu überlegen wirbelte er herum und donnerte seine Fäuste wie von Sinnen gegen einen großen, prall gefüllten Wäschebottich aus Aluminium. Der Inhalt verhinderte, dass mehr als dumpfe Schläge zu hören waren. Vilo tobte sich einige Male an ihm aus, bis er die Kraft verlor und seine Fingerknöchel taub und die Haut dort kurz vor dem Ausplatzen waren.

      Dann erst konnte er sich beruhigen und seine Gedanken ordnen. Was zum Teufel hätte ich denn tun sollen? fragte er sich immer wieder. So gern er dem Jungen auch geholfen hätte, er hätte sich damit selbst verraten und das wäre eine noch viel schlimmere Katastrophe gewesen. Allein der Gedanke daran verursachte bei ihm heftige Übelkeit. Nein, er wollte dem Jungen ja helfen, doch mit dem Auftauchen der beiden Soldaten ging das eben nicht mehr. Aber er hatte doch dafür gesorgt, dass der Junge nur ermahnt wurde. Davon hatten seine Schwestern zwar noch nichts Ordentliches zu essen, doch er schwor sich, herauszufinden, wer der Junge war und der Familie dann anderweitig zu helfen.

      Dieser Gedanke beruhigte ihn weiter.

      Mann, alles in Allem hatte er wirklich Glück gehabt, wenngleich ihm klar war, dass er hier nie wieder herkommen konnte. Der Junge würde mit einem Schrecken davonkommen, der vielleicht sogar heilsam für sein weiteres Leben war. Und er würde der Familie heimlich und unerkannt so oft er konnte, etwas zu essen zukommen lassen. Somit war am Ende allen Genüge getan.

      Vilo atmete mehrmals tief durch und trocknete seine Tränen.

      Für das Wohl seiner Familie ging er schon seit so vielen Jahren durch die Hölle. Da war dieser Vorfall am Ende eher noch harmlos.

      Mit neuer Kraft machte er sich auf, das Gebäude endgültig zu verlassen.

      „Los rein mit dir!“ Der Ältere verpasste dem Jungen einen Stoß, sodass er durch die halbgeöffnete Tür in die Wachstube stolperte und sich nur mit Mühe auf den Beinen halten konnte.

      „Hey!“ rief der jüngere Rekrut sofort. „Du hast gehört, was der Commander gesagt hat. Wir sollen fair zu dem Jungen sein!“

      „Ach was!“ zischte der Ältere zurück. „Alles Blödsinn. Der Bengel hier hat geklaut und ich werde ihn jetzt mal ordentlich ausquetschen. Mir Wurst, was dein Commander sagt. Der gehörte da sowieso nicht hin, egal, was er erzählt hat!“ Er brummte verächtlich, dann baute er sich drohend über dem Jungen auf. „Und jetzt zu dir, du kleine Ratte! Ich hoffe, du weißt, dass du in wirklich bösen Schwierigkeiten steckst? Du...und deine Familie!“

      Vilo hatte sich hinter das Steuer des Buggys gesetzt und war sofort losgeflogen.

      Erst als er die Kuppel hinter sich gelassen hatte, drosselte er seine Geschwindigkeit, öffnete seine Jacke, holte die beiden Pakete heraus und verstaute sie unter dem Beifahrersitz.

      Dann betätigte er seinen Kommunikator.

      „Ja?“ meldete sich eine raue, dunkle Stimme am anderen Ende der Leitung.

      „Ich bin es!“ erwiderte Vilo.

      „Ach, der Mann, der einmal Nuri war! Schön, sie zu hören!“

      „Lassen sie das!“ raunte Vilo. „Ich bin nicht zu Scherzen aufgelegt!“

      „Wie sie wünschen!“ gab der Andere nach. „Aber sie sind zu früh. Unser Date ist erst für morgen anberaumt, oder nicht?“

      „Das weiß ich. Ich wollte nur sichergehen, dass es bei unserer Abmachung bleibt!“

      „Keine Sorge! Wenn sie mir das liefern, was ich begehre, liefere ich ihnen, was sie begehren!“

      Vilo blieb einen Moment stumm und man konnte sehen wie die beiden Kiefer aufeinander malten. „Okay!“ meinte er dann. „Wir sehen uns morgen wie besprochen!“

      „Es wird mir ein Vergnügen sein...Commander!“ Das letzte Wort wurde sehr süffisant ausgesprochen.

      Vilo kappte daraufhin die Verbindung und atmete tief durch. Eine wüste Beschimpfung lag ihm auf den Lippen, doch wusste er, wie sehr er auf den Mann am anderen Ende der Leitung angewiesen war und das er sicherlich um keinen Deut besser war, als er, auch wenn er das nicht immer wahrhaben wollte.

      Er war ein Verbrecher, der für seine Sache sogar den Tod anderer in Kauf nahm. Dass er es für seine Familie tat, spielte überhaupt keine Rolle. Eines Tages würde er sich dafür rechtfertigen müssen und er wusste, dass seine Strafe furchtbarer sein würde, als dieser gottverdammte Krieg es jemals sein konnte.

      Der


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