Die Verwandlung. Claudia Rack

Die Verwandlung - Claudia Rack


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„Pass auf, ich warte noch ein paar Stunden. Und wenn er dann nicht zurück ist, hole ich ihn.“ Misstrauisch kniff Ariana die Augen zusammen. „Versprochen, ich hole ihn da raus, Ariana“, versicherte er ihr. Ein wenig besänftigt nickte sie ihm zu. Arabas war erleichtert, dass er das Schlimmste verhinderte. Er traute Ariana momentan alles zu. Sie handelte unüberlegt und begab sich unnötig in Gefahr. Sie hatte keine Chance, wenn sie in den Himmel wollte. Als Mensch gab es für sie keine Möglichkeit, das zu erreichen. Allerdings wusste er, dass sie andere Wege in Betracht zog, um an ihr Ziel zu kommen.

      „Hast du die andere Sache versucht, die wir besprochen haben?“, fragte sie. Arabas wusste sofort, worauf sie anspielte. Bei ihrer letzten Zusammenkunft hatten sie geplant, dass er Jazar aufsuchen sollte. Arabas wollte versuchen, ob er die Erinnerungen von Jazar zurückholen konnte. Er besaß eventuell die Fähigkeit, aber zu diesem Zweck musste er mit Jazar in Kontakt treten und die Kräfte auf das Gedächtnis wirken lassen. Ob das gelingen würde, war fraglich. Ariana hatte ihn darum gebeten, es zu versuchen. Selbstverständlich hatte Arabas es versucht, sogar zweimal. Er war zu Jazar gegangen. Er gab sich als Tramper aus, der kurz Rast machen wollte, und hatte kurz ein paar Worte mit ihm gewechselt. In einem unauffälligen Moment hatte Arabas ihn an der Schulter berührt, um mentalen Kontakt herzustellen. Anstatt den Kontakt herzustellen, hatte er nichts gefühlt. Jazar oder das, was ihn ausgemacht hatte, war nirgends zu finden. Nicht einen Funken seiner Essenz hatte er in seinen Zellen aufspüren können. Das war ernüchternd gewesen, sodass er enttäuscht gegangen war. Absichtlich hatte er noch nichts zu Ariana gesagt. Es war eine erneute Niederlage in ihrem Versuch, Jazar zurückzuholen. Ariana beobachtete Arabas genau. Auf irgendeine Weise musste er sich verraten haben, denn Ariana sah enttäuscht zu Boden und versuchte Fassung zu bewahren. Es brach ihm das Herz. Erneut hatte er sie enttäuscht. Er hasste es.

      „Tut mir leid, es hat nicht geklappt“, meinte er noch. Ariana nahm ihm noch das Versprechen ab, dass er sie über Nemir informierte, bevor sie ihn regelrecht raus warf. Arabas wusste, dass sie Ruhe brauchte, um sich von den schlechten Neuigkeiten zu erholen. Er wollte noch nicht gehen. Ohne es sich anmerken zu lassen, wie ihn das traf, verabschiedete er sich mit einem kurzen Nicken, bevor er sich in Luft auflöste und verschwand. Ariana sah an die Decke und fluchte. Wenn es nicht bald ein Erfolgserlebnis gab, flippte sie aus. Sie spürte es. Sie war jeden Moment kurz davor, auszurasten. Gott sei Dank hatte sie heute Abend ihren Kurs beim Kickboxen. Dort baute sie ihren Frust ab, zumindest für ein paar Stunden.

      2. Kapitel

      „Wo ist sie?“ Gabriel richtete sich an einen Leibwächter, der neben ihm stand, und sah ihn entrüstet an. Dieser sah betreten zu Boden. Er schüttelte stumm den Kopf und konnte Gabriel nicht direkt ansehen. Ein missbilligender Laut erklang in dem weitläufigen Saal. Gabriel richtete sich auf und zügelte seinen Zorn. Zumindest versuchte er es. Seitdem sein Sohn Arabas in seinem Reich sein Unwesen getrieben hatte, entglitt ihm alles. Wenn er nicht bald Ergebnisse lieferte, stand für ihn alles auf dem Spiel. Sein weißes Gewand bauschte sich auf, sobald er unruhig auf und ab lief. „Wollt ihr mir weismachen, dass ihr keine Spur von Ophelia finden konntet? Sie kann nicht verschollen sein. Wie soll ich das erklären, hm? Ich bin es, der sich rechtfertigen muss, obwohl ihr versagt“, brüllte er die Untertanen an. Dass die Verlobte seines geliebten Sohnes Ramael spurlos verschwunden war, beunruhigte ihn. Was hatte sie vor? Mittlerweile wusste er, dass sie an dem Plan beteiligt gewesen war und eine entscheidende Rolle darin gespielt hatte. Sie sollte verhört werden. Wie hatte er das nicht kommen sehen? Wie hatte sie es geschafft, ihre wahren Gedanken vor ihm zu verbergen? Dieses Rätsel ließ Gabriel nicht los. Sie musste über weitaus fähigere Kräfte verfügen, als sie bisher dachten. Offenkundig war Ramael ihren Verführungskünsten erlegen und hatte dieses Unheil über sie gebracht. Für Gabriel gab es keine andere Erklärung. Desto länger er darüber nachdachte, was geschehen war, war das die einzige Erklärung. Sie hatte die wahren Gedanken von Ramael abgeschirmt. Andernfalls hätte er gewusst, welche üblen Gedanken in seinem Sohn vorhanden schlummerten. Möglicherweise hätte er es verhindern können, was auf sie zugekommen war? Was hatte Ophelia noch getan? Hatte sie ihn manipuliert und er hatte es nicht bemerkt? Die Zeit rann ihm davon. Sie hatten ihm nur noch heute gegeben, bis er Ophelia ausliefern musste. Sobald Gabriel nach draußen sah, pochte sein Herz direkt schneller. Die Sonne ging unter. In seinem Inneren wusste er es. Er hatte versagt. Er hatte keine Zeit mehr. In dem Augenblick, als er sich einen Fluchtplan zurechtlegen wollte, erklang ein Grollen und die Erde bebte unter seinen Füßen. Ein Riss entblößte sich direkt vor ihm, als der Marmorboden einen Spalt aufriss. Entsetzt sah Gabriel auf. Die Türen zum Thronsaal gingen auf und drei Gestalten näherten sich. Angeführt wurden sie von einem Engel, den er glaubte, unter keinen Umständen wiederzusehen. „Rafael“, wisperte er verängstigt. Gabriel hatte sich gefragt, wen sie schicken würden, sobald die Zeit um war. Mit Rafael hatte er nicht gerechnet. Ehrfürchtig betrachtete er den Engel. Mit seinen ein Meter und fünfundachtzig war er kräftig gebaut und breitschultrig. Um sein Auftreten noch imposanter zu gestalten, fuhr er die Flügel aus. Gabriel wusste, dass er das absichtlich tat. Die Flügel von Rafael waren schwarz, durchzogen mit indigoblauen Federn. Der Engel trug schwarze Hosen, die seine kräftigen Beine zierten. Das schwarze Gewand reichte ihm bis zu den Füßen und wies vereinzelte blaue Schattierungen auf, abgestimmt auf die beeindruckenden Flügel. Der Blick auf seinen muskulösen Oberkörper war frei und an dem Waffengürtel trug er einen Dolch zu seiner Rechten und ein Schwert zu seiner Linken. Schwarze Augen ließen ihn nicht los, sobald er Gabriel erblickte. Das schwarze Haar trug er jetzt kürzer, es reichte ihm bis zu den Schultern. Bei ihrer letzten Begegnung hatte er es noch zu einem Zopf nach hinten gebunden. Nachdem er sich vom ersten Schock erholte, glitt Gabriels Blick zum Gefolge, welches Rafael begleitete. Seine Unruhe wuchs, sobald er erkannte, wer da genau auf ihn zukam. An Rafaels rechter Seite schritt Sariel, unter anderem als der Vollstrecker unter den Engeln bekannt. Er war noch größer als Rafael, gute ein Meter und neunzig, schätzte Gabriel. Die dunkelblonden Haare waren kurz geschoren. Die grünen Augen wiesen einzelne braune Sprenkel auf. Es kam einem vor, als ob Sariel bis in die Seele blicken konnte, sobald er jemanden direkt ansah. Er trug dunkelgrüne enganliegende Hosen, ein silbernes Gewand mit roten Verzierungen und die Flügel waren schneeweiß bis auf einzelne olivgrüne Federn. Er war breitschultrig und die Muskeln zeugten von der Kampfkunst, die er ausstrahlte. An Rafaels linker Seite erkannte Gabriel den Engel Calliel. Im Grunde zählte sie zur weiblichen Form der Engel, obwohl manche glaubten, sie gehöre zur Gattung der Cherub. Das bewiesen ihre Flügel. Sie hatte nicht zwei, sondern vier Flügel. Sie waren wunderschön in Pechschwarz und durchzogen mit purpurnen Federn. Ihre schwarzen langen Haare glänzten im Licht. Sie trug enganliegende weiße Hosen und passend zu ihren Flügeln ein schwarzes Gewand mit purpurnen Verzierungen. Darunter trug sie ein dunkles Bustier, sodass der Blick auf ihren durchtrainierten Bauch frei blieb. Sie war einen Meter achtundsechzig groß, aber das tat ihrer imposanten Erscheinung neben Rafael und Sariel keinen Abbruch. Er wusste, dass man Calliel nicht unterschätzen durfte. Es heißt, dass sie Beziehungen zur Unterwelt pflegte. Am erstaunlichsten waren ihre Augen. Sie hatte ein hellblaues und ein braunes Auge. Der scharfe Blick aus Rafaels dunklen Augen entging Gabriel nicht. Sobald er direkt vor ihm stand, blieb er stehen und sah sich um. Sariel wechselte kurz mit Calliel einen wissenden Blick, bevor sie sich neben Rafael postierten und ihn schützten. Gabriel zitterte leicht, versuchte es mit Fassung zu tragen und hob mit geschwellter Brust den Kopf an, um Rafael die Stirn zu bieten.

      „Die Zeit ist um, Gabriel. Wo ist sie?“, erklang Rafaels bedrohliche Stimme. Die Leibwächter von Gabriel beobachteten genau das Geschehen. Er wusste, dass sie nicht eingreifen würden, das wäre ihr Tod. Sie wussten, dass Rafael ihm gegenüber in der Rangfolge weitaus höher stand. Gabriel versuchte ein klägliches Lächeln und versagte.

      „Wir haben sie bedauerlicherweise noch nicht gefunden. Meine Leute sind unterwegs, um sie aufzuspüren. Es dauert nicht mehr lange, bis wir sie haben.“ Seine Erklärung war dürftig und das wusste er. Gabriel wusste nicht, was übler war. Rafael zu erzürnen oder den Vollstrecker Sariel? Es war bekannt, dass Sariel die Engel zur Rechenschaft zog, die in Ungnade gefallen waren. Und man erzählte sich, dass er das nicht halbherzig tat. Rafael lächelte milde, dieses Lächeln erreichte nicht seine schwarzen Augen. In seinem Blick erkannte Gabriel eher Zorn. Seine rechte Hand legte sich auf den Griff des Dolches, als ob er demonstrieren wollte, was geschehen


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