Ich bin Isabella. Carina Zinkeisen

Ich bin Isabella - Carina Zinkeisen


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wenn sie, von den Blattern dahingerafft, tot sind und im Himmel wohnen. Seit Mamas Tod im letzten Winter, als sie plötzlich in Versailles bei dem lieben Großpapa an den Blattern starb, bin ich noch wehmütiger und trauriger als ohnehin und grüble so viel, dass mein Papa davon entnervt ist. Am liebsten würde ich den Schleier nehmen und ins Kloster gehen, aber da ist er strikt dagegen. Ich muss heiraten. Aus, amen, basta.

      Ob Mama weiß, wie sehr es mir vor der Hochzeit graut? Wie sehr es mich ekelt und schüttelt, auch nur daran zu denken, mit einem Mann ins Bett zu gehen. Mit ihm den Akt zu vollziehen, diesen fürchterlichen, grauenvollen Akt. Ich weiß, dass meine Mama sich immer davor gefürchtet hat, wenn Papa wieder zu ihr ins Bett wollte, wenn er seine ehelichen Pflichten eingefordert hat. Er ist weiß Gott kein Unmensch und kein hässlicher Mann, aber sie musste sich immer zum ehelichen Verkehr zwingen, was ihr nur selten gelang.

      „Ich erstarre jedes Mal zu Eis, wenn ich in seinen Armen liege.“

      Ganz leise hat sie das zu ihrer Hofdame gesagt, nicht für Kinderohren bestimmt und ganz gewiss nicht für Kinderohren, die hinter einer Tür versteckt waren. Ich wusste damals nicht, was sie mit diesen Worten gemeint hat.

      Jetzt weiß ich es und ich habe Angst.

      Ich höre auf zu spielen und lege die Violine neben mich auf den Boden. Meine Augen sind voller Tränen und brennen ganz fürchterlich. Ich schaue hoch zu den Sternen zu meiner Mama. Ob sie weiß, dass ich mich noch nie nach einem Mann gesehnt habe, noch nie und es auch nie tun werde? Niemals, ganz gewiss niemals. Nicht in der gleichen Art, wie ich mich nach einer Frau sehne. Nicht in der gleichen Art, ganz gewiss nicht.

      Ich konnte meiner Mama eigentlich alles sagen, nur das mit den Frauen konnte ich ihr nie sagen. Ich schäme mich so schrecklich dafür, denn es ist furchtbar unnormal und sündhaft, sich zu wünschen, mit einer Frau im Bett zu liegen und mit ihr die Dinge zu tun, die man mit einem Mann tun soll. Ganz furchtbar, absolut sündhaft und ganz gewiss nicht von Gott geplant und gewollt. Ganz gewiss nicht.

      Unbeholfen wische ich mir mit beiden Händen die Tränen aus den Augen, so heftig, dass sie noch mehr brennen und noch mehr schmerzen. Und ich heiße den Schmerz willkommen. Ich heiße ihn willkommen und versuche zu lächeln.

      Ich, Isabella von Bourbon - Parma, Isabella, einfach nur Isabella, liebe Frauen.

      Ich liebe Frauen.

      Habe sie schon immer geliebt.

      Das wird sich auch nicht ändern, wenn ich mit einem Mann verheiratet bin, ganz sicher nicht.

      Ganz sicher nicht.

      Ich wische mir die Tränen aus den Augen und lächele grimmig.

      Wenn es einen Grund gibt, Wien nicht ganz fürchterlich zu finden und mich sogar ein wenig auf Wien zu freuen, dann ist es ganz gewiss nicht Joseph, mein zukünftiger Ehemann, sondern Marie Christine, seine Schwester. Ich drücke ihren Brief, der neben meiner Violine gelegen hat, eng an meine Brust, nicht verhindernd, dass meine Tränen den Brief durchweichen. Ich sehe auf ihr selbst gemaltes Miniaturportrait, dass sie einem ihrer Briefe beigefügt hat. Sie ist so schön, diese Marie Christine, so unendlich schön und ich bin dabei, mich in sie zu verlieben. In ihre zarte Figur, ihren hellen Teint, ihre blonden Haare, einfach alles an ihr ist wunderschön. Darüber hinaus ist sie wie ich auch sehr gebildet, spielt wie ich ausgezeichnet Violine und Cello und malt allerliebst, eine Beschäftigung, mit der ich mir auch gerne die Zeit vertreibe. Und sie liebt die Musik Vivaldis, schreibt sie. Ich finde Vivaldi auch absolut wunderbar und spiele seine Stücke gerne auf meiner Violine, die ich meisterhaft beherrsche oder auch auf der Geige. Wir werden sicher die Gelegenheit haben, zusammen zu musizieren wie ich es hier bei Hofe mit meinem Vater praktiziere.

      Ich werde mich in Marie Christine verlieben, dessen bin ich mir sicher.

      In sie und nicht in ihren Bruder.

      Ich kann nicht anders, ich kann nicht anders.

      Ich liebe Joseph nicht, ich werde ihn nie lieben. Niemals.

      Ich kann ihn gar nicht lieben.

      Denn ich liebe Marie Christine, seine Schwester.

      Ich liebe sie und das macht mir Angst.

      Große Angst

      Denn es ist eine Sünde.

      eine große Sünde

      eine Todsünde

      Padua, 8.Oktober 1760

      Ich blicke in die Ferne. Seit jener Nacht auf dem Balkon, in der ich den Sternen weinend und Violine spielend mein Herz ausgeschüttet habe, sind Tage und Wochen vergangen. Morgen werde ich mit einer prachtvollen silbernen Kutsche nach Österreich gebracht werden und meiner Heimat, Italien Adieu sagen.

      Tage und Wochen, in denen ich tagein tagaus die Rolle spiele, die sie mir zugedacht haben. Ich muss an eine Marionette denken und fast lächeln bei dem Gedanken an die Marionette, denn meine Mama hat sich am spanischen Königshof gefühlt als wäre sie eine und ich vermisse meine Mama immer noch unendlich. Mein Papa hingegen ist mir immer fremd geblieben, ebenso meine Geschwister. Ferdinand und Marie Louise sind so viel jünger als ich. Ich war zehn Jahre ein Einzelkind gewesen, weswegen ich meiner Mama auch so nahe stand wie niemanden sonst auf dieser Welt. Es tut mir also nicht leid, meinen Vater und meinen Bruder und meine Schwester verlassen zu müssen, denn ich hänge nicht an ihnen. Die Ehe meiner Eltern war stets durch Kälte und gegenseitige Abneigung geprägt gewesen und von meiner Mutter hatte man am spanischen Königshof stets erwartet, ihr Pflichten zu erfüllen und meinem Vater, Thronerben zu schenken. Wie es ihr ging, war allen gleichgültig. Genauso gleichgültig wie ich meinem Vater bin, der mich nun verheiraten wird nach Österreich der Dynastie wegen, denn der österreichische Hof wünscht sich eine Verbindung zu Frankreich und König Ludwig XV ist ja mein Großvater.

      Ich beiße mir auf die Lippen, denn wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, war es nicht mein Vater, der mich nach Österreich verheiraten wollte, sondern meine Mutter und mein französischer Großvater. Um die Verbindung der Häuser Bourbon und Habsburg auf ein stabileres Fundament zu stellen, schlug mein Großvater, der ein Bourbone ist, eine Verbindung zwischen dem österreichischen Thronerben und mir vor. Man sagt, dass auch seine Mätresse, Madame Pompadour, die ich aufrichtig hasse für das, was sie meiner armen Großmama antut, ihre Finger im Spiel hatte und diese Verbindung mit dem Grafen Kaunitz, der einst als Botschafter am Königshof in Versailles weilte und nun Hof und Staatskanzler am Hofe Maria Theresias ist, geschmiedet hat. Die Pompadour hat leider einen immensen Einfluss auf meinen Großpapa, ist sie doch viele Jahre, fast 17 an der Zahl, jünger als meine Großmama und weitaus weniger fromm, was mein Großpapa leider sehr anziehend zu finden scheint. In der Sache mit Kaunitz und dem Wiener Hofe setzte sie in der Tat ihre und Österreichs Interessen beim König durch. Österreich will nämlich den Verlust Schlesiens im Krieg gegen das Preußen Friedrich II ausgleichen und Frankreich vom Erbfeind vieler Schlachten in Italien, im Burgund, Flandern und in den Pyrenäen zum Verbündeten machen, eine Art Umkehr der Alliancen wie man zu sagen pflegt. Österreich sagte sich dabei von seinem langjährigen Bündnispartner England los, der eine Alliance mit dem aufstrebenden Preußen Friedrich I eingegangen war. Ich bin der Spielball, ein menschlicher Spielball und ich hasse die Kaiserin dafür, die Kaiserin, Joseph, Kaunitz und ganz besonders die Pompadour, diese furchtbare intrigante Person. Und auch meinen lieben Großpapa, den ich sonst sehr lieb habe. Aber er ist dieser furchtbaren Pompadour verfallen, mit seiner ganzen Seele ist er ihr verfallen, ihr und ihrer jugendlichen Schönheit und ihrem lasterhaft verdorbenen Wesen. Wahrscheinlich kann auch die Kaiserin die Pompadour nicht leiden, da sie sehr fromm sein soll und die sittenlose Maitressenwirtschaft am Versailler Hof nicht gut heißt. Sie heißt mit der Zusammenarbeit mit der Pompadour deren Unzucht gut. Immerhin ist die Pompadour eine Bürgerliche,


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