Professor Bernhardi. Arthur Schnitzler

Professor Bernhardi - Arthur Schnitzler


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Sache halte, und war so frei, von einem an mich gelangten Brief des Professor Hell aus Graz Mitteilung zu machen, der bereit wäre –

      TUGENDVETTER. So. Mir hat er auch schon geschrieben.

      BERNHARDI. Na, er scheint ja ein ganz rühriger Herr zu sein.

      TUGENDVETTER mit kurzem Blick auf Ebenwald. Du, Bernhardi, mit Hell würde euer Institut eine famose Akquisition machen.

      BERNHARDI. Da scheint er sich ja in Graz glänzend entwickelt zu haben. Solang er in Wien war, hat man ihn für einen recht unfähigen Patron gehalten.

      TUGENDVETTER. Wer?

      BERNHARDI. Du zum Beispiel. Und wir wissen doch alle, wem er die seinerzeitige Berufung nach Graz verdankt hat. Nur gewissen Einflüssen von oben.

      EBENWALD. Es ist ja schließlich auch keine Schand, wenn einer einen Prinzen gesund gemacht hat.

      BERNHARDI. Ich nehm's ihm auch nicht übel. Aber die ganze Karriere sollte nicht von solch einem Einzelfall abhängen. Und seine wissenschaftlichen Leistungen –

      TUGENDVETTER. Entschuldige, auf dem Gebiet dürfte ich doch besser orientiert sein. Er hat einige vorzügliche Arbeiten veröffentlicht.

      BERNHARDI. Mag sein. Jedenfalls entnehme ich aus dem allen, daß du selbst für deine Nachfolge lieber Hell in Vorschlag brächtest, als deinen Assistenten und Schüler Wenger.

      TUGENDVETTER. Wenger ist zu jung. Ich bin überzeugt, er selber denkt nicht daran.

      BERNHARDI. Da hätte er unrecht. Seine letzte Serumarbeit macht allgemeines Aufsehen.

      EBENWALD. Sensation, Herr Direktor. Das ist nicht dasselbe.

      TUGENDVETTER. Er hat Talent. Gewiß hat er Talent. Aber was die Verläßlichkeit seiner Experimente anbelangt –

      EBENWALD einfach. Es gibt Leute, die ihn – sagen wir für einen Phantasten halten.

      TUGENDVETTER. Das geht zu weit. Übrigens kann ich niemanden hindern, seine Kandidatur anzumelden. Weder Hell noch Wenger.

      BERNHARDI. Aber, ich mache dich aufmerksam, für einen von beiden wirst du dich entscheiden müssen.

      TUGENDVETTER. Von mir hängt es doch nicht ab? Ich ernenne doch nicht meinen Nachfolger.

      BERNHARDI. Aber du wirst dich an der Abstimmung beteiligen. Das Schicksal deiner einstigen Abteilung und unseres Institutes wird dich hoffentlich noch so weit interessieren.

      TUGENDVETTER. Das will ich glauben. Das war wirklich nicht schlecht. Wir haben es doch gegründet, das Elisabethinum, Zu Ebenwald. Bernhardi, ich und Cyprian. Es ritten drei Reiter zum Tore hinaus, – wie? Wie lang ist es jetzt her?

      BERNHARDI. Fünfzehn Jahre sind es, lieber Tugendvetter.

      TUGENDVETTER. Fünfzehn Jahre, eine schöne Zeit. Beim Himmel, leicht wird es mir nicht werden. Du, Bernhardi, ließe es sich nicht vielleicht machen für den Anfang, daß ich zugleich hier und im allgemeinen Krankenhaus –

      BERNHARDI bestimmt. Absolut nicht. An dem Tag, wo du drüben deine Stelle antrittst, werde ich selbstverständlich deinen bisherigen Assistenten mit der Supplierung betrauen.

      EBENWALD. Dann werde ich aber bitten, die Beratung über die definitive Neubesetzung in den allernächsten Tagen anzuberaumen.

      BERNHARDI. Weshalb, wenn ich fragen darf? Das sähe ja beinahe aus, als wollten wir Wenger geradezu verhindern, durch ein paar Monate hindurch seine Lehrfähigkeit zu erproben.

      EBENWALD. Ich bezweifle, daß das Elisabethinum als Vortragsschule für junge Dozenten gegründet worden ist.

      BERNHARDI. Wollen Sie alles weitere getrost mir überlassen, Herr Kollega Ebenwald. Sie werden ja zugeben, daß bisher in unserm Institut noch nichts überflüssig aufgeschoben, aber auch noch nichts leichtfertig überstürzt worden ist.

      EBENWALD. Die Insinuation, als wäre vielleicht von meiner Seite zu Überstürzung oder gar zu leichtfertiger Überstürzung aufgefordert worden, gestatte ich mir als unzutreffend zurückzuweisen.

      BERNHARDI lächelnd. Ich nehme es zur Kenntnis.

      EBENWALD auf die Uhr sehend. Muß auf meine Abteilung. Habe die Ehre, meine Herren.

      BERNHARDI. Ich muß ja auch endlich in die Kanzlei. Läßt Ebenwald den Vortritt. Bitte sehr, Herr Kollega, Ihre Hörer warten schon.

      TUGENDVETTER. Ich sei, gewährt mir die Bitte – wie?

      EBENWALD trifft in der Türe mit dem Dozenten Adler zusammen. Habe die Ehre. Ab.

      Dr. Adler kommt, klein, schwarz, frisch, lebhaft, glühende Augen, Schmiß, etwa dreißig Jahre alt, in weißem Seziermantel. Bernhardi, Tugendvetter.

      ADLER. Habe die Ehre.

      BERNHARDI. Was führt Sie in das Bereich der Lebendigen, Doktor Adler?

      ADLER. Ich wollte wegen Ihres Falles noch in der Krankengeschichte etwas nachsehen, Herr Direktor.

      BERNHARDI. Steht Ihnen alles zur Verfügung.

      ADLER. Schade übrigens, Herr Direktor, daß Sie jetzt nicht unten waren. Ein Fall von der Abteilung Cyprian. Denken Sie, abgesehen von der Tabes, die diagnostiziert war, ein beginnender Tumor im Kleinhirn, der gar keine Erscheinungen gemacht haben soll.

      BERNHARDI. Nein, wenn man denkt, daß manche Leute sozusagen gar nicht dazu kommen, alle ihre Krankheiten zu erleben, man möchte an der Vorsehung irre werden.

      OSKAR am dem Krankensaal zu Tugendvetter. Habe die Ehre, Herr Professor.

      TUGENDVETTER. Servus, Oskar. Habe schon gehört, Tonkünstler. »Rasche Pulse«. Widmungswalzer.

      OSKAR. Aber ich bitte Sie, Herr Professor –

      BERNHARDI. Was, du hast schon wieder was komponiert, und ich weiß gar nichts davon? Zieht ihn scherzend am Ohr. Na, kommst du mit?

      OSKAR. Ja. Ich geh ins Laboratorium.

      TUGENDVETTER. Väter und Söhne – wie?

      Tugendvetter, Bernhardi und Oskar ab. Hochroitzpointner aus dem Krankensaal. Adler, Hochroitzpointner.

      HOCHROITZPOINTNER. Habe die Ehre, Herr Dozent.

      ADLER. Servus, Herr Kollega. Ich möcht Sie bitten, ob ich nicht noch einen Blick in die Krankengeschichte machen könnt.

      HOCHROITZPOINTNER. Bitte sehr, Herr Dozent.

      Er nimmt das Blatt aus einer Mappe.

      ADLER. Danke sehr, lieber Doktor Hochroitz – wie? –

      HOCHROITZPOINTNER. Hochroitzpointner.

      ADLER setzt sich an den Tisch. Einen Namen haben Sie.

      HOCHROITZPOINTNER. Vielleicht nicht schön?

      ADLER über der Krankengeschichte. Aber prachtvoll. Man denkt gleich an Bergesgipfel, Gletschertouren. Sie sind ja aus Tirol, Herr Doktor, nicht wahr?

      HOCHROITZPOINTNER. Jawohl. Aus Imst.

      ADLER. Ah, aus Imst. Von dort aus hab ich als Student eine wunderschöne Tour gemacht. Auf den Wetterfernkogel.

      HOCHROITZPOINTNER. Da haben s' im vorigen Jahr eine Hütten hinaufgebaut.

      ADLER. Überall bauen sie jetzt schon Hütten Wieder über der Krankengeschichte. Die ganze Zeit kein Albumen?

      HOCHROITZPOINTNER. Absolut nicht. Es ist täglich untersucht worden.

      KURT ist aus dem Krankenzimmer gekommen. Die letzten Tage ist Albumen aufgetreten. Sogar in beträchtlichen Mengen.

      HOCHROITZPOINTNER. Jawohl, in den letzten drei Tagen allerdings.

      ADLER. Aha, da steht es ja.

      HOCHROITZPOINTNER. Natürlich, es steht ja drin.

      ADLER zu Kurt. Wie geht's denn dem Herrn Papa?


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