2145 - Die Verfolgten. Katherina Ushachov

2145 - Die Verfolgten - Katherina Ushachov


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nicht nur un­hand­lich, es muss­te auch zu­nächst mit Hil­fe ei­nes Stir­ling­mo­tors auf die nö­ti­ge Be­trieb­stem­pe­ra­tur her­un­ter­ge­kühlt wer­den, um selbst durch Wän­de hin­durch brauch­ba­re Er­geb­nis­se zu er­zie­len. Er äh­nel­te am ehe­s­ten ei­nem fern­ge­steu­er­ten Kühl­schrank auf Rä­dern.

      Hen­dryk leg­te selbst Hand an. Sein Vor­ge­setz­ter wür­de ihm den Kopf wa­schen, dass er das teu­re Gerät für so ei­ne Lap­pa­lie wie einen ju­gend­li­chen Mu­tan­ten ein­setz­te, aber lie­ber das, als zu ver­sa­gen. Er schal­te­te das Gerät an und rich­te­te es auf das erst­bes­te Haus in sei­ner Sicht­wei­te – ei­nes der zwei­stö­cki­gen Ein­fa­mi­li­en­häu­ser, in de­nen noch Licht brann­te.

      Zehn Mi­nu­ten brauch­te das Gerät, um ein­satz­be­reit zu sein, und Hen­dryk starr­te ner­vös auf das Dis­play an sei­nem UniCom. Hof­fent­lich war er in der Nä­he, der Wär­mes­can­ner wür­de sie bei ei­ner Ver­fol­gung zu sehr be­hin­dern.

      Voll­tref­fer. Das Gerät zeig­te gleich zwei deut­lich un­ter­kühl­te mensch­li­che Sil­hou­et­ten in ei­nem Haus in der Nä­he. Und ei­ne da­von ge­hör­te laut Aus­wer­tungs­mo­dul mut­maß­lich ei­nem männ­li­chen Tee­na­ger.

      Hen­dryk gab die Adres­se ein – und stell­te fest, dass der jun­ge Mann nicht dort ge­mel­det war. Die Frau wohn­te al­lein in dem Haus. Zeit für einen abend­li­chen Be­such. Und da­nach hof­fent­lich Fei­er­abend.

      Er ließ den Scan­ner wie­der her­un­ter­fah­ren und ging vor­aus.

      23. Ariane Faw – Atlanta – 08.07.2145

      Der Jun­ge war wahn­sin­nig. Er hat­te di­gi­ta­le Spu­ren in sol­chem Aus­maß hin­ter­las­sen, dass es ein Wun­der war, wenn die Re­gie­rung ihm noch nicht auf den Fer­sen war. Aria­ne schlug sich die Hand vor die Stirn. So viel Ri­si­ko. Und das al­les nur, um …

      »Ich muss wis­sen, wo ich her­kom­me. Wer mei­ne El­tern sind. Du hast mich als Kind ins Wai­sen­haus ge­bracht.« Er woll­te sich durch die Haa­re fah­ren, spür­te ih­re Kür­ze und zuck­te zu­sam­men.

      »Das ha­be ich.«

      »Dann weißt du, wer sie sind?«

      »Ich …« Sie hat­te die Pf­licht, es ihm zu sa­gen. Aber hat­te sie auch das Recht da­zu? Fa­bri­cia hat­te sorg­sam al­le Spu­ren ver­nich­tet, die zu ihm füh­ren konn­ten und sie hat­te gu­te Grün­de da­für, aber der Jun­ge war oh­ne­hin in Ge­fahr. Das biss­chen In­for­ma­ti­on än­der­te nicht mehr viel. »Ich weiß tat­säch­lich, wer sie sind. Sie ist ei­ne Mu­tan­tin, und er ist …«

      Es war un­na­tür­lich still. Kei­ne Ju­gend­li­chen, die sich trotz Sperr­stun­de vor ih­ren Fens­tern her­um­drück­ten. Kei­ne selbst­fah­ren­den Last­wa­gen. Aber sie war sich si­cher, ein Geräusch durch die Stil­le wahr­zu­neh­men, das nicht hier­her­ge­hör­te. Nur wel­ches?

      Aria­ne spür­te auf ein­mal ei­ne drän­gen­de Un­ru­he. Ir­gen­det­was stimm­te nicht. »War­te.« Sie stand auf und schau­te aus dem Fens­ter. Gera­de recht­zei­tig, um zu se­hen, dass ei­ne Mi­liz­squad auf ihr Haus zu­steu­er­te.

      Das war es al­so, was sie ge­hört hat­te. Den Stech­schritt.

      Sie hat­te kei­ne Ah­nung, wie sie aus­ge­rech­net auf ihr Haus ka­men, aber das spiel­te kei­ne Rol­le. Nun muss­te sie han­deln – wo­zu hat­te sie ei­ne Hin­ter­tür?

      »Avri­el, du musst jetzt fort. Und zwar schnell!«

      »Wa­rum? Was ist denn pas­siert?« Er starr­te sie aus großen Au­gen an. »Ich muss es wis­sen!«

      »Kei­ne Zeit. Du musst hier weg.« Sie woll­te ihn auf kei­nen Fall in Pa­nik ver­set­zen, schei­ter­te je­doch. »Du kannst doch ein Elek­tro­mo­tor­rad steu­ern?«

      »Ähm, schon, ist mit Au­to­pi­lot nicht wei­ter schwie­rig, aber was hat das …«

      »Schön. Dann gehst du jetzt da raus, ich ge­be dir mein Pad in ei­nem Ruck­sack mit. Über­gib es Fa­bri­cia in New Or­leans, sie wird dir al­les er­klä­ren.« Hoff­te Aria­ne zu­min­dest. Wäh­rend sie re­de­te, pack­te sie das Gerät in den Ruck­sack, leg­te ei­ni­ge Kon­ser­ven­do­sen da­zu und schob ihn re­gel­recht aus der Hin­ter­tür.

      Es klopf­te. »Auf­ma­chen! Mu­tan­ten-Raz­zia!«

      »Ich kom­me gleich! Muss mir nur erst was an­zie­hen! Ich ha­be näm­lich nichts an!«

      Avri­el senk­te sei­ne Stim­me. »Und wie soll ich die­se Fa­bri­cia er­ken­nen?«

      »Schwar­ze Haa­re, blaue Au­gen, Zopf. Frag nach ihr, so­bald du da bist.« Aria­nes Hän­de schwitz­ten. Kei­ne Zeit, zu trö­deln. »Du kannst nicht zu lan­ge an ei­nem Ort blei­ben, oh­ne dass man dich fin­det. Und jetzt fahr end­lich, be­eil dich!« Sie schubs­te ihn nach drau­ßen, schloss lei­se die Tür und lehn­te sich da­ge­gen, um zu lau­schen.

      Es dau­er­te nur Se­kun­den – sie hör­te den Kies in ih­rem Hin­ter­hof knir­schen, das Elek­tro­mo­tor­rad selbst gab kei­nen Laut von sich, und wuss­te, dass Avri­el sich auf den Weg nach Süd­wes­ten ge­macht hat­te. Wuss­te er, dass New Or­leans vor Jah­ren schon von der Re­gie­rung auf­ge­ge­ben wor­den war? Oder dass sei­ne Chan­ce, dort auch an­zu­kom­men, eher ge­ring war? Aber wenn er hier­blieb, war sie bei null …

      Es klopf­te er­neut an ih­rer Tür.

      Aria­ne ver­wu­schel­te sich die Haa­re, öff­ne­te ei­ni­ge Knöp­fe an ih­rer Blu­se und klatsch­te sich Was­ser aus der Mi­ne­ral­was­ser­fla­sche auf Ge­sicht und Aus­schnitt. Dann erst mach­te sie auf. Sie sah im Halb­dun­kel hof­fent­lich heiß aus. Vi­el­leicht konn­te sie so wert­vol­le Zeit ge­win­nen – so­lan­ge sie mit ihr be­schäf­tigt wa­ren, wür­den sie nicht nach Avri­el su­chen.

      Ei­ner der Sol­da­ten vor ih­rer Tür sah so­gar di­rekt sym­pa­thisch und ziem­lich un­glück­lich aus, als wür­de er den Job nicht all­zu ger­ne ma­chen.

      »Wie kann ich euch denn hel­fen?« Sie lehn­te sich las­ziv ge­gen den Tür­rah­men.

      »Wir … ähem … al­so …« Ihr Aus­se­hen hat­te ih­nen of­fen­bar die Spra­che ver­schla­gen und nur der trau­ri­ge Sol­dat gab ei­ne Ant­wort. »Wir su­chen nach ei­nem ge­fähr­li­chen Mu­tan­ten. Ha­ben Sie et­was Ver­däch­ti­ges be­merkt? Hat je­mand viel­leicht ver­sucht, in ihr Haus ein­zu­bre­chen? Ich … Vor­hin ha­ben wir zwei Per­so­nen in die­sem Haus fest­ge­stellt, aber jetzt sind nur noch Sie da.« So­fort wur­de er rot, als wür­de er sich schä­men, ei­ne so däm­li­che Fra­ge zu stel­len.

      »Nein, ich ha­be kei­nen ge­fähr­li­chen Mu­tan­ten ge­se­hen.« Sie schmun­zel­te. »Nur mich selbst im Spie­gel, aber ich glau­be nicht, dass ich ge­fähr­lich bin. Wie sieht er denn aus?«

      »Ma­dam, es gab ei­ne Rund­mail des Prä­si­den­ten, Sie müss­ten …«

      Aria­ne fuhr ihm ins Wort. »Dann ho­le ich mein Pad und ru­fe mei­ne Nach­richt ab, das ha­be ich noch nicht ge­tan. Könnt ihr so lan­ge hier war­ten? Dann kann ich euch de­fi­ni­tiv sa­gen, ob ich ihn ge­se­hen ha­be.«

      »Ma­dam, das ist ne­ben­säch­lich, wir wis­sen ge­nau, dass zwei Per­so…«

      »Wollt ihr viel­leicht ei­ne Tas­se Tee oder Kaf­fee?« Aria­ne lä­chel­te im­mer noch.


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