Die Farbe der guten Geister. A. A. Kilgon
vorgeschlagen, was eine wirkliche Chance in sich trug. Tilda wollte keinen Streit mit ihm. Sie wollte nur, dass er sie in Ruhe ließ. Und sie wollte nicht sterben, sich nicht kampflos ergeben und sie wollte auch keine Morphium-Tröpfe. Sie beendete das Gespräch.
Nachdenklich beobachtete sie die blau-weiß gestreifte Markise, die draußen auf dem Balkon im Frühlingswind flatterte und die Sonne, die goldene Streifen auf die Scheiben der großen Terrassentür warf. Waren Krankenhäuser nicht auch nur Firmen, die Gewinne erwirtschafteten mussten, um sich selbst zu erhalten? Wie war es da eigentlich um die Ehrlichkeit bei den Behandlungs- Angeboten bestellt? Wie neutral konnte so eine Klinik beraten, wenn eine Therapie -zigtausend Euro kostete und ein Teil davon als Gewinn blieb? Wie viele Krebspatienten brauchte eine Klinik im Jahr, um ihren Status als Therapiezentrum aufrecht zu erhalten? Wenn der Arzt seinen Patienten hinterher telefonierte und ihn zu etwas überreden wollte, dann war das nach Tildas Empfinden schon sehr merkwürdig. Es war ihr unheimlich. Egal welche Beweggründe Dr. Schnitzer in Wahrheit hatte. Sie würde nichts tun, was sie später vielleicht bereuen würde.
In diesem Durcheinander von Ratlosigkeit und Hoffnung, zwischen Hilflosigkeit, Übelkeit, Schwäche und Einsamkeit war Tilda eines jedoch nach diesem Abend mit Conny ganz klar geworden: Sie wollte unter allen Umständen der Korken sein. Sie wollte auf dem reißenden Fluss des Lebens in der Mitte und an der Oberfläche bleiben. Sie wollte weiter schwimmen, weiter, immer weiter. Sie wollte nicht vor der Zeit zugrunde gehen.
Was sie wollte war ihre Reise nach Amerika. Sie wollte zu ihrer Schwester, zu ihrem Schwager Sam und zu den Kindern. Sie hatte zwar noch überhaupt keinen Plan, wie sie das anstellen sollte, aber sie würde dort schon etwas finden, was sie am Leben hielt. Irgendetwas würde ihr schon einfallen. Es war notwendig, also war es möglich. Tilda war sich sicher, dass sie nichts mehr brauchte, als innere Einkehr, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Obwohl sie sich in höchstem Maße verunsichert fühlte, war sie doch zum gleichen Zeitpunkt auch voller innerer Zuversicht, dass sie es schaffen würde. Sie würde nicht sterben! Genau das war es, was sie für sich entschieden hatte, was sie tief in sich fühlte.
Ein alles überlagerndes, großartiges Gefühl der Dankbarkeit, eine Mischung aus Zuversicht und innerem Frieden erhellte Tilda wie ein inneres Licht, als sie an diesem Abend ins Bett ging und ihre Decke über sich zog. Sie lag vollkommen still in der Geborgenheit des dunklen Raumes. Aus dem Wohnzimmer drangen die Geräusche des Fernsehers. Ludwig sah sich irgendeinen Krimi an. Er war ein Meister der Ablenkung und doch konnte Tilda ihn ein wenig verstehen. Während sie so im Dunkeln lag, lauschte sie still in sich hinein. Da war eine große Schwäche ich ihr, aber sie fühlte sich trotzdem nicht schlecht. Als ihre Augen sich nach ein paar Minuten an das Dunkel des Raumes gewöhnt hatten glitt ihr Blick über die Konturen der Möbel, deren Silhouetten sich würdevoll und stumm im Dunkel des Raumes abzeichneten. Ihre Augen wanderten weiter über das Glas der großen Fensterscheiben, die gen Westen hinausgingen. Draußen hatte es zu regnen begonnen. Der Himmel weinte. Am dunklen Glas sah sie, wie die Silberfäden des Regens hinabglitten, sich immer wieder erneuerten und weiterflossen. Tropfen wie Silberperlen bildeten sich und wurden abwärts gezogen wie von einer unsichtbaren Kraft. Sie stellte sich vor, dass sie wie ein Korken im brodelnden Fluss ihrer Krankheit davon schwamm. Weiter und weiter zog sie der Fluss, immer weiter weg aus der Gefahrenzone. Um sie herum gurgelte das vom Regen aufgepeitschte Wasser. Wer hatte sie eigentlich gefragt, was sie selbst wollte? Und war es nicht vollkommen egal, wie reißend der Fluss war? Korken gingen niemals unter, denn Korken schwammen. Es würde einen Weg geben. Es gab immer einen Weg. Es war notwendig, also war es möglich.
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