Das Dorf Band 7. Karl Olsberg

Das Dorf Band 7 - Karl Olsberg


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du nicht, dass deine Faszination für diese Kreisbahn ein bisschen übertrieben ist? Ich kann ja verstehen, dass ihr Jungs euch für Technik begeistert, aber den ganzen Tag nur vor diesem Ding zu stehen und ihm dabei zuzugucken, wie es im Kreis herum fährt, muss doch sterbenslangweilig sein.“

      Primo schüttelt nur traurig den Kopf. Es hat einfach keinen Sinn. Niemand versteht seine Sorgen – nicht einmal Golina.

      „Na, wenigstens bist du beschäftigt, während du hier spielst, und kommst nicht wieder auf dumme Gedanken“, sagt sie.

      „Dumme Gedanken? Was für dumme Gedanken? Und außerdem spiele ich nicht! Ich versuche lediglich, eine schreckliche ...“

      „Du weißt genau, was ich meine. Sobald man dich mal für fünf Minuten aus den Augen lässt, fängst du irgendein Abenteuer an und bringst dich in tödliche Gefahr.“

      „Aber das ist es ja gerade. Ich versuche doch, zu verhindern, dass ...“

      „Schwöre mir, dass du das nie wieder tust!“, verlangt sie.

      „Dass ich was nie wieder tue?“

      „Abenteuer erleben!“

      „Wie soll ich das denn schwören?“

      Golina zieht eine Schnute. „Dachte ich‘s mir doch! Du stehst hier rum und glotzt dieses blöde Kreisding an, statt dich um mich zu kümmern, und insgeheim planst du wahrscheinlich schon wieder einen Ausflug an irgendeinen unerreichbaren Ort voller schrecklicher Monster!“

      „Tu ich überhaupt nicht!“

      „Dann schwöre es!“

      „Aber Golina, man kann doch nicht schwören, dass man keine Abenteuer erleben wird!“

      „Aber andere können es doch auch! Guck dir Hakun an, oder Olum. Die sind noch nie losgezogen, um ein Abenteuer zu erleben.“

      „Haben sie das denn geschworen?“

      „Was? Weiß ich nicht. Ist mir doch egal, ob sie es geschworen haben. Ich will, dass du es mir schwörst!“ Plötzlich glänzen Tränen in ihren Augen. „Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht, als du auf dieser Pilzinsel warst. Niemand wusste, ob du noch lebst. Ich will das nie wieder erleben, nie wieder! Also entweder, du schwörst, dass du so etwas nie mehr machst, oder ...“

      „Können wir jetzt endlich Kuchen essen, oder quatscht ihr beide da, bis die Sonne untergeht?“, unterbricht Ruuna sie.

      Golina wirft der Hexe einen giftigen Blick zu, aber dann seufzt sie und sagt: „Na gut, komm!“

      Primo blickt noch einmal sorgenvoll zu der Kreisbahn, bevor er ihr zum Haus ihrer Eltern folgt.

      2. Ein Schwur mit Folgen

      Der Kuchen, den Golina gebacken hat, ist ein wenig angebrannt und trocken, außerdem fehlt für Primos Geschmack etwas Zucker. Er hütet sich jedoch, zu meckern, sondern kaut brav auf seinem Stück herum, wobei er immer wieder flüchtige Blicke zur Haustür wirft, als könne er von hier aus sehen, ob sich jemand an der Kreisbahn zu schaffen macht. Nicht auszudenken, wenn irgendwer da draußen Unsinn treibt, während er hier sitzt und Kuchen isst ...

      „Primo!“, klingt Golinas Stimme scharf. „Ich hab dich was gefragt!“

      Er zuckt zusammen. „Was?“

      „Ob es dir schmeckt!“

      „Äh, ja.“

      „‚Äh, ja?‘ Was soll denn das heißen?“

      „Gut. Er schmeckt mir gut, dein Kuchen. Wirklich sehr lecker.“

      Golina sieht ihn finster an, als wäre das die größte Beleidigung. „Das sagst du nur so!“, behauptet sie.

      „Nein, nein, echt jetzt!“, widerspricht Primo. Kolle und Margi kommen ihm zu Hilfe, indem sie den Kuchen ebenfalls lautstark loben.

      „Fast so gut wie mein streng geheimes Spezialrezept“, meint Ruuna.

      Doch Golina ist offensichtlich noch nicht zufrieden. „Ich bin einfach eine schlechte Köchin“, seufzt sie.

      „Überhaupt nicht!“, widersprechen alle.

      „Außerdem, dass der Kuchen ein bisschen angebrannt ist, gibt ihm ein ganz besonderes Aroma!“, sagt Primo in dem etwas ungeschickten Versuch, sie aufzumuntern.

      Golina macht große Augen. „Angebrannt? Der Kuchen ist angebrannt? Gerade hast du noch gesagt, er schmeckt dir!“

      „Nur ... nur ein ganz kleines bisschen an den Ecken vielleicht“, stammelt Primo. „Das ist ja gerade das Gute daran!“

      Jetzt sammeln sich Tränen in ihren Augen. „Das Gute daran ist, dass er verbrannt ist?“, ruft sie entgeistert. „Das ist doch wohl die Höhe! Ständig rennst du nur in der Welt herum und riskierst Kopf und Kragen oder spielst mit deiner Kreisbahn, und jetzt meckerst du auch noch über meinen Kuchen! Und wenn ich dich um einen kleinen Gefallen bitte, dann ist dir selbst das zu viel! Manchmal glaube ich, du liebst mich gar nicht wirklich!“ Sie springt auf und rennt aus dem Haus.

      Alle sehen ihr betreten nach.

      „Aber, ich ...“, beginnt Primo.

      „Geh besser zu ihr, mein Sohn!“, rät ihm Porgo.

      Verdattert folgt Primo dem Rat. Golina geht mit hängenden Schultern langsam die Dorfstraße entlang Richtung Kirche.

      „Golina, warte doch!“

      „Lass mich. Du willst mich bloß trösten.“

      Primo weiß nicht, was er darauf antworten soll. Also sagt er einfach: „Es tut mir leid.“ Damit ist man meistens auf der sicheren Seite.

      „Schon gut.“

      „Was meintest du denn gerade mit dem Gefallen, den ich dir nicht tun will?“

      „Das weißt du ganz genau.“

      „Wenn ich es wüsste, würde ich dich doch nicht fragen.“

      „Da sieht man mal wieder, wie du mir zuhörst.“

      „Kannst du mir bitte noch einmal sagen, was das für ein Gefallen war, den ich dir tun sollte?“

      Golina seufzt lange und laut. „Na gut. Ich hatte dich gebeten, mir zu schwören, dass du nie wieder ein Abenteuer haben wirst.“

      „Das würde ich ja gerne“, sagt Primo. „Aber was, wenn ich das gar nicht selbst entscheiden kann? Was, wenn andere mir ein Abenteuer aufzwingen?“

      „Wer sollte das denn tun?“

      „Ich weiß es nicht. Aber ich hab mir die Abenteuer, die ich bisher erlebt habe, doch auch nicht ausgesucht. Die sind einfach passiert.“

      „Dann hör eben auf damit, solche Sachen passieren zu lassen.“

      „Na schön. Also gut, ich mach’s.“

      Golina bleibt stehen und wendet sich zu ihm um. „Das würdest du für mich tun? Du würdest es mir wirklich schwören?“

      „Ja, na gut, von mir aus. Ich schwöre dir ... He! Olum! Kaus! Was macht ihr denn da!“

      Primo lässt die verdutzte Golina auf der Straße stehen und rennt, so schnell er kann, zur Kreisbahn. Dort stehen der Fischer und der Bauer im Kreisoval links und rechts neben dem Hebel und gestikulieren wild mit den Händen.

      „Und ich sage dir, sie kann es nicht“, sagt Olum gerade.

      „Kann sie doch!“, widerspricht Kaus.

      „Hände weg von dem Hebel!“, brüllt Primo außer sich. „Was zum Nether macht ihr beide hier?“

      „Der da behauptet, die Kreisbahn könne nicht andersherum fahren“, sagt Kaus.

      „Das stimmt ja auch“, sagt Olum.

      „Verschwindet,


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