Die Füchsin. Ursula Tintelnot
hinaus in den Regen.
Adam backt den letzten Pfannkuchen, schiebt die Pfanne von der heißen Platte und holt den Teller mit dem Stapel Pfannkuchen aus dem Backofen. Er nimmt ein Glas Honig, drei Teller und Besteck und trägt alles an den Tisch.
Christina setzt sich und schenkt sich zum x-ten Mal Wein nach. Seinen Wein hat sie auch getrunken. Sie kichert und wirkt ziemlich beschwipst. »Pfannkuchen«, sagt sie, »habe ich zuletzt gegessen, als ich sechs Jahre alt war.«
In seine Gedanken schiebt sich die Frau ohne Namen. Wo mag sie gerade sein, die Füchsin? Wann hat sie zuletzt Pfannkuchen gegessen? Wenn er doch wenigstens ihren Namen wüsste.
»Hörst du mir überhaupt zu?«
Er sieht Christina an. »Entschuldige, ich war in Gedanken bei dem Tag morgen«, lügt er. »Was hast du gesagt?«
»Bei diesem Wetter kann ich nicht fahren. Ich werde hier übernachten müssen.«
»Ja, natürlich. Ich habe genügend Platz. Du darfst dir ein Zimmer aussuchen.«
Er sieht ihr an, dass sie diese Antwort nicht erwartet hat.
»Aber, Liebling, ich kann doch bei dir schlafen. Ich will dich, Adam, ich will dich wiederhaben. Lass uns nochmal von vorne anfangen.«
Sie ist anziehend und bildhübsch, aber Adam spürt, dass ihr Zauber ihn nicht mehr erreicht. Sie hat sich von ihm getrennt, nicht zuletzt wegen Ben. Als seine Schwester starb und er Christina erklärte, dass er den Jungen zu sich nehmen würde, hatte sie keine Begeisterung gezeigt.
»Bitte, lass mich bei dir bleiben.«
Er möchte, dass sie aufhört, ihn anzubetteln. Er möchte nicht, dass sie sich weiter demütigt.
»Lass gut sein, Christina. Der Platz neben mir ist nicht mehr frei.«
Für einen Moment ist sie fassungslos. »Wer …?«, fragt sie. »Ist es dieses Mädchen?«
»Hannah, meinst du? Nein, nicht Hannah. Lass uns nachher reden. Ich bringe jetzt diesen jungen Mann ins Bett.«
Adam spürt ihren Blick. Er steht auf, nimmt Ben auf den Arm und verlässt die Küche. Seine Gedanken sind nicht bei dem Bilderbuch, das er sich mit Ben ansieht. Gute Nacht, Gorilla, die abendliche Bettlektüre.
Du hättest Christina nicht kommen lassen dürfen, denkt er. Er hat eine Hoffnung in ihr geweckt, die er nicht erfüllen will. Adam streicht Ben über die Haare. Du bist so tapfer, mein Kleiner.
»Gorilla schläft«, sagt Ben und deutet auf sein Bilderbuch.
»Ja«, sagt Adam, »und Ben schläft jetzt auch.«
Christina steht am Fenster. Sie dreht sich zu ihm um, als er die Küche betritt. »Also wer ist es?«
Jetzt schenkt Adam sich ein Glas Wein ein. Christina hat eine zweite Flasche geöffnet. Er will sie nicht verletzen, aber er muss ihr klar machen, dass er sich um seine anderen Lebensumstände und, noch wichtiger, um Ben kümmern muss.
»Ich will keine Beziehung, Christina, es hat nichts mit dir zu tun.« Adam nimmt einen Schluck Wein und stellt das Glas auf den Tisch. »Ich will den Hof erhalten …«
»Aber das kannst du doch auch, wenn wir zusammen sind.« Ihre Zunge gehorcht ihr schon eine Weile nicht mehr. »Du hast doch keine Ahnung von Kindererziehung, der Junge ist sicher in einem guten Kinderheim besser aufgehoben als auf einem schmutzigen Apfelhof.«
Sie sieht ihn so flehend an, dass er sich für sie schämt. Das hat sie nicht nötig, verdammt noch mal! Sie macht es ihm wirklich schwer. Wenn sie wieder nüchtern ist, wird sie sich selbst und ihn hassen. Genau das, was er vermeiden will. Adam fragt sich verzweifelt, wie er sie in ein Bett kriegen soll, das nicht sein eigenes ist. Inzwischen ist sie ziemlich hinüber. Er hofft, dass sie morgen nichts mehr von dem weiß, was sie heute Nacht gesagt hat.
»Komm, ich zeig dir, wo du schlafen kannst.« Adam trägt sie ins Zimmer seiner Schwester. Christina ist schwerer, als er vermutet hat.
Willig, wie ein kleines Mädchen, hebt sie die Arme, als er ihr das Kleid über den Kopf zieht.
»Komm ins Bett«, flüstert sie und schlingt die Arme um seinen Nacken.
8 Juli
Valerie wird vom Telefon geweckt.
»Was haben Sie sich denn dabei gedacht?« Bruno legt sofort los: »Müssen Sie denn alles ins Lächerliche ziehen?«
Einen Moment lang herrscht Stille im Äther.
»Hören Sie mich, Valerie?«
»Ich höre Sie sehr gut, Bruno, Sie sind ja laut genug.«
Sie zieht das Laken vom Körper und schwingt die Beine aus dem Bett. Während sie aufsteht, stellt sie den Lautsprecher an und tapst schlaftrunken ins Bad.
Sie hat nichts anderes erwartet. Bruno, der Herausgeber der Zeitschrift Herz und Hirn hat Probleme mit ihrem Stil. Zu männlich, zu zynisch. Und wären seine Mitarbeiter nicht so vehement für alles, was sie schreibt, hätte sie keine Chance. Auch die Leserbriefe, die auf seinem Schreibtisch landen, sprechen dafür, sie weiter zu beschäftigen. Der Redakteur in ihm muss sie beschäftigen, der Privatmann Bruno lehnt sie ab. Ein Dilemma. Sie lächelt sich im Spiegel über dem Waschbecken zu.
»Bruno, wenn Sie den Artikel nicht bringen wollen, ich finde eine andere Redaktion.«
»Sie könnten ihn umschreiben. Etwas weniger Gehirn, etwas weniger Zynismus, etwas mehr Gefühl, Sie sind doch eine Frau.«
Valerie stöhnt. Jedesmal, also im Drei-Monats-Takt, dieselbe Diskussion.
»Was meinen Sie mit: Sie sind doch eine Frau?«
Sie sieht förmlich, wie er sich die Haare rauft.
»Als Frau müssten Sie doch, ich meine, also …«
»Sanfter sein?«, hilft sie ihm auf die Sprünge.
»Ja, genau, Sie schreiben wie ein Mann.«
Sie hält kurz die Luft an. Oh nein, nicht die Nummer.
»Und Sie meinen, wenn ich ein Mann wäre, dürfte ich so schreiben, als Frau jedoch nicht?«
Sie hat ihn. Er ist sprachlos.
»Nein«, stottert er. »Ich meine ja nur, dass Sie etwas weniger zynisch …, meine Frau …«
Sie kennt Mira, seine Frau. Sie kann sich nicht gegen ihn durchsetzen, scheut Auseinandersetzungen, ist aber begeistert, wenn jemand anderes Bruno Paroli bietet. Bruno fürchtet, dass ihre Artikel sein schönes Weltbild von zarten Frauen ins Wanken bringt. Und er fürchtet, nicht ganz zu Unrecht, dass Mira von ihren Ansichten angetan ist, ja, dass seine gehorsame Frau Valeries Ansichten inzwischen