Plötzlich ist alles anders. Heidi Oehlmann

Plötzlich ist alles anders - Heidi Oehlmann


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Sommertages saßen wir auf unserer Terrasse und genossen die Sonne. Draußen konnte ich mich entspannen.

      Am späten Nachmittag normalisierte sich mein Herzschlag wieder. Ich war erleichtert und hoffte, es würde sich nicht wiederholen. Damit war das Thema für mich gegessen.

      2. Kapitel

      Am nächsten Tag wachte ich mit heftigen Kopfschmerzen begleitet von dem unerträglichen Augenflimmern auf. Auch, wenn das Herzrasen vorbei war, hatte sich mein allgemeines Wohlbefinden kein bisschen verbessert. Ich versuchte die körperlichen Beschwerden zu ignorieren und setzte mich an meinen Arbeitsplatz. Zu der Zeit hatte ich einen kleinen Onlineversandhandel für Bekleidung. Die Tätigkeit machte mir Spaß. Der Vorteil war, ich musste das Haus nicht unbedingt verlassen und konnte dennoch arbeiten. Ich war froh, mein eigener Chef zu sein und keinen Job außerhalb zu haben.

      Max verließ schon zeitig das Haus, um seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Er arbeitete für eine Versicherungsgesellschaft und hatte an diesem Morgen noch einiges an Papierkram zu erledigen.

      Ich war also alleine, arbeitete ein paar Bestellungen ab und kümmerte mich um andere geschäftliche Belange.

      Nachdem meine Kopfschmerzen, dank der Schmerztablette, die ich mir nach dem Aufstehen eingeworfen hatte, so langsam nachließen, beschloss ich raus zu gehen, um eine zu rauchen. Leider gingen mir die Zigaretten am Vortag aus. Das war die Gelegenheit einen kleinen Spaziergang zu unserer einzigen Einkaufsmöglichkeit im Ort zu machen, um mein Verlangen zu stillen. Ich glaube, jeder Raucher kann nachvollziehen, wie es sich anfühlt, wenn man Schmacht hat, aber keine Zigaretten da sind.

      Der Laden lag knapp zehn Gehminuten von uns entfernt. Ich machte mich also auf den Weg.

      Nachdem ich die Hälfte der Strecke hinter mir gelassen hatte, bemerkte ich wieder dieses Flackern der Augenlider und wie mir heiß und kalt gleichzeitig wurde. Natürlich ließ die Schwärze, die mich vor zwei Tagen schon erschreckte, nicht lange auf sich warten. Sie wechselte sich ständig mit dem verschwommenen Bild ab. Es war unerträglich. Ich überlegte, ob ich umkehren sollte, bevor es noch schlimmer wurde. Dann entschied ich mich dagegen. Ich wollte mir von meinem Körper einfach keinen Hausarrest verordnen lassen.

      Wie immer in solchen Situationen war auf dem ganzen Weg nicht eine Bank, auf der ich mich hätte, kurz hinsetzen und warten können, bis es vorbei ging. Die einzige Sitzgelegenheit, die mir in den Sinn kam, war auf dem Spielplatz, der noch ein ganzes Stück entfernt lag. Der Weg dorthin war so weit, wie der zurück nach Hause. Also versuchte ich, langsam weiter zu gehen. Es gelang mir, trotz der schlechten Sicht, bis zum Laden zu kommen.

      Nachdem ich unseren kleinen Dorfladen betreten hatte, dachte ich, ich würde jeden Moment umkippen. Mein Körper fühlte sich schwach an. Ich war wackelig auf den Beinen und musste mir Mut zureden, den Laden nicht fluchtartig zu verlassen. Ich wollte es einfach ohne peinliche Vorfälle hinter mich bringen.

      Glücklicherweise schaffte ich es, ohne umzukippen. Das hätte mir gerade noch gefehlt, dort vor allen Leuten zusammenzubrechen. Es wäre mir unangenehm gewesen, das Gesprächsthema des Tages in unserem Wohnort zu sein. Im Ort kennt sich zwar nicht jeder, sonst wären wir vor drei Jahren woanders hingezogen, aber irgendein bekanntes Gesicht ist in so einer Situation immer zufällig in der Nähe. Und wenn es nur eine flüchtige Bekanntschaft ist.

      Eigentlich wollte ich noch ein paar andere Kleinigkeiten einkaufen, aber ich entschied mich, nur ein Päckchen Zigaretten mitzunehmen. So lange mochte ich in meiner Verfassung nicht im Laden bleiben.

      Ich stellte mich hinten in die Schlange an der Kasse an. Ausgerechnet an diesem Tag war es brechend voll. Vor mir standen nur ältere Leute, die gerade heute einen Großeinkauf machten. Sie hatten es auch nicht besonders eilig. Am Schlimmsten war für mich, als sie vorhatten passend zu bezahlen, ihr Kleingeld raus suchten und dann bemerkten, sie gingen ohne ihre Brillen aus dem Haus. Ich habe nichts gegen ältere Menschen, wir werden alle alt, aber in dem Moment war ich genervt. Ich wollte nur noch weg, raus aus dem Laden. Mit jeder Sekunde, die ich darauf wartete, endlich dran zu kommen, fühlte ich mich schlechter. Das Gefühl umzukippen wurde immer stärker. Ich atmete tief ein. Das machte es nicht besser. Denn ich nahm Gerüche wahr, die ich früher zwar auch abstoßend gefunden hätte, die in diesem Moment aber zu einem Ohnmachtsgefühl führten. Ich glaubte wirklich, ich würde jede Sekunde ohnmächtig werden. Mein Körper fühlte sich taub an. Ich konnte ihn kaum noch spüren, versuchte dennoch so wenig wie möglich von dieser stinkenden Luft einzuatmen. Es roch nach ekeligem Parfüm, vermischt mit Alkohol und Schweiß. Am liebsten wäre ich jetzt aus dem Laden gerannt, um frische Luft zu bekommen, aber ich wollte unbedingt durchhalten. So schnell konnte ich mich nicht aus der Bahn werfen lassen. Die verminderte Luftzufuhr machte die Situation kaum besser. Im Gegenteil, ich fühlte mich immer schlechter.

      Ich bin zwar kein bisschen gläubig, aber ich betete, dass ich jetzt kurz vor dem Ziel, hier raus zu kommen, niemanden treffen würde, den ich kannte. Das Letzte, worauf ich in dieser Situation Lust hatte, wäre ein sinnloses Schwätzchen. Das hätte ich sicher nicht durchgestanden. Wie sollte ich auch so tun, als wäre alles in Ordnung, wenn ich mich hundsmiserabel fühlte?

      Glück gehabt! Endlich war ich an der Reihe. Es dauerte nicht lange, bis ich mit einer Packung Zigaretten im Schlepptau draußen war und die frische Luft tief in mich hinein sog. Es tat gut, wieder richtig durchatmen zu können. Ich hockte mich hin, lehnte mich an die Wand des Ladens und wartete, bis ich bereit war, nach Hause zu gehen.

      Nach ein paar Minuten ging es mir etwas besser und ich trat den Heimweg an. Der Rückweg verlief ohne irgendwelche Vorkommnisse. Mir ging es einigermaßen gut, wenn da nicht die Angst in meinem Hinterkopf gewesen wäre, mir könnte jederzeit wieder schwarz vor Augen werden.

      Zu Hause angekommen, setzte ich mich auf die Terrasse und überlegte, ob es jetzt klug wäre, eine zu rauchen, nach diesem Ereignis. Ich tat es aber doch, ohne dass sich mein Zustand verschlimmerte. Na ja, so viel schlimmer konnte es kaum werden. Das Augenflimmern war nach wie vor da. Nur, weil die anderen Beschwerden sich gerade versteckten, hieß es nicht zwangsläufig, sie würden auch wegbleiben. Aber die Zigarette führte wenigstens zu keiner Verschlechterung.

      Nachdem ich aufgeraucht hatte, saß ich noch einige Minuten da und dachte darüber nach, ob ich Max von dem Vorfall erzählen sollte. Immerhin waren mir die Erlebnisse der letzten drei Tage unheimlich gewesen und es konnte nicht verkehrt sein, mit jemandem über die Sache zu reden. Andererseits würde Max sich wieder die größten Sorgen machen. Ich beschloss, mich spontan zu entscheiden, wenn Max am Abend nach Hause käme.

      Ich ging zurück an meinen Schreibtisch und arbeitete. Ich bemerkte nicht, wie schnell die Zeit verging. Max stand plötzlich hinter mir. Ich erschrak, als ich ihn sah. Von seiner Ankunft hatte ich nichts mitbekommen. Normalerweise hörte ich ihn, wenn er in unsere Einfahrt bog.

      »Hallo Schatz! Wie war dein Tag?«, fragte ich.

      »Etwas stressig, aber ganz okay. Und wie war es bei dir?«, antwortete er, nachdem wir uns küssten.

      Ich überlegte einen kurzen Augenblick, ob ich ihm von dem Erlebnis beim Einkaufen erzählen sollte, und tat es dann in jeder Einzelheit.

      Nachdem ich mit meinen Ausführungen fertig war, fühlte ich mich zwar besser. Aber Max sah mich total erschrocken und gleichzeitig besorgt an. Im ersten Moment war Max nicht in der Lage etwas zu sagen. In seinem Gesicht konnte ich sehen, wie er nachdachte. Ich bekam ein schlechtes Gewissen, ihm von meinem Tag erzählt zu haben.

      Als Max sich wieder gefangen hatte, meinte er: »Du musst dringend zu einem Arzt. Du könntest natürlich auch zu einem Heilpraktiker gehen. Ich habe gerade beruflich eine ganz nette Heilpraktikerin kennengelernt.«

      »Meinst du, ein Heilpraktiker kann mir helfen?«, fragte ich erstaunt.

      Ich hätte nie im Leben damit gerechnet, dass Max mir so einen Vorschlag unterbreiten könnte. Gerade er. Wir sprachen bisher noch nie über alternative Heilmethoden. Aber bei Max war ich mir fast sicher, er sei kein Fan davon.

      »Wenn du nicht willst, musst du eben zu einem Arzt gehen! Das ist deine Entscheidung!«


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