Die zweite Frau. Eugenie Marlitt

Die zweite Frau - Eugenie Marlitt


Скачать книгу
bei den Damen, die wie die Lämmer vor dir zittern, bei mir aber nicht.« Er steckte die Hände in die Seitentaschen seines leichten Ueberziehers, zog die Schultern in die Höhe und begann verschmitzt lächelnd: »Es war einmal eine wunderschöne, aber arme Prinzessin und ein glänzender, junger Kavalier. Die beiden liebten sich, und die Prinzessin wollte die Durchlaucht an den Nagel hängen und eine Frau Baronin werden –« einen Moment hielt er inne, und sein schelmischer Seitenblick streifte den Begleiter; er sah aber nicht, wie der schöne Mann erblaßte, wie er mit zusammengebissenen Zähnen so glühend in das Dickicht starrte, als solle das junge Laub versengen. Er fuhr harmlos fort: »Da kam der Vetter der Prinzessin, der Regierende, und begehrte ihre schöne Hand. Die schönen, schwarzen Augen vergossen bittere Thränen, schließlich siegte aber doch das stolze Fürstenblut über die Liebesleidenschaft, und die Prinzessin ließ es geschehen, daß man ihr die Herzogskrone auf die prächtigen, dunklen Locken setzte ... Hand aufs Herz, Mainau,« unterbrach er sich lebhaft, »wer mochte ihr das damals verdenken? Höchstens die Sentimentalen!«

      Mainau legte die Hand nicht aufs Herz, er erwiderte auch nichts – zornig knickte er einen jungen Zweig ab, der so keck gewesen war, seine Wange zu berühren, und schleuderte ihn von sich.

      »Wie mag ihr heute das Herz klopfen!« sagte Rüdiger nach einer kurzen Pause – er wollte sichtlich das interessante Thema um keinen Preis fallen lassen. »Die Witwentrauer ist zu Ende; dem Fürstenstolz ist genügt für alle Zeiten, denn die Herzogin ist und bleibt die Mutter des Regierenden – du bist auch deiner Ehefesseln ledig. Alles fügt sich wundervoll ... und jetzt willst du mir weismachen – na wer's glaubt! ... Wir wissen, was sich heute ereignen wird –«

      »Schlauköpfe, die ihr seid!« sagte Baron Mainau mit verstellter Bewunderung. Bei diesen Worten traten sie hinaus auf den freien Platz, wo die Wagen standen. Sie gerieten zwischen das Menschengetümmel und hielten sich deshalb mehr auf dem schmalen Uferweg.

      »He, Bursche, bist du toll?« rief Mainau plötzlich und nahm einen halbwüchsigen, kräftigen Betteljungen, der in höchst gefährlicher Position auf einem über dem Wasserspiegel schwankenden Ast schaukelte, beim Kragen; er schüttelte ihn einigemal tüchtig wie einen nassen Pudel und stellte ihn auf die Füße. »Eine kleine Wäsche könnte deinem Pelz nicht schaden, mein Junge,« lachte er und klopfte seine sauber behandschuhten Hände gegeneinander, »ich bezweifle aber, daß du schwimmen kannst.«

      »Pfui, er war sehr schmutzig, der Bengel!« sagte Rüdiger sich schüttelnd.

      »Das war er. Ich kann dich auch versichern, daß ich mich auf dergleichen Berührungen durchaus nicht kapriziere – das sind so rasche, plebejische Sünden der Hand, um welche die Seele nicht weiß. – Ja, da hast du's nun wieder – wir haben noch manchen Schritt bis zu jenem erhabenen Moment, wo auch unsere Körpermasse so aristokratisch durchdrungen ist, daß ihr ein solcher Mißgriff unmöglich wird – wie? Meinst du nicht?«

      Rüdiger wandte sich ärgerlich ab; er beschleunigte aber auch zugleich seine Schritte. »Deine Heldenthat ist drüben auf dem Maienfest gesehen worden,« sagte er hastig. »Vorwärts, Mainau! Die Herzogin verläßt ihren Platz ... Und da kommt auch schon dein wilder Junge!«

      Der kleine Leo umrannte den Teich und lief stürmisch auf den Papa zu. Baron Mainau bog sich einen Augenblick liebkosend über sein Kind und nahm weiterschreitend die kleine Hand in seine Linke.

      Während man auf dem Maienfest weiterspielte, kam die Herzogin, von mehreren Herren und Damen des Hofes begleitet, langsam wandelnd daher ... Sie hatte auch den schwebenden Gang, die unnachahmlich graziöse Geschmeidigkeit der Kreolin ... Ja, die schwere, düstere Witwentracht war abgestreift, wie die häßliche Puppe von dem hellbeschwingten Schmetterling. Dem Anstand, der Konvenienz war genügt worden bis auf die äußersten Anforderungen – nun endlich durfte auch das Glück kommen, nun durften die Flammen der Leidenschaft rückhaltlos aus den Augen brechen, wie in diesem Moment.

      »Ich muß schelten, Baron Mainau,« sagte sie mit etwas unsicherer Stimme. »Sie haben mich eben sehr erschreckt durch Ihre rettende That und dann – kommen Sie doch allzu spät.«

      Er hielt den Hut in der Rechten und verbeugte sich tief. Der Sonnenschein spielte über den braungelockten, rätselvollen Kopf hin, vor welchem die Damen »wie die Lämmer« zitterten.

      »Ich würde mit Freund Rüdiger versichern, daß ich sehr unglücklich sei,« versetzte er, »allein Eure Hoheit werden mir das sicher nicht mehr glauben, wenn ich sage, wo ich mich verspätet habe.«

      Die Herzogin richtete ihre Augen groß und befremdet auf sein Gesicht – es war ein wenig bleich geworden, aber sein Blick, dieser selten zu ergründende Blick funkelte ihr in einer Art von wildem Triumph entgegen. Ihre Hand fuhr unwillkürlich nach dem Herzen – die kleine, blasse Rose im Gürtel knickte ab und fiel unbemerkt zu den Füßen des schönen Mannes.

      Er wartete umsonst auf eine Frage der fürstlichen Frau – sie schwieg, wie es schien, in atemloser Erwartung. Mit einem ehrerbietigen Kopfneigen fuhr er nach einer augenblicklichen Pause fort: »Ich war in Rudisdorf bei meiner Tante Trachenberg und erlaube mir, Euer Hoheit anzuzeigen, daß ich mich daselbst mit Juliane Gräfin Trachenberg verlobt habe.«

      Die Umgebung stand wie versteinert – wer von ihnen hätte den Mut finden können, dieses momentane furchtbare Schweigen mit einem Laute zu unterbrechen, oder gar einen indiskreten Blick auf das Antlitz der Herzogin zu werfen, die entgeistert die blutlosen Lippen aufeinanderpreßte? ... Nur ihre Nichte, die junge Prinzessin Helene, lachte unbefangen und mutwillig auf. »Welche Idee, Baron Mainau, eine Frau zu heiraten, die Juliane heißt! ... Juliane! ... Puh – eine Urgroßmutter, mit der Brille auf der Nase!«

      Er stimmte ein in das heitere Lachen – wie klang das melodisch und harmlos! ... Das war die Rettung! Die Herzogin lächelte auch mit todesblassen Lippen. Sie sagte dem Bräutigam einige Worte mit so viel Ruhe und vornehmer Haltung, wie nur je eine Souveränin einen Untergebenen beglückwünscht hat.

      »Meine Damen,« wandte sie sich darauf leicht und ungezwungen an eine Gruppe junger Mädchen, »ich bedaure, Ihren reizenden Schmuck ablegen zu müssen – der Kranz drückt mich an den Schläfen. Ich muß mich für einen Augenblick zurückziehen, um die Blumen zu entfernen ... Auf Wiedersehen beim Diner!«

      Sie wies die Begleitung der Hofdame zurück, welche ihr behilflich sein wollte, und trat in ein Haus, dessen Thür sie hinter sich schloß.

      Lilienweiß war ja ihr Gesicht zu allen Zeiten, und die berühmt schönen Augen hatten so oft jenen heißen Glanz, der an das fiebernde Blut des Südländers denken läßt – sie hatte wie immer gütig lächelnd und grüßend gewinkt und war wie eine schwebende Fee hinter der Thür verschwunden ... Niemand sah, daß sie drinnen sofort wie eine vom Sturm niedergerissene Tanne auf den teppichbelegten Boden hinschlug, daß sie, wahnwitzig auflachend, den Kranz aus dem Haare riß und in wildem thränenlosen Schmerz die feinen Nägel in die seidene Wanddraperie krallte ... Und dazu nur eine kurze, streng zugemessene Spanne Zeit, um die Qual austoben zu lassen – dann mußten diese verzerrten Lippen wieder lächeln und alle die Hofschranzen draußen glauben machen, daß das kochende Blut friedlich und leidenschaftslos in den Adern kreise.

      Währenddem stand Baron Mainau, seinen Knaben an der Hand, am Ufer und beobachtete, scheinbar amüsiert, den Tumult bei der Wagenburg. Man hatte ihn beglückwünscht; aber es war wie eine Lähmung über die gesamte Hofgesellschaft gekommen – er sah sich sehr rasch allein. Da stand plötzlich Rüdiger an seiner Seite.

      »Eine furchtbare Rache! Eine eklatante Revanche!« murmelte der Kleine – in seiner Stimme bebte noch eine Schwingung des Schreckens. »Brr – ich sage mit Gretchen: ›Heinrich, mir graut vor dir!‹ ... Gott steh' mir bei! Sah man je einen Menschen, der seinem gekränkten Mannesstolze so grausam, so raffiniert, so unversöhnlich ein Opfer hinschlachtete, wie du eben gethan? ... Du bist tollkühn, entsetzlich –«

      »Weil ich in nicht ganz gewöhnlicher Form, zur geeigneten Zeit erklärt habe: ›Nun will ich nicht?‹ ... Glaubt ihr, ich werde mich heiraten lassen?«

      Der kleine Bewegliche sah ihn eingeschüchtert von der Seite an – dieser sonst so formvollendete


Скачать книгу