Das Gesetz des Don Turner. Alfred Bekker

Das Gesetz des Don Turner - Alfred Bekker


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      „Ich bin nicht wählerisch.“

      „Spencer, der sucht jemanden für sein Fuhrunternehmen. Fragen Sie den mal. Ein Gespann lenken können Sie doch, oder?“

      „Keine Frage. Wo finde ich diesen Spencer?“

      *

      Allan Spencer war ein gedrungener Mann, der die Sechzig schon überschritten hatte. Sein Haar war ergraut, das sonnenverbrannte Gesicht runzelig geworden.

      Mit einem einzigen Wagen hatte er angefangen, jetzt besaß er insgesamt fünf Gespanne, die Fracht zwischen Madison City und Pinewood transportierten – oder wo immer der Kunde seine Sachen sonst in der Umgebung hingebracht haben wollte.

      Nur noch sehr selten übernahm Spencer selbst Frachtfahrten. Er saß nicht mehr auf dem Kutschbock, sondern zumeist in seinem Büro und koordinierte die Aufträge. So auch jetzt, als Jim Finlay ihn aufsuchte.

      „Sie sind Spencer?“

      „Ja. Was wollen Sie transportieren?“

      „Nichts. Ich habe gehört, hier gibt’s ´nen Job!“

      Spencer bestätigte mit einem Kopfnicken.

      „So ist es. Ich nehme an, Sie können ein Gespann führen?“

      „Kein Problem.“

      Spencer nannte ihm den zu erwartenden Verdienst. Ein reicher Mann konnte man davon nicht werden, aber Finlay nahm an, dass es reichen würde, um den einen oder anderen Dollar zurückzulegen. Wenn er genug beisammen hätte, würde er weiterziehen.

      „Kost und Logis sind dabei!“, erklärte Spencer. „Nebenan sind die Unterkünfte für die Fahrer.“ Er grinste. „Sie können sich natürlich auch ein Zimmer in der Stadt nehmen, aber das würde Sie einiges kosten …“

      „Ist schon in Ordnung“, erklärte Finlay. „Ich wohne bei Ihnen in der Unterkunft. Der Lohn ist auch okay.“

      „Gut, dann sind wir uns ja einig.“

      „Wann soll ich anfangen?“

      „Morgen. Heute ist keine Fahrt mehr.“

      Die ganze Zeit über hatte Spencer kaum von seinen Geschäftsbüchern aufgeschaut, doch jetzt musterte er Finlay eingehend und nickte dann, so als wollte er sich selbst bestätigen, den richtigen Mann eingestellt zu haben.

      „Ich denke, wir werden uns gut verstehen …“ Er reichte Finlay die Hand. Dann rief er plötzlich: „Beth! Beth, komm her!“ Ein paar Augenblicke später betrat eine junge, dunkelblonde Frau das Büro.

      „Beth, das ist …“ Spencer stockte. „Wie ist eigentlich Ihr Name, Mister?“

      „Finlay. Jim Finlay.“

      „Du hast es gehört, Beth. Er heißt Finlay und fährt für uns. Sei so nett und zeig ihm, wo er seine Sachen lassen kann. Er wohnt bei den anderen in der Baracke.“

      Beth nickte und lächelte freundlich dabei.

      Sie ist schön, dachte Finlay, der die Art bewunderte, in der sie ihr Haar hochgesteckt hatte. Ein großartiger Kontrast zu den rohen Brettern, aus denen diese Stadt zusammengenagelt war!

      „Kommen Sie mit mir, Mr. Finlay!“, sagte sie. Ihre Stimme hatte einen angenehmen, warmen Klang. Allan Spencer beugte sich wieder über seine Auftragsbücher und würdigte Finlay keines Blickes mehr. Er beugte sich so tief auf die Papiere, dass seine Nasenspitze sie fast berührte. Außerdem benutzte er eine starke Lupe.

      Beth führte ihn hinaus.

      Neben dem Wohnhaus, in dem sich auch Spencers Büro befand, war ein Pferdestall und daneben die Baracke, in der die Fahrer untergebracht waren.

      „Sind Sie Spencers Tochter?“, erkundigte sich Finlay.

      Sie nickte.

      „Seit meine Mutter tot ist, führe ich den Haushalt. Oft helfe ich ihm auch bei den Eintragungen in die Bücher. Ich weiß nicht, ob Sie es bemerkt haben …?“

      „Was?“

      „Seine Augen haben in den letzten Jahren ziemlich nachgelassen.“

      „Gehen die Geschäfte gut, Miss?“

      Sie errötete etwas, und Finlay war nun seinerseits verwirrt, denn er konnte sich nicht denken, was diese Regung in ihr hervorgerufen hatte. Irgendetwas hatte sie für den Bruchteil eines Augenblicks verstört – und offensichtlich hatte es mit der Frage zu tun, die er gestellt hatte.

      Dann war alles vorbei, und sie hatte sich wieder gefasst.

      „Die Geschäfte gehen einigermaßen“, sagte sie dann, allerdings eine deutliche Nuance weniger fröhlich, als sie zuvor gesprochen hatte. „Wir kommen ganz gut über die Runden“, setzte sie hinzu. Dann versuchte sie, heiter zu wirken, verzog den Mund zu einem verkrampften Lächeln und meinte noch: „Jedenfalls hat noch keiner von uns hungern müssen!“ Das hatte humorvoll sein sollen, aber es war ganz und gar nicht so über ihre Lippen gekommen.

      Sie wechselten einen längeren Blick, bei dem Finlay vergeblich in ihren Augen zu lesen suchte.

      Er zog die Augenbrauen zusammen.

      Er hatte nicht viel Übung im Umgang mit Frauen, aber dennoch spürte er sehr deutlich, dass hier etwas nicht so war, wie es sein sollte. „Was ist los mit Ihnen, Miss? Wenn ich irgendetwas angesprochen haben sollte, das …“

      „Es ist schon gut, Mr. Finlay. Ich werde Ihnen jetzt Ihre Unterkunft zeigen.“

      Im ersten Moment wollte Finlay nachhaken, aber dann zögerte er einen Augenblick zu lange, und die Gelegenheit war dahin.

      Vielleicht auch besser so, dachte er. Welches Recht hatte er schon, in sie zu dringen?“

      Beth Spencer führte ihn dann in die Baracke.

      Fünf Betten befanden sich darin, an der einen Seite war ein Kohlenofen, auf der anderen ein paar Schränke, eine alte Kommode und ein Spiegel, vor dem eine Waschschüssel stand.

      „Alles in bester Ordnung!“, meinte Finlay. „Wissen Sie, Miss, in letzter Zeit habe ich meistens unter freiem Himmel kampiert, da wird mir so ein richtiges Bett sicher gut tun!“

      Beth machte eine Handbewegung und deutete auf eines der Betten.

      „Sie können dort schlafen. Die anderen sind belegt. Im Augenblick sind die Männer noch unterwegs. Heute Abend werden Sie sie wohl kennen lernen. Es sind nette Kerle, Sie werden sich mit ihnen verstehen!“

      Finlay nickte.

      „Sicher.“

      Dann schwiegen sie.

      Draußen rief jemand: „Hey, Spencer, mach auf!“

      Es durchzuckte Finlay wie ein Blitz. Augenblicklich war seine Rechte in der Nähe seiner Waffe, sein Gesicht, das eben noch entspannt gewirkt hatte, veränderte sich.

      Diese Stimme!, dachte er.

      Unvermittelt ging er zur Tür und trat aus der Baracke heraus.

      „Hey, Mr. Finlay, was haben Sie?“, rief Beth, während sie hinter ihm herlief. Als Finlay nach einigen Schritten stehen blieb, holte sie ihn ein. „Was ist los?“

      Vor der Haustür befand sich ein Mann, und obwohl Finlay ihn nur von hinten sehen konnte, erkannte er ihn sofort! Die Tür wurde geöffnet, und Spencer ließ den Mann eintreten.

      „Was ist?“, fragte Beth noch einmal. „Kennen Sie den Mann, der gerade ins Haus gegangen ist?“

      Sie schluckte, und als Finlay sie ansah, wusste er sofort, dass sie ihn kannte.

      Er wartete ihre Antwort also gar nicht erst ab, sondern stellte sogleich eine weitere Frage.

      „Wie heißt er?“

      „Kommen Sie, packen Sie erst einmal Ihre Sachen in die


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