Schutzengelstreik. Stefanie Kothe

Schutzengelstreik - Stefanie Kothe


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Sie informierte schnell ihre Eltern, die sich sofort auf den Weg machten. Da die Polizei mit den Papieren noch etwas brauchte, konnte der Notarzt erste Untersuchungen machen. „Der Fuß könnte gebrochen sein, das müssen wir dringend röntgen. Ich bandagiere ihn jetzt erst mal. Ist Ihnen so kalt oder zittern sie so wegen dem Unfall.“ „Mir ist kalt, aber es geht schon.“ Der Notarzt grinste und deckte sie zu, bevor er sich schon mal die Chipkarte geben ließ und kümmerte sich dann um alle Formalien. Da kam der Polizist und gab die Papiere zurück.

       „Na dann können wir ja endlich“, meinte der Arzt trocken. Selbst Maria konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Der Arzt schnallte sie auf der Trage fest und es ging los. Autofahren fand sie nie so besonders, aber im Liegen und dann auch noch rückwärtsfahren fand ihr Magen gar nicht witzig. Zum Glück war es nicht weit und sie hatte es schnell überstanden.

       Im Krankenhaus ankommen, ging es direkt durch die Notaufnahme rein zum nächsten freien Arzt. „Na, was haben wir denn gemacht?“, fragte dieser gut gelaunt. „Och, ich wurde von einem Auto umgefahren und im Gegensatz zu meinem Roller habe ich anscheinend überlebt.“ Der Arzt lachte. „Na dann wollen wir uns doch mal die Verletzungen anschauen. Wo tut es denn weh?“ „Alles bis auf den linken Arm“, stellte Maria nüchtern fest. Der Arzt ließ seinen Blick einmal über sie wandern und begann dann systematisch mit der Untersuchung. Die Schwester hatte sichtlich Mühe alles mitzuschreiben. „Schnittwunde über dem Auge, oberflächliche Schürfwunde am Nasenrücken, leichtes Schleudertrauma, Prellungen an den Brustwirbeln und Lendenwirbeln sowie an der rechten Hand und der linken Schulter, Prellung der linken Hüfte, da wurden sie scheinbar von dem Auto erwischt?“ Maria nickte. Beeindruckt fuhr der Arzt fort: „Hämatome an der Hüfte und beiden Oberschenkeln. Tiefe Schürfwunde am linken Knie, außerdem Prellungen an beiden Knien und Schienbeinen. Linker Fuß Prellung oder Bruch, schweres Hämatom, Zehen stark geprellt zum Teil mit Platzwunden. Ich würde sagen, wir röntgen einfach einmal komplett durch, damit uns nichts entgeht. Schwanger sind Sie nicht?“ Maria verneinte dies und schon wurde sie wieder zur Tür rausgefahren. Draußen traf sie auf ihre Eltern und bat sie auf ihre Tasche aufzupassen. Ihr Vater entspannte sich direkt, als er sah, dass ihr nichts Schlimmeres passiert war. Ihre Mutter jedoch war kreidebleich und Maria wäre es lieber gewesen, sie hätte sie angebrüllt, als sie so geschockt zu sehen. Um von der Krankentrage auf den Röntgentisch zu kommen, musste Maria mächtig die Zähne zusammen beißen, da sie sowohl den verletzen Fuß, als auch die Hand belasten musste. Als sie da lag und den Anweisungen folgte, zitterte sie vor Anstrengung. Sie wollte nur noch nach Hause in ihr Bett. Sie sehnte sich nach Schlaf. Die letzte Zeit war anstrengend gewesen und dieser Unfall hatte ihr den Rest gegeben. Endlich war das nächtliche Fotoshooting aller Knochen beendet und Maria konnte wieder auf ihre Trage. Die Schwester hatte so einen rabiaten Fahrstil, dass Maria zwischendurch immer wieder zusammenfuhr, weil sie gegen irgendeinen Türrahmen knallte. Maria war froh, als sie endlich wieder vor dem Behandlungsraum stand und einen Moment durchatmen konnte. Wenige Minuten später, kam die Schwester wieder und fuhr sie zurück in den Raum. Der Arzt saß am Computer und studierte konzentriert die Röntgenaufnahmen. Langsam wurde Maria unruhig. Gab es da was Schlimmes zu sehen, oder wieso dauerte das so lange? Warum zoomte er immer wieder vor und zurück? Sie fixierte das Röntgenbild ebenfalls, konnte aber nichts erkennen. Endlich schaute er Maria an und wirkte so, als hätte er ihre Anwesenheit soeben erst bemerkt. „Also gebrochen ist nichts. Wir werden jetzt die Wunden versorgen.“ Er begann mit den Schnitt- und Schürfwunden am Kopf und arbeitete sich bis zum Fuß durch. Maria konnte gerade so einen Aufschrei unterdrücken, als der Arzt begann diesen zu bandagieren. Sie war froh, als er es endlich geschafft hatte und sie den Fuß wieder ablegen konnte. „Darf ich jetzt nach Hause?“, fragte sie zögernd. Der Arzt schaute sie an. „Haben Sie Schmerztabletten zu Hause?“ Maria lächelte ihn an: „Ich habe immer Ibu800 im Haus, da ich seit meinem achten Lebensjahr unter Migräne leide.“ Der Arzt nickte und schrieb sie für die restlichen zwei Tage der Woche krank. „So dann mal los“, kommandierte die Schwester in barschem Tonfall. Maria stand vorsichtig auf und versuchte aufzutreten, doch schon bei der kleinsten Berührung mit dem Boden zuckte sie zusammen. „Also wenn Sie nicht laufen können, brauchen Sie Thrombosespritzen“, schnauzte die Schwester direkt los. Maria zwang sich, trotz der Schmerzen zu laufen, und schaffte es bis in den Flur. Ihre Mutter stürzte direkt auf sie zu und wollte sie stützen, aber Maria wich zurück. Ihre Mutter hätte das körperlich nicht geschafft. Sie warf ihrem Vater einen hilfesuchenden Blick zu und in dem Moment, begann die Welt sich erneut zu drehen und vor ihren Augen wurde es schwarz. Sie spürte, wie Arme sie auffingen und sie zu einem Stuhl schleiften. Dann hörte sie es zischen und als sie die Augen öffnete, hielt eine Krankenschwester ihr eine Flasche Wasser vor die Nase. Maria leerte sie in wenigen Zügen. Die Schwester ging los und als sie kurz darauf wieder auftauchte, hatte sie einen Rollstuhl und eine weitere Flasche Wasser dabei. In dem fuhr ihr Vater sie zum Auto und brachte sie nach Hause. Ihre Mutter wollte sie erst mit zu sich in die Wohnung nehmen, doch das wusste ihr Vater zum Glück zu verhindern, denn Maria brauchte endlich Ruhe. „Wir können sie nicht mit zu uns mit hoch nehmen. Ich bin schon froh, wenn sie es in die erste Etage schafft, wie sollen wir sie da denn in die dritte bekommen?“ Noch nie war Maria ihrem Vater so dankbar und selten war sie so erleichtert gewesen endlich im Bett zu liegen, wie in dieser Nacht. Ihr Kopf hatte kaum das Kissen berührt, als sie schon einschlief, ohne zu ahnen, dass in diesem Moment ihr Schicksal neu bestimmt wurde.

      Kriesenmeeting im Himmelsreich

      „Vergiss es, ich mache den Job nicht mehr. Das war jetzt schon der dritte Rollerunfall seit sie einen Führerschein hat. Diese Frau kann man keine Sekunde aus den Augen lassen. Sie ist wie ein großes Kind. Sie ist nicht in der Lage auf sich aufzupassen. In ihrem Leben folgt eine Katastrophe auf die andere. Ich bin Schutzengel und kein Babysitter. Ich kann einfach nicht mehr. Ich mache das jetzt seit über 400 Jahren, aber so einen Unglücksraben habe ich wirklich noch nie erlebt. Ganz ehrlich, ich bin auch nur ein Engel und inzwischen mit meinen Nerven am Ende“, beendete Kassandra ihren Monolog.

       Vor ihr schwebte ein grelles Licht. Das Licht wurde greller, als eine Stimme antwortete:

       „Ich verstehe dich Kassandra, aber du bist einer der besten Engel, die ich habe. Wer soll denn jetzt deinen Job übernehmen? Du bist doch Profi bei solchen… Problem- fällen. Du kannst nicht einfach hinschmeißen.“

       Kassandra schäumte vor Wut.

       „Was soll das heißen, ich kann das nicht. Du wirst sehen wie ich das kann. Das Mädel ist einfach nicht überlebensfähig. Ich fühle mich total überfordert. Es geht wirklich nicht mehr.“

       Das Licht wurde blasser.

       „Würdest du wenigstens einen anderen Schützling übernehmen?“ Kassandra spürte das altbekannte Mitgefühl in sich aufkeimen. Sie seufzte und nickte dann.

       „Also gut, wenn es kein ganz so schwerer Fall ist, dann übernehme ich ihn. Mal etwas einfacheres zwischendurch wäre echt schön.“

       Das Licht flackerte, als würde es lachen.

       „Na gut, dann werde ich mich darum kümmern. Kennst du jemanden, der Maria den Bruchpiloten übernehmen könnte?“ Kassandra überlegte kurz.

       „Ja, mir fallen sogar fünf passende Kandidaten ein, die in Frage kommen könnten. Diana, Verena, Juno und Aurora und mir fällt sogar noch ein männlicher Kandidat ein. Was hältst du von Johannes? Er hat so viel erlebt, den schockt so schnell nichts mehr.“

       Erneut fing das Licht an zu flackern.

       „Also gut, bring mir die betreffenden Engel. Ich werde sie alle nach und nach auf die Erde schicken und werde sie genau beobachten und dann zusammen mit Maria und dir eine Entscheidung treffen.“ Kassandra stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben.

      „Du willst den Schützling mitentscheiden lassen, wer über sie wachen soll? Sowas gab es doch noch nie.“

       „Einmal ist immer das erste Mal, oder? Es war auch noch nie da, dass ein Schutzengel einen Schützling verweigert“, gab das Licht lachend zurück. Kassandra verdrehte die Augen.

       „Gut, dann hole ich mal die betreffenden Kollegen.“

      Sie schwebte davon und überlegte, wo in den unendlichen Weiten sie die


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