Ich bin Isabella. Carina Zinkeisen

Ich bin Isabella - Carina Zinkeisen


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keiner mit, das geht keinen was an und ich war schon immer eine wahre Meisterin des Versteckspiels. Sie sind alle furchtbar lieb zu mir, auch Franz Stephan, der Kaiser und Maria Theresia, meine Schwiegermutter. Sie liebt mich zärtlichst wie eine eigene Tochter und lobt alles, was ich tue, überschwänglich.

      „Mein liebes Kind, Sie sind mir wie eine Tochter, ich bin so froh, Sie an meinem Hof und an Josephs Seite zu wissen“, sagte sie breit lächelnd, als ich ihr das erste Mal gegenübertrat und drückte mich an ihre üppige Figur. Sie ist 43 Jahre alt und hat unvorstellbare 16 Kinder zur Welt gebracht. Der kleine Maximilian Franz ist erst vier Jahre alt und Maria Antonia fünf. Die Kleine ist wirklich allerliebst und stand ganz schüchtern mit ihrem rechten Daumen im Mund neben ihrer Maman und sah mich treuherzig an. Auch Maria Theresias Ehemann, Franz Stephan von Lothringen ist reizend zu mir.

      Dennoch habe ich, das Gefühl, dass jeder hier nur eine Rolle spielt, auch ich.

      Und ich spiele sie gut, nahezu perfekt. Nahezu perfekt. Ich bin eine Meisterin der Verstellung.

      Wie es in mir wirklich aussieht, merkt keiner, auch nicht Joseph nicht, der am allerwenigsten.

      Wie er errötet ist, als er sich das erste Mal über meine Hand gebeugt hat im Schloss Laxenburg. Er hat die Augen nicht von mir lassen können und mich wie eine Fatamorgana angestarrt. Ganz schüchtern war er, als wir einander das erste Mal vorgestellt worden sind. Ganz anders als sein Papa, der Kaiser, als dieser mich in Stuppach, im Schloss des Grafen Walsegg gemeinsam mit meiner Hofdame Antonia Gräfin Erdödy in Empfang nahm. Er ist galant und liebenswürdig, wenn auch ein wenig in die Jahre gekommen und ziemlich fett. Aber man sieht den gutaussehenden, heiteren und liebenswerten lothringischen Prinzen, der er vor langer Zeit gewesen war und ich spüre, dass er dieser Prinz mir gegenüber noch gerne sein würde und das ekelt mich ein wenig an.

      Joseph himmelt mich in Laxenburg an seines Vaters Seite schüchtern und unbeholfen an, er betet mich an, ist völlig vernarrt und verliebt in mich und ich gebe ihm das Gefühl, dass es mir genauso geht, Meisterin der Verstellung, die ich bin. Dabei ist er mir gleichgültig. Er sieht sehr gut aus, ist ein schöner Mann, voller Kraft und mit einem edlen, maskulinen, markanten Profil und mit sehr schönen blauen Augen, die er von seiner Mutter, der Kaiserin geerbt hat. Zudem ist er schlank und gut gebaut. Genau wie ich auch ist er recht gebildet und hat ähnlich wie ich fortschrittliche Ideen. Er hat sogar Kenntnis der Schriften Voltaires und Rousseau, was ich himmlisch finde, denn ich beschäftige mich sehr mit den Themen, die in Aufklärer - Circeln en vouge sind. Er beschäftigt sich auch sehr mit militärischen Themen, was mich merkwürdigerweise auch sehr interessiert. Ich kann mich gut mit ihm unterhalten und er spielt auch ausgezeichnet Cello, aber mein Herz lässt er absolut kalt. Er berührt es nicht. Ich müsste ihn lieben, so wie er mich liebt, ihn begehren, wie er mich begehrt, aber ich kann es nicht. Ich kann es nicht. Es geht einfach nicht.

      Ich liebe Frauen und er ist nun einmal ein Mann und keine Frau.

      So einfach ist das.

      So einfach und unverrückbar.

      Er ist mir genauso gleichgültig, wie mich der Pomp und die Feierlichkeiten angewidert haben. Man munkelt, dass für die Hochzeit am 6. Oktober 1760 trotz der hohen Kriegslasten rund drei Millionen Gulden ausgegeben worden sind, um mitten im Krieg ein großartiges Schauspiel darzubieten. Man will wahrscheinlich trotz angeblich leerer Staatskasse die uneingeschränkte finanzielle Potenz des Kaiserhauses demonstrieren. Dies war auch überaus notwendig aus der Kaiserin Sicht, denn nur einen Monat nach unserer Hochzeit brachte Friedrich II am 3. November 1760 in der Schlacht bei Torgau den österreichischen Truppen eine empfindliche Niederlage bei, was man am 6. Oktober natürlich noch nicht ahnen konnte.

      Der Brautzug hat sich an diesem Tag drei Stunden lang durch die engen Gassen der Wiener Altstadt geschleppt. Vom Schloss Belvedere, in dem ich bis zu meiner Hochzeit mein Quartier hatte, aus zur Karlskirche und zum Kärntnertor, wo Bürger ein Spalier aus Waffen und Fahnen bildeten und sich vor Begeisterung die Kehlen heißer schrien. An jeder Straßenecke Dragoner zu Pferd in voller Bewaffnung, überall Musikkapellen, arm und reich, die sich bunt mischten. Alle Türen und Fenster waren von Menschentrauben belagert. Vom Kärntnertor ging es in die innere Stadt und ich konnte den Stock im Eisen Platz erkennen und den ersten riesigen aufwendigen Triumphbogen, dann den Graben, den Kohlmarkt und den Michaelerplatz, wo der zweite ebenso aufwendige Triumphbogen stand.

      Wenn es nicht mein Hochzeitstag gewesen wäre, dann hätte ich diese Fahrt durchaus genossen, denn ich habe viel von Wien, meiner neuen Stadt gesehen, und Wien ist eine sehr schöne Stadt

      Doch so sah ich nur den überzogenen Pomp und war angewidert. Lauter Prunkwagen, man munkelt, es wären neunzig sechsspännige Kutschen gewesen. Ich saß mit meiner Obersthofmeisterin Gräfin Antonia Erdödy in einem Prunkwagen des Fürsten Liechtenstein, der Joseph schon in Padua vertreten hatte. Ich möchte nicht wissen, wie viele Gulden dieser Wagen verschlingt. Außen himmelblau silber bemalt und reich mit Schnitzereien und Malereien verziert und von innen mit ebenso himmelblauem Samt ausgekleidet. Begleitet wurde der Wagen von

      der Schweizer Garde in Parade-Kleidern und klingendem Spiel. Eigens aus Gips und Holz errichteten Triumphbögen, die mich, die Braut und das Haus Habsburg allegorisch verherrlichten. Unsere aus Silberbrokat angefertigten Prachtkleider, mein aus kostbarsten Brillanten überladenes Diadem, das einst meiner geliebten Mama gehört hatte, die ja die erste Prinzessin am Hofe Ludwig XV gewesen war. Die mit kostbarsten niederländischen Gobelins und Tapisserien dekorierte und mit unzähligen Kerzen erleuchtete Augustiner Hofkirche, in der Joseph und ich vom päpstlichen Nuntius Vitalino Borromeo getraut wurden. Den nahezu betäubenden Duft der vielen Wachskerzen und des Weihrauchs, der die Kirche nahezu tränkte, werde ich mein Lebtag nie vergessen, da mir ziemlich schwindelig wurde und ich Sorge hatte, in Ohnmacht zu fallen,

      All die Lampions, die abends die Hofburg und die Straßen um den Stephansdom illuminiert haben, 3.000 sollen es an der Zahl gewesen sein. So eine Illumination soll man in Wien noch nie gesehen haben. Allein im inneren Burghof brannten zwei Reihen von 3.000 Wachskerzen und unzählige Fackeln. Das prunkvolle Hochzeitsmahl im wunderprächtigen Redoutensaal mit den erlesensten Speisen, die man sich nur vorstellen kann, obwohl die Habsburger allen voran Maria Theresia normalerweise nicht unbedingt Gourmets sind und die strikte Einhaltung der Fastenspeisen sehr schätzen. An diesem Tag allerdings wurde an überhaupt nichts gespart und wahrlich opulent getafelt. Ich hingegen aß nur wenig und nippte nur am Wein. Aufgrund der langen Wege waren die Speisen leider auch ein wenig kalt oder lauwarm, was dem Geschmack abträglich war. Zudem war es eine offene Tafel, die streng nach dem spanischen Hofzeremoniell zelebriert wurde. Es war also eine höchst formelle Mahlzeit, bei der die einzelnen Teller von den wichtigsten Würdenträgern des Hofes unter ständigen Verneigungen auf – und wieder abgetragen wurden, während Ehrendamen uns die Servietten überreichten und andere die Kerzenleuchter jede halbe Stunde aufs neue dem Silberkämmerer zum Polieren gaben. Bei diesem Aufwand war es wirklich kein Wunder, dass unser aller Suppe, eine Speise, die Maria Theresia über die Massen schätzt, kalt war und mir kaum mundete.

      Freude hatte ich jedoch an der Tafelmusik von Christoph Willibald von Gluck. Die Opern und Musikaufführungen zu unseren Ehren dauerten mehrere Wochen an. Dies störte mich allerdings in dieser Hinsicht nicht, da ich Musik liebe und eine große Opernfreundin bin.

      Ich gönne auch all den Menschen, die auf den Straßen getanzt haben, ihre Freude und ihr Glück und sie wollen alle wahrscheinlich den langen, immer noch andauernden Krieg und all das Leid vergessen. Ich kann damit aber nichts anfangen und es kostet mich Überwindung, die glückliche strahlende Märchenprinzessin zu spielen. Große Überwindung.

      Ich denke immerzu an all die Verletzten und Toten der Kriege und Schlachten und die Armut, die Seuchen, die Hungersnöte, die in Europa wieder Einzug gehalten haben und es fest im Würgegriff halten. Die Menschen leiden und hungern und wir feiern und verprassen das Geld auf eine lächerlich anmutende Weise. Wie viele Kinder hätten einen vollen Teller Suppe und genug Brot zu essen, wenn wir Adeligen nicht in einem solchen Pomp leben würden? Ich mag gar nicht daran denken und es erst recht nicht laut aussprechen. Obwohl mich Joseph gewiss verstehen würde. Seine


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