Ingenieure - Status und Perspektiven. Armin Odoleg

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uneingeschränkt gültig. Mein Kollege hatte sich offensichtlich ein „Perpetuum Mobile“ an sein Fahrrad gebaut. Eine Internetrecherche brachte Klarheit: Er konnte tatsächlich nicht spüren, wenn der Dynamo eingeschaltet ist: er hatte im ausgeschalteten Zustand nämlich nahezu denselben Widerstand wie im eingeschalteten. Die kognitive Dissonanz wirkt sich hier positiv aus, mein Kollege war glücklich.

      Auch hört man häufig, wenn man einen Gegenstand kritisiert, das Argument: „Das ist doch patentiert“. Dies sagt überhaupt nichts aus und ist ein „Pseudoargument“ - ich möchte nicht wissen, wie viele Dinge patentiert sind, die überhaupt nicht funktionieren oder ein Perpetuum Mobile darstellen.

      Viele haben sich in den letzten Jahren eine kleine Kompakt-Digitalkamera gekauft. Diese bekommen immer mehr „Megapixel“. Die Bilder werden immer besser, da sie größer werden - das ist Fortschritt, oder?

      Die Physik „sagt“ aber: Viel mehr Megapixel als 6(!) sind bei den kleinen Bildsensoren von ca. 5 x 6 mm (es betrifft nur die kleinen Sensoren) nicht sinnvoll – bei blauer Farbe mit kürzerer Wellenlänge mag das Optimum vielleicht bei 8 oder 9 Megapixel liegen. Ist der Abstand der Pixel zu klein, schlägt sozusagen die Physik zu. Im Physikunterricht lernte man diesen Sachverhalt beim „Doppelspaltexperiment“, um zu zeigen, dass Licht auch „Wellencharakter“ hat. Und wenn die Spalte bzw. Pixel sehr dicht stehen, taucht dieses Wellenmuster bzw. Artefakte auf, das man in einer Kamera glätten muss.

      Hier suggerieren die Hersteller einen Vorteil vor der Konkurrenz. Der Kunde wünscht es dann so und denkt, er/sie bekäme bessere Bilder. Und jeder ist glücklich mit der neuen 18 Megapixel-Kamera, weil sie besser ist als die alte mit 10. Das Gehirn schließt ganz logisch, dass „18“ besser als „10“ ist. Die Bilder sind aber nicht besser, sondern lediglich vom Speicherbedarf größer. Leider kann man gar keine dieser Kameras mit weniger als 12 Megapixel mehr kaufen. Der Markt geht vor der Qualität und diesem muss man sich beugen. Und die Computerindustrie ist begeistert, da die Festplatten zum Überlaufen gebracht werden können. Das System funktioniert.

      Ein im Allgemeinen gutes Instrument, die kognitive Dissonanz zu überwinden, stellen in meinen Augen Bilder dar. Deshalb empfehle ich beispielsweise Fehlerdokumentation von Programmen mit Screenshoots (Bildschirmfotografien) und mit markierten Fehlern. Bilder kann man nicht einfach wegdiskutieren – sollte man denken.

      Aber selbst eindeutige Bildinhalte können über die kognitive Dissonanz ignoriert werden: Doppelseitige Klebebänder lösten sich wegen eines Verarbeitungsfehlers an einer der beiden Klebeflächen. Mehrere Fotos sandte ich zur Dokumentation dem Hersteller des Artikels. Dieser bestritt den Sachverhalt vehement, obwohl eindeutig zu erkennen war, dass sich die Verklebung des Herstellers löste und nicht die Verklebung, mit der das Produkt angebracht worden war. Der Mann war sich einfach sicher, dass sein Produkt perfekt sei. Da ich auf das Produkt angewiesen war, überredete ich den Hersteller des Klebebandes, dass dieser versucht, den Hersteller des Produktes telefonisch zur Vernunft zu bringen. Aber nach einer halben Stunde kam sein verzweifelter Rückruf, in dem er sagte: „Dem Mann ist einfach nicht zu helfen“. Da ich dann gezwungen war, eine andere Lösung zu suchen, hatte sich der Hersteller des Produktes mit dieser Ignoranz übrigens selbst stark geschadet.

      Ein weiteres Beispiel findet man bei der Firma Siemens. Hier gab es den Vorstand Löscher, der Ende Juli 2013 entlassen wurde. Wenn man das Internet nach diesem durchforstet, findet man, dass er an der TU München einen „Lehrstuhl für Wirtschaftsethik“ eröffnet/finanziert hat. Anfang des Jahres 2013 machte er öffentlich die Bemerkung, dass man 1800 Personen entlassen müsse, um wieder auf die 12 % Rendite zu bekommen. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass man, um Aktionäre zufrieden zu stellen, die Entlassung von fast 2000 Arbeitern als ethisch ansieht. In jedem Falle sehen Gehirne von Vorständen keinen Widerspruch in der Finanzierung eines Lehrstuhles für Wirtschaftsethik und der gleichzeitigen Entlassung von mehreren tausend Personen, um irgendwelche Zahlen zu erreichen. Auch dies ist kognitive Dissonanz. Man findet sie überall.

      Wer kennt es nicht, das Mäzenatentum der Unternehmer und Großindustrie? Hier haben wir Personen, die für kulturelle Zwecke oder auch als Mitglieder von Wohltätigkeitsvereinen wie beispielsweise dem Lions-Club Geld für Randgruppen spenden. Gleichzeitig werden aber die Angestellten der eigenen Firmen bisweilen schlecht oder sogar miserabel bezahlt.

      Bei dieser Logik kann man in einigen Fällen noch weiter gehen: Die Bezahlung ist teilweise so schlecht, dass für die Wohnungsmiete die Sozialkasse, also die Allgemeinheit, in Anspruch genommen werden muss. Gleichzeitig beklagen sich dieselben Unternehmer, die niedrige Löhne bezahlen, dass die Lohnnebenkosten zu hoch seien. So hat man (wieder einmal) einseitige Informationen.

      Spenden haben einen großen psychologischen Vorteil gegenüber einem leistungsgerechten Gehalt der Mitarbeiter: Zunächst genießen die Firmeninhaber in der Gesellschaft ein hohes Ansehen. Wer kennt die Veranstaltungen nicht, in denen sich Leute in Anzug und Schlips gegenseitig öffentlich auf die Schultern klopfen, um sich gegenseitig Großzügigkeit zu bescheinigen? Auch hier ist die Kognitive Dissonanz zugegen: Es handelt sich hier um ein „freikaufen“ von den eigentlichen Pflichten als Arbeitgeber, denn Eigentum verpflichtet – wie es in der Verfassung festgelegt ist (Artikel 14). Dies ist somit eine Muss- und mitnichten eine Soll-Bestimmung. Weiterhin erregen Spenden ein viel größeres gesellschaftliches Aufsehen als eine leistungsgerechte Bezahlung der Mitarbeiter. Und zuletzt ist es so, dass unterbezahlte Angestellte gegen die unkritische Meinung der Mehrheit der Gesellschaft keine Chance haben, da die Gesellschaft zunächst die Spenden sieht und dies als primäre Information bekommt. Wenn sich dann Leute über ihr niedriges Gehalt beschweren, wird natürlich zuerst argumentiert: „Der ist doch so wohltätig, das kann doch gar nicht sein“. Und so haben sie wiederum über die perfekt erzeugte Kognitive Dissonanz der Gesellschaft keine Chance. Ein perfides System.

      Der Beweis, dass ich mit obigen Behauptungen zumindest nicht ganz unrecht habe, kann leicht erbracht werden: Man stelle sich vor, man spendet wirklich (nur) für eine Sache, die einem „am Herzen liegt“: Warum muss in diesem Falle der Name des Spenders veröffentlicht und über alle Medien breitgetreten werden? Ehrliche Spenden, mit denen man nicht die Absicht hat, sich freizukaufen, sind nun einmal anonym. Gott sei Dank gibt es solche Leute auch.

      Auch die Projektplanung in Firmen hat sich grundsätzlich dieser Rosa-Brillen-Politik zu unterwerfen. Selbst bei firmenkritischen Problemen, bei denen Millionen auf dem Spiel stehen, gibt es genau eine Lösung beziehungsweise eine Vorgehensweise. Eine „Parachute“- Lösung (Parachute = Fallschirm) wird nie geplant, weil man immer davon ausgeht, dass alles funktioniert. Was alleine aus der Betrachtung fragwürdig ist, dass es vorher schief gegangen ist. Aber für Alternativlösungen gibt es kein Geld. Funktioniert nur ein Teil dieser Lösung nicht, riskiert man die Firma. Aber Hauptsache ist, dass man Geld spart.

      Der Druck ist extrem.

      Man stellt somit fest, dass selbst im Engineering Sachargumente nur in den seltensten Fällen gelten. „Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit als Lügen.“ liest man als Zitat von Friedrich Wilhelm Nietzsche dazu. Die „Wahrheit“ ist hier beispielsweise einer technisch sinnvollen Konstruktion gleichzusetzen.

      Es zeigt sich somit in den meisten Fällen, dass es nicht zielführend ist, über technischen oder sonstigen Unsinn zu diskutieren, da die Konstrukteure völlig davon überzeugt sind, das Richtige getan zu haben. Insbesondere dann, wenn sie es beispielsweise als Patent angemeldet haben.

      Firmenleitungen sind überzeugt, sozial zu sein, obwohl sie mit einem Handstreich und nur, um die Aktionäre zu befriedigen, 2000 Leute kündigen wollen.

      Die Angestellten sind sich in einer Firma, die sich in der Insolvenzphase befindet, überzeugt, dass „die Firma noch übernommen wird“, obwohl vorher alle potentiellen Käufer die Hände über dem Kopf zusammenschlugen, nachdem sie die Firma besichtigt hatten.

      Selbst Albert Einstein haben Wissenschaftler lange nicht „geglaubt“14 . Es dauerte rund ein Jahrzehnt, bis sich die spezielle Relativitätstheorie durchgesetzt hatte. Einstein selbst wiederum baute mit „Kunstgriffen“ ein stationäres Universum in seine Gleichungen ein. Denn als


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