Die Plagiatoren. Josef Hahn
die man für das Alltagsleben benötigte. Sie waren Energiequellen, die fast nie versiegten und auch relativ umweltfreundlich waren. Das aber zählte nicht für die Langur. Schonung oder Schutz ihrer Umwelt? Wozu?
In unmittelbarer Umgebung der beiden Vulkane lagen die Dörfer der Sklaven, also der Leute, die sie von anderen Planeten entführt hatten. Wenn es einen wirklichen Vulkanausbruch geben sollte, dann wären es die Sklaven, die draufgingen und kein einziger Langure. Nachschub an Sklaven konnte man sich ja jederzeit problemlos besorgen. Es gab noch genügend Planeten in ihrer Einflusssphäre, die „besucht“ werden konnten.
Das Leben auf Menkalinan war einer strengen Disziplin unterworfen: schon wenige Wochen nach der Geburt wurden sowohl die Mädchen als auch die Knaben - soweit sie nicht gleich von einer militärischen Kommission als zu schwach befunden und getötet wurden – in besonderen Einrichtungen erzogen.
Sie lernten Lesen, Schreiben, Staatskunde und wurden vor allem im bedingungslosen Befolgen militärischer Befehle geschult. In immer wiederkehrenden Wettkämpfen mussten sie auch ihre Ausdauer, ihren Mut und auch ihren Ehrgeiz unter Beweis stellen. Die jeweiligen Erstplatzierten der Kämpfe wurden für die Offizierslaufbahn bestimmt und bildeten das Fundament der Gesellschaft.
Auch nach Abschluss dieser Erziehung bestimmten der Staat und da vor allem der militärische Dienst den Alltag. Jeder derart Ausgewählte erhielt ein Halsband, das er nie und in keiner Situation ablegen dufte. Dieses Band war ständig mit der zentralen Überwachungs- und Recheneinheit verbunden. Eine eigens dafür eingerichtete Überwachungseinheit kontrollierte so das ganze Leben; ununterbrochen!
Die Langur waren Dank ihrer Raubzüge so reich geworden, dass man so etwas wie die „Arbeit zum Broterwerb“ gar nicht mehr kannte.
Alle nötigen Tätigkeiten, die für das Funktionieren ihrer Gesellschaft erforderlich waren, wurden von den Staatssklaven erledigt.
Man erholte sich in sogenannten „Rekreationseinheiten“, alle gleich geschaffen und gleich ausgestattet: mit einer Schlafkoje für eine Person, einem kleinen Aufenthaltsraum und den erforderlichen Nassräumen und – Dank des Halsbandes - mit ständiger Verbindung zum Zentralrechner.
Auch in der Menkalinan-Sphäre hatte es die Evolution so sinnvoll eingerichtet, dass man die Nahrung mit der oberen Körperöffnung aufnahm und die untere Körperöffnung dafür der Entsorgung diente.
Über eine Privatsphäre verfügte dagegen niemand!
Wozu auch?
Was man nicht kennt, kann man auch nicht vermissen!
Wer das Bedürfnis zur Rekreation hatte, schlüpfte einfach in die nächstgelegene Einheit – alle standen sie offen – und bediente sich deren Einrichtung. „Rekreiierte“ sich da schon ein Anderer, so warf man ihn oder sie einfach hinaus – wenn man der Stärkere war – oder man suchte sich eine andere Einheit; wenn man eben nicht der Stärkere war.
Ein für die Langur selbstverständlicher Vorgang.
Auf Menkalinan kannte man auch kein Rechtssystem, so wie wir Menschen es entwickelt haben. Ernsthafte Zwistigkeiten untereinander – was sehr selten vorkam – löste man durch vorher angekündigte ritualisierte Zweikämpfe, bei denen der Verlierer prinzipiell sein Leben verlor und dadurch dem Sieger die Richtigkeit seiner Sichtweise indirekt bestätigte.
Sklaven waren ohnehin Freiwild; sie konnten jederzeit getötet werden, aus oft kleinsten Anlässen. Ungehorsamkeit – die fast nie passierte – oder die Nichtbefolgung von Anordnungen (Befehlen!) wurde ebenfalls mit dem Tod geahndet. Demzufolge kannte man auch keine Gefängnisse, Umerziehungslager oder ähnliche Unerfreulichkeiten.
Alle hatten sie gleich viel oder – wenn man es so nennen will – gleich wenig für ihre Lebensjahre zur Verfügung. Es gab daher auch keinen vorstellbaren Grund für Eifersucht oder Neid den anderen gegenüber.
Die Evolution in Menkalinan war ein ausgesprochener Fan der Gleichheit gewesen und hatte sich irgendwann auch zur Ruhe begeben. Der Genpool, die Gesamtheit aller Genvariationen in der langurischen Population, zeigte keinerlei Bereitschaft zu irgendeiner Form der Weiterentwicklung oder zu spontanen Veränderungen der Basensequenzen ihrer DNA.
Eine sehr fortgeschrittene Medizin konzentrierte sich fast nur auf die Behandlung von in Kämpfen erlittenen Verwundungen. Wer krank war, entschied einzig die zentrale Recheneinheit.
Alters- oder Infektionskrankheiten wurden zwar auch erkannt und fallweise auch behandelt; nicht in Einrichtungen wie Spitälern oder Pflegeheimen – über so etwas verfügten sie nicht – sondern eine Robot Einheit, eine medizinische Maschine, entschied darüber, ob sich eine Behandlung des Erkrankten lohnte oder eben nicht.
Diejenigen, bei denen es sich nach Ansicht des „Robotikers“ nicht mehr lohnte, wurden mittels einer Todesspritze – zwar schmerzlos aber doch – terminiert. Sklaven verbrannten die Überreste und düngten damit die Felder.
Auch gab es keine Friedhöfe oder Gedenkstätten für die Terminierten. Ausgenommen für die, die sich im Kampf besonders bewährt hatten und im Dienst für die Gemeinschaft gefallen waren: eine Art nationaler Memorials, die insbesondere der Jugend immer wieder präsentiert wurden. Mit der dringenden Aufforderung, dem Vorbild der Helden nachzueifern.
Für den seit Jahrtausenden herrschenden Clan der Waro-ngs war es daher auch von allergrößter Bedeutung, immer über genügend Nachwuchs, weiblichen und männlichen, für die Armee zu verfügen. Die fortwährenden Raubzüge und ständigen Kriege forderten auch Opfer unter den Langur.
Die Waro-ngs hatten dafür das System der „Tapferen Freudenbringer“ ins Leben gerufen. Warum sie das so genannt hatten, war entweder ein Zeichen ihres übergroßen Zynismus oder der lange bestehenden Arroganz gegenüber anderen.
Jeder gesunde und noch zeugungsfähige Langure war dazu verpflichtet, zumindest einmal wöchentlich in eines der „Freudenbringerhäuser“ zu gehen, durfte sich dort eine ihm genehme Partnerin auszuwählen und diese befruchten. So wurde die Rasse Langur rassisch und erbbiologisch sauber erhalten. Ob und wie sich ihre Sklaven vermehrten, gehörte nicht zu den Prioritäten.
Gefühle, so wie wir Menschen sie kennen, waren den Langur völlig fremd. So etwas wie „Liebe“ oder „Zuneigung“ kannten sie nicht. Die Frau, sofern sie nicht gerade in irgendeinem Einsatz war, wurde als „Gebärerin“ bezeichnet. Die Männer als „Spermazoten“.
Zum keimenden Leben hatte man ebenfalls keinen Bezug. Die meisten der Gebärerinnen warteten ungeduldig die Zeit bis zu ihrer Niederkunft ab und wollten dann nur möglichst rasch wieder zurück in ihre Einheiten.
Die etwa 25 Millionen Langur waren eine gefühllose und fast maschinell organisierte Gesellschaft. Sie kannten aber nichts anderes.
Auch Persönlichkeitsentwicklungen und Individualität waren ihnen vollkommen fremd. Sie waren im Prinzip nichts anderes als ein übergroßer Insektenstaat, der sich, so wie heute Ameisen, Bienen und dergleichen, in verschiedene Aufgabenbereiche auf gesplittet hatte.
Sie hatten eine durchschnittliche Körpergröße – nach unseren Begriffen - von etwa zwei Metern, verfügten über zwei Greifarme, mit nur allerdings drei Fingern, im Verhältnis zu ihrer Körpergröße zwei ungewöhnlich kleine Beine und eine extrem harte und widerstandsfähige Knochenstruktur.
Dadurch waren sie für primitivere Spezies, die sich meist noch mit einfachen Waffen, wie Keulen, Speeren oder Schwertern, gegen sie verteidigten, schlichtweg unbesiegbar.
Ähnlich wie die Schotten im Mittelalter unterteilten sich die Langur in verschiedene Clans, die sich auch hin und wieder gegenseitig bekämpften. Die Lust zum Kampf und der Genuss am Töten waren ihnen angeboren. Schonung des Gegners oder gar Mitleid waren ihnen nicht geläufig. Sie erwarteten dies für sich aber auch nicht von ihren Gegnern.
Der nach den Waro-ngs zweitmächtigste Clan waren die „Ilat-kas“. Eine Sippe von Wissenschaftlern, die sich hauptsächlich damit beschäftigte, dem Militär noch effektiveres Material zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen. Aus den Ilat-kas rekrutierten sich aber auch noch Kämpfer, die in der Qualität und der Freude