Restart. Valuta Tomas

Restart - Valuta Tomas


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Bitte‼« Wieder dieser Mann. Sie spürt einen brennenden Schmerz am Hals, tastet mit einer Hand danach, zeigt dabei aber noch immer mit der Waffe in alle Himmelsrichtungen. Etwas Warmes und Schmieriges klebt an ihren Fingern. Sie nimmt die Hand weg und sieht, dass sie voller Blut ist. Ängstlich blickt sie hoch. Sie betrachtet all die besorgten und verängstigten Gesichter. Dann wird ihr schwarz vor Augen.

      Flackernd öffnet sie die Augen und schluckt schwer. Ihr Hals ist rau und brennt wie das Fegefeuer der Hölle. Wacker kämpft sie mit ihren Lidern, bis diese nur protestierend und mit hohem Kraftaufwand offen bleiben. Schwach blickt sie um sich. Sie sieht einen Mann neben sich auf einem Stuhl sitzen. Den Kopf gesenkt, die Augen auf eine Zeitschrift in seinen Händen gerichtet. Langsam blättert er um. Das dadurch entstehende Geräusch frisst sich schreiend in ihre Ohren. Wie die Sirenen eines Polizeiwagens, brüllt dieser Laut durch ihren Gehörgang und lässt sie vor Schmerzen die Augen zukneifen. Sie schluckt schwer und öffnet erneut die Lider. Schwach blickt sie zu dem Mann hinüber.

      »Was ist passiert?«, hört sie eine weibliche Stimme durch den Raum huschen. Schwach, kratzig, erschöpft. Eine Stimme, die laut in ihren Ohren widerhallt. Ihre eigene Stimme.

      Der Mann am Bett reagiert, reißt den Kopf hoch und schaut sie mit großen Augen an. Wie ein Blitz schießt er in dem Stuhl hoch, macht einen schnellen Schritt auf das Bett zu und fällt ihr wimmernd um den Hals.

      »Eden‼«, hört sie ihn schluchzen.

      »Du bist endlich aufgewacht‼ Ich hatte solche Angst um dich‼«, jammert er weiter und löst sich von ihr. Mit Tränen in den Augen schaut er sie an. Sie betrachtet ihn und schluckt.

      »Wer sind sie?«, fragt sie mit dieser zerrissenen Stimme. Unsicherheit macht sich in den Augen des Mannes breit. Aber dann lächelt er wieder.

      »Ich bin es Schatz. Ryan, dein Mann!« Um das Gesicht des Mannes genauer betrachten zu können, drückt sie ihren Kopf tiefer in das Kissen. Ihre Augen gleiten über den Drei-Tage Bart, die harte aber gradlinige Nase, den gepflegten Augenbrauen und der kurzen Stoppelfrisur.

      »Ich kenne sie nicht«, krächzt sie und ist sich sicher. Diesen Mann, dieses Gesicht hat sie noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen.

      Dieser Ryan wirkt im ersten Moment enttäuscht und erschlagen, lächelt dann aber sicher.

      »Der Arzt sagte schon, dass du vielleicht eine Zeitlang keine Erinnerungen haben würdest, aber die dürften nach einer Weile zurückkehren«, lächelt er, beugt sich zu Eden herunter und drückt ihr plötzlich seine Lippen auf den Mund. Dann strahlt er wieder wie ein Sonnenschein. Sie starrt ihn fassungslos, geschockt, aber geschwächt an.

      »Ich bin so unglaublich froh, dass du lebst!«, säuselt er. Eine neue Welle der Tränen treten in seine Augen.

      Life

      »Ruhen sie sich aus und vermeiden sie unnötige Anstrengungen. Für die nächsten Wochen verordne ich ihnen strickte Bettruhe«, bellt mehrere Tage später ein Arzt und verlässt mit harten Schritten das Krankenzimmer. Die letzten Tage erholte sich Eden von dem, auf sie ausgeübten Attentat. Tag für Tag warf ihr dieser Ryan Bruchstücke und Häppchen von ihrem Leben vor die Füße, mit denen sie keineswegs etwas anfangen konnte. Er erklärte ihr, dass sie beim FBI in San Francisco arbeitet und Undercover in einer der gefürchtetsten Gangs der Stadt, den Dead Rabbits, eingeschleust wurde, um Informationen einer anderen Gang zu erhalten. Aus unerklärlichen Gründen flog aber irgendwann ihre Tarnung auf. Den Unmut über den verräterischen Neuzugang bei den Dead Rabbits, drückten diese mit mehreren Kugeln aus. Fünf Schüsse wurden auf sie abgefeuert. Eine Kugel traf den Oberschenkel. Eine andere streifte nur knapp die Halsschlagader. Eine weitere drang in ihren Bauch. Eine zusätzliche steckte im Arm. Die letzte traf den Schädel. Eden sei beim einliefern in der Notaufnahme schon klinisch tot gewesen. Die Ärzte versuchten mehrere Wiederbelebungsversuche, aber selbst diese wären ergebnislos gewesen. Bis sie plötzlich aus heiterem Himmel in der Liege aufschrak und mit ihrer Waffe das Krankenhauspersonal bedrohte. Ihr wurde in einer mehrstündigen Operation eine Stahlplatte eingesetzt, um den zerstörten Teil des Schädels zu ersetzen.

      Ryan ließ bei den Erzählungen keine Einzelheit aus, aber Eden fühlt sich fremd und fehl am Platz. Sie kann sich an nichts erinnern. Noch nicht einmal daran, dass sie das Personal bedroht haben soll. Sie weiß gar nichts mehr! Es kommt ihr alles so irreal vor. Selbst mit ihrem Namen Eden kann sie nichts anfangen. Er klingt in ihren Ohren genauso fremd, wie der ihres angeblichen Mannes Ryan. Sie kennt nichts und niemanden! Noch nicht einmal sich selbst.

      Als sie das erste Mal in ihrem Zimmer in das Bad ging und sich im Spiegel betrachtete, stand sie ausdruckslos vor dieser glatten Fläche. Sie blickte in das Gesicht einer Frau, die nach Ryans Aussage, nächsten Monat dreiundvierzig wird. Minutenlang stand sie im Bad, betrachtete sich im Spiegel und zuckte irgendwann mit den Schultern. Sie konnte mit dieser unbekannten Frau nichts anfangen. Sie war ihr so fremd, wie der Besuch der fast täglich in ihr Zimmer schneite. Nach und nach erfuhr sie, dass sie mit Ryan seit fast zehn Jahren verheiratet ist, eine Schwester und einen Bruder hat. Als diese sie das erste Mal besuchten und ein älteres Ehepaar (ihre Eltern) neben ihnen stand, lehnte sie sich in das Kissen zurück und betrachtete die Personen nüchtern. Auch diese Gesichter kannte sie nicht. Weder die Menschen, noch die Namen (welche sie sich nicht merkte), kamen ihr bekannt vor. Ihre angebliche Mutter fing irgendwann zu weinen an. Es tat ihr merkwürdigerweise keineswegs weh. Sie sah die gute Frau weinen und empfand nichts. Absolut gar nichts. Ihr waren die Menschen fremd und sie war sich selbst fremd. Sie musste erst mal zu sich selbst finden, bevor sie sich mit anderen Personen beschäftigen konnte.

      Aber heute würde sie neue Informationen erhalten. Ryan setzt große Hoffnung daran, dass Eden sich dann nach und nach erinnern könnte. Sie darf das Krankenhaus verlassen und nach Hause fahren. Nach Hause! Wo ist ihr zu Hause? Wie ist ihr zu Hause? Soll sie tatsächlich mit diesem unbekannten Mann an ihrer Seite, der vorgibt ihr Ehemann zu sein, in ein Haus fahren, das sie nicht kennt? Eine neue Welt! Eine unbekannte Welt! Eine beängstigende Welt!

      Eden rafft sich aber auf, kramt ihre Sachen zusammen und verlässt mit Ryan das Krankenhaus. Vor der Eingangstür strahlt er sie vor Glück und Liebe an, drückt ihr einen Kuss auf die Lippen und eilt zum Wagen. Als er vorfährt, macht Eden schlagartig einen Schritt zurück.

      »Was ist das?«, fragt sie geschockt, als sie den kackgrünen ´73er Suburban Kombi sieht. Ryan steigt aus, eilt zu ihr zurück und grinst wie ein Honigkuchenpferd. Allmählich geht ihr das auf die Nerven. So viel Dauergrinsen, wie Ryan an den Tag legt, hält ja kein gesunder Menschenverstand aus. Auch wenn ihr eigener Verstand noch nicht auf Hochtouren läuft, weiß sie, dass dieser Mann ihre Nerven gewaltig strapaziert.

      »Das ist dein Auto, Schatz«, trällert er mit leuchtenden Augen.

      »Meiner?«, quiekt Eden. Entsetzt starrt sie den Wagen an.

      »Diese Schüssel ist mein Auto?«, japst sie. Mit zitterndem Finger zeigt sie auf das arme Stück Metall, was nun wirklich nichts für ihre Stimmung kann.

      »Ja Schatz. Du wolltest diesen Wagen unbedingt haben. Es ist dein Traumauto und ich dachte mir, dass ich dich zur Feier des Tages damit abhole«, grinst Ryan. Er nimmt ihr die Taschen aus den Händen, hüpft freudig zum Auto zurück und öffnet die Heckklappe. Als diese mit einem Quietschen darauf reagiert, zieht Eden erschrocken den Kopf zurück. Eine Welle des Ekels bricht über sie zusammen.

      Nur langsam und vorsichtig wagt sie sich wenige Schritte an das Vehikel. Angewidert starrt sie es an. Sie läuft ein paar Schritte rauf und runter und bleibt dann neben der Haube stehen. Mit einem flüchtigen Blick zu Ryan, der lächelnd die Fahrertür mit einem weiteren Quietschen öffnet, wirft sie die Augen zum Wagen zurück. Sie hebt einen Fuß und kickt zaghaft gegen den vorderen Reifen. Mit der Angst im Nacken, dass dieser daraufhin


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