Auf Biegen oder Brechen. Thomas Hölscher

Auf Biegen oder Brechen - Thomas Hölscher


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von Heinz stimmten, dann hatten eben fünf Stunden gereicht, um die Zahl der als Täter in Betracht kommenden Personen auf ungefähr zehn festzulegen. Es ging nun nur noch darum, diese zehn Personen auch noch ausfindig zu machen.

      Im Gegensatz dazu suchte die Polizei doch eine Nadel im Heuhaufen, wenn sie von dieser Fete nichts wusste. Und woher sollte sie davon wissen? Dass er darauf gekommen war, das war doch reiner Zufall gewesen. Nicht einmal Heinz war es seltsam vorgekommen, dass drei der Opfer auf dieser Fete gewesen waren. Dem war es ja nicht einmal aufgefallen. Es war Börner völlig gleichgültig, welche Schritte seine früheren Kollegen unternommen hatten. Er brauchte Leute wie Bremminger nicht. Er kam alleine zurecht. Und Milewski brauchte er schon gar nicht. Nur durften die von dieser Fete nichts wissen. Dann musste die Suche für die Polizei schwierig sein. Gut, sie hatten mittlerweile herausgefunden, dass alle Opfer Schwule waren. Aber der Täter? Sie wussten, wie er aussah. So, wie zigtausend andere. War der auch schwul? Und wenn man davon ausging: Wer ist schon schwul, und wer nicht? Es steht keinem im Gesicht geschrieben. Und was war sein Motiv? Hasste er Schwule, oder war es Rache? Plötzlich verstand Börner die barsche Vorgehensweise der Polizei beim Verhör in den Schwulenkneipen: Sie suchten eben die Nadel im Heuhaufen, und sie wussten sich in einer Umgebung, die die Polizei immer noch hasste. Außerdem stand die Polizei unter Erfolgszwang; die Öffentlichkeit erwartete Ergebnisse. Und dieser Zwang war die denkbar schlechteste Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit. Sie hatten mit Sicherheit noch nichts Konkretes herausgefunden. Und mit jedem Tag, der verstrich, mussten sie nervöser werden. Börner lachte boshaft. Aber da war dieser eine Punkt, der ihn in Unruhe versetzte. "Du sag mal", wandte er sich wieder an Heinz Behrend. "Ist eigentlich einer dieser Leute, die du mir genannt hast, von der Polizei verhört worden?"

      Obschon in dem Zimmer nur eine kleine Tischlampe brannte, schmerzten Börners Augen wegen der Helligkeit. Er sah, wie Heinz durch ein übertrieben wirkendes Gähnen wohl zum Ausdruck bringen wollte, dass er sich nicht gerade königlich amüsierte. "Was ist los?" fragte Heinz unfreundlich, und Börner spürte seine Wut wiederkehren. Dennoch wiederholte er die Frage ganz ruhig.

      "Ach, weiß ich doch nicht." Heinz' Stimme klang, als würde er Börner im nächsten Augenblick aus der Wohnung werfen.

      "Mensch, das ist doch unheimlich wichtig." Dann hielt Börner inne. Er hatte noch sagen wollen, dass niemand dieser Leute bei der Polizei die Fete erwähnt haben durfte, aber dann hatte er plötzlich Angst gehabt. Heinz brauchte es nicht zu wissen, weshalb das wichtig war.

      "Wieso ist das wichtig?"

      "Du musst mir einfach mal vertrauen", sagte Börner und versuchte, ruhig zu bleiben.

      Noch einmal sagte Heinz Behrend, dass er es nicht wisse, und noch einmal las Börner ihm die zehn Namen vor. Schließlich hatte er hinter zwei der Namen ein Kreuz gemacht, da Heinz sicher gewesen war, dass die beiden Personen bereits von der Polizei verhört worden waren. Sie hätten ihm das irgendwann in der Sub erzählt.

      "Und warum ist das nun wichtig?"

      Wenn hier einer Fragen stellt, dachte Börner wütend, dann bin ich das. Er war klug genug, das nur zu denken. Er musste den Bekannten ablenken.

      "Sag mal, wer von diesen Leuten kannte den Bennie eigentlich am besten?"

      Heinz schien keinerlei Freude mehr finden zu können an Börners Spielchen. "Der Tobi", sagte er gelangweilt und zeigte auf den Namen Tobias Müller in Bochum. Hinter dem hatte Börner bereits ein Kreuzchen gemacht.

      "Dann wird er doch auch mehrere von denen kennen, die auf der Fete waren. "

      "Kann schon sein."

      "Dann ruf ihn doch an."

      "Kann ich ja mal machen."

      "Du sollst das nicht mal machen; du sollst ihn jetzt anrufen."

      Heinz sah ihn entgeistert an. "Sag mal, bist du eigentlich verrückt?" Mit für Börner geradezu theatralischer Geste zeigte er auf seine Armbanduhr. "Du kommst abends zu mir, bist völlig blau, machst aus meiner Bude ein Schlachtfeld, und dann soll ich um halb elf jemanden anrufen. Ich glaub, du hast einen Vogel."

      Schlagartig hatte Börner Angst. Er hatte mit dieser Reaktion nicht gerechnet. Immer wurde er entweder aggressiv oder ängstlich, wenn jemand so mit ihm sprach. Dass er bei diesem Heinz ängstlich wurde, machte ihn noch wütender.

      Außerdem hatte er ein schlechtes Gewissen. Was er tat war ja wirklich unverschämt. Aber er wollte jetzt kein schlechtes Gewissen haben. Schon gar nicht Heinz gegenüber.

      Dann stand Börner auf. Manchmal half nur das Allerdümmste. Er hatte Angst davor, dass es nicht klappen würde; trotz seines Besoffenseins würde er sich dann zu Tode schämen.

      Er ging zu Heinz Behrend und merkte, dass er Schwierigkeiten hatte mit dem Gleichgewicht. Er setzte sich rittlings auf Heinz' zuvor gespreizte Oberschenkel, nahm dessen Kopf in beide Hände und küsste ihn. Er zwängte seine Zunge zwischen die sofort nachgebenden Lippen und spürte die Hände, die in seinen Schwanz griffen.

      Es hatte also geklappt.

      "Für mich ist das alles sehr wichtig", sagte Börner. "Und du hörst jetzt endlich auf, mich zu fragen warum." Es machte ihm Spaß, die Knie des vor ihm sitzenden Bekannten zwischen seine Oberschenkel zu pressen. Er sah Heinz direkt in die Augen. "Okay?" Heinz Behrend nickte.

      Börner sprang auf und lief zu seiner Jacke, die an der Garderobe hing. Er kehrte mit dem Flachmann zurück.

      "Nimm einen Schluck, damit du endlich vernünftig wirst."

      Heinz setzte die Flasche an und trank. "Noch einmal", sagte Börner, als Heinz die Flasche absetzen wollte.

      Heinz nahm noch einen tiefen Schluck, und Börner grinste zufrieden. "Jetzt rufst du gleich diesen Tobi an." Er nahm selber den letzten Rest aus der Flasche. "Du fragst ihn ganz einfach, ob er noch weiß, wer auf dieser verdammten Fete war. Du sagst kein Wort von mir. Sag ganz einfach, du musst das unbedingt wissen. Sag ja nichts von der Polizei, von den Morden oder von sonstwas. Du willst einfach diesen Typen wiedersehen." Er zeigte Heinz das in den Zeitungen abgedruckte Bild des Täters. "Und dann liest du ihm die Beschreibung aus der Zeitung vor. Sag einfach, du hast diesen Typen irgendwo gesehen, der war auch auf dieser Fete in Langendreer, und jetzt willst du ihn unbedingt wiedersehen."

      Der Bekannte ließ eine für Börner unangenehm lange Zeit verstreichen und fing plötzlich an zu lachen. "Weißt du was, Richard, du bist wirklich der verrückteste Typ, den ich je kennengelernt habe."

      Börner nickte zustimmend, als habe er nichts anderes erwartet. Er nahm die Bierflasche des Bekannten und hielt sie ihm hin. "Hier, nimm noch einen Schluck, dann hast du mehr Mut." Der machte nun, was Börner sagte.

      Ungeduldig beobachtete Börner den anderen, wie der mit gezierten Bewegungen, die Börner unausstehlich albern vorkamen, zum Telefon ging, einen Notizblock hervorkramte, darin blätterte, ihn dabei mit lüsternen Augen ansah und endlich eine Nummer wählte.

      Selbstbewusst ließ Börner sich wieder in seinen Sessel fallen. Aufmerksam beobachtete er den jungen Mann, als er wusste, dass der Ruf nun durchgehen musste.

      "Ja hallo, hier ist Heinz."

      Dann war Börner erstaunt über die Kaltblütigkeit des Bekannten. Dieser entschuldigte sich zunächst für die späte Zeit, erzählte seinem Gesprächspartner dann etwas von einem ganz heißen Typ, den er vor kurzem im 'GO-IN' in Essen getroffen hätte. Sofort habe ihn dieser Typ an die Fete damals in Langendreer erinnert; an die Fete, die Bennie gegeben habe, der jetzt tot sei. Von diesem Verrückten erschossen. Das stehe doch überall in den Zeitungen. Er müsse diesen Typen unbedingt wiedersehen; ob Tobi sich nicht auch noch an die Fete und möglicherweise an diesen Typen erinnere. Nach einer kurzen Pause las Heinz Behrend seinem Gesprächspartner die Beschreibung des Täters aus der Zeitung vor.

      Das Ergebnis war, wie Heinz' Augen für Börner andeuteten, nicht positiv, und sofort sagte Heinz, Tobi solle auch bedenken, dass der Betreffende sein Aussehen mittlerweile geändert haben könnte: Kürzere oder längere Haare, ohne Schnäuzer, alles so etwas sei möglich.

      Wieder konnte Börner an


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