Die Dämonen. Fjodor Dostojewski

Die Dämonen - Fjodor Dostojewski


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Närrin, nicht fügt. Um dieses Vetters willen ist es da beinah zum Krach gekommen.«

      »Und dabei ist er ja mit Lisaweta Nikolajewna eigentlich gar nicht einmal verwandt ... Hat er denn Absichten?«

      »Sehen Sie, er ist ein junger Offizier, sehr schweigsam und sogar bescheiden. Ich bemühe mich immer, gerecht zu sein. Mir scheint, daß er selbst gegen diese ganze Intrige ist und keine Wünsche nach dieser Richtung hat, und daß nur die Lembke schlau manövriert. Er achtete Nikolai sehr. Sie verstehen: die ganze Sache hängt von Lisa ab; aber als ich abreiste, war ihr Verhältnis zu Nikolai das allerbeste, und Nikolai selbst hat mir versprochen, jedenfalls im November zu uns zu kommen. Also es intrigiert da einzig und allein die Lembke, und Praskowja ist einfach blind. Auf einmal sagte sie zu mir, mein ganzer Verdacht sei nur eine Einbildung; ich antwortete ihr ins Gesicht, sie sei eine Närrin. Ich bin bereit, das beim Jüngsten Gericht zu erhärten. Und wenn mich nicht Nikolai gebeten hätte, es vorläufig zu unterlassen, so wäre ich von da nicht weggefahren, ohne dieses falsche Weib entlarvt zu haben. Sie hat sich durch Nikolais Vermittlung beim Grafen K*** eingeschmeichelt; sie hat Mutter und Sohn veruneinigen wollen. Aber Lisa ist auf unserer Seite, und mit Praskowja bin ich zu einer Einigung gelangt. Wissen Sie, daß Karmasinow mit der Lembke verwandt ist?«

      »Wie? Der ist mit Frau v. Lembke verwandt?«

      »Allerdings. Entfernt verwandt.«

      »Karmasinow, der Novellist?«

      »Nun ja, der Schriftsteller; was ist Ihnen dabei verwunderlich? Er selbst hält sich freilich für ein großes Tier. Ein aufgeblasener Patron! Sie wird mit ihm zusammen herkommen; jetzt brüstet sie sich dort mit ihm. Sie beabsichtigt, hier etwas einzuführen, so eine Art von literarischem Kränzchen. Er wird auf einen Monat herkommen; er will hier sein letztes Gut verkaufen. Ich wäre in der Schweiz beinahe mit ihm zusammengetroffen, was mir sehr wenig erwünscht gewesen wäre. Übrigens hoffe ich, daß er mir hier die Ehre erweisen wird, mich wiederzuerkennen. In alter Zeit hat er Briefe an mich geschrieben und in meinem Hause verkehrt. Es wäre mir lieb, wenn Sie sich besser kleideten, Stepan Trofimowitsch; Sie werden mit jedem Tage schlumpiger. Ach, was habe ich mit Ihnen für Quälerei! Was lesen Sie denn jetzt?«

      »Ich ... ich ...«

      »Ich verstehe schon. Bei Ihnen ist alles wie früher: der Verkehr mit den Freunden, das Trinken, der Klub und die Karten, und der Ruf eines Atheisten. Dieser Ruf gefällt mir nicht, Stepan Trofimowitsch. Ich mag nicht, daß man Sie einen Atheisten nennt; besonders jetzt mag ich das nicht. Ich habe es auch früher nicht gemocht, weil das ja doch mit dem Atheismus alles nur leeres Gerede ist. Das muß ich Ihnen endlich einmal sagen.«

      »Mais, ma chère ...«

      »Hören Sie, Stepan Trofimowitsch, in allen gelehrten Dingen bin ich natürlich Ihnen gegenüber arg unwissend; aber während der Herreise habe ich viel an Sie gedacht. Ich bin zu einer Überzeugung gelangt.«

      »Zu welcher denn?«

      »Zu der Überzeugung, daß wir beide, Sie und ich, nicht die klügsten Menschen auf der Welt sind, sondern daß es noch klügere gibt als wir.«

      »Geistreich und treffend! Es gibt klügere Leute; das heißt, es gibt Leute, die das Richtige besser erkennen als wir; also können wir uns irren, nicht wahr? Mais, ma bonne amie, gesetzt auch, ich irre mich, so habe ich doch mein allgemein menschliches, dauerndes, höchstes Recht, frei nach meinem Gewissen zu handeln. Ich habe das Recht, wenn ich will, kein Frömmler und kein Fanatiker zu sein, und aus diesem Grunde werden mich naturgemäß verschiedene Herren bis zum Ende aller Dinge hassen. Et puis, comme on trouve toujours plus de moines que de raison, und da ich völlig dieser Meinung bin..«

      »Wie war das? Was haben Sie gesagt?«

      »Ich sagte: on trouve toujours plus de moines que de raison, und da ich völlig ...«

      »Das rührt gewiß nicht von Ihnen her; das haben Sie gewiß irgendwoher entlehnt?«

      »Das hat Pascal gesagt.«

      »Das habe ich mir doch gedacht, daß es nicht von Ihnen herrührte! Warum reden Sie selbst nie in dieser Weise, so kurz und treffend, sondern ziehen alles immer so in die Länge? Dieser Ausspruch ist weit besser, als was Sie vorhin über den Beamtenkoller sagten ...«

      »Ma foi, chère ... warum ich nicht in dieser Weise rede? Erstens deswegen, weil ich wahrscheinlich kein Pascal bin, et puis ... zweitens, weil wir Russen nichts in unserer Sprache auszudrücken verstehen ... Wenigstens haben wir es bisher nicht verstanden ...«

      »Hm! Das ist vielleicht doch nicht richtig. Mindestens sollten Sie sich eine Anzahl solcher Sentenzen aufschreiben und sie vorbringen, wissen Sie, falls das Gespräch einen solchen Gang nimmt ... Ach, Stepan Trofimowitsch, ich beabsichtigte, mit Ihnen ernstlich zu reden, sehr ernstlich.«

      »Chère, chère amie!«

      »Jetzt, wo alle diese Lembkes, alle diese Karmasinows herkommen ... O Gott, wie sind Sie heruntergekommen! Ach, was habe ich mit Ihnen für Quälerei! ... Ich möchte, daß diese Leute Hochachtung vor Ihnen empfänden, weil sie nicht soviel wert sind wie Ihr Finger, wie Ihr kleiner Finger; aber wie halten Sie sich? Was werden diese Leute zu sehen bekommen? Was kann ich ihnen präsentieren? Statt in wohlanständiger Weise als ein Zeuge für das Gute und Rechte dazustehen und mit Ihrer eigenen Person ein Muster zu geben, statt dessen umgeben Sie sich mit irgendwelchem Gesindel, haben widerwärtige Gewohnheiten angenommen, sind schlaff und matt geworden, können ohne Wein und Karten nicht leben, lesen nur Paul de Kock und schreiben nichts, während die da alle schreiben; Sie füllen Ihre ganze Zeit nur mit leerem Geschwätz aus. Ist es erlaubt, mit einem solchen Subjekt befreundet zu sein, wie es Ihr Liputin ist, von dem Sie unzertrennlich sind?«

      »Warum denn ›mein‹ und ›unzertrennlich‹?« protestierte Stepan Trofimowitsch schüchtern.

      »Wo ist er jetzt?« fuhr Warwara Petrowna in strengem, scharfem Tone fort.

      »Er ... er verehrt Sie grenzenlos und ist nach S***k gefahren, um die Hinterlassenschaft seiner Mutter in Empfang zu nehmen.«

      »Ich glaube, er tut überhaupt nichts anderes als Geld einnehmen. Und wie steht es mit Schatow? Ist er immer noch derselbe?«

      »Irascible, mais bon.«

      »Ich kann Ihren Schatow nicht leiden; er ist ein schlechter Mensch und von sich zu sehr eingenommen!«

      »Wie befindet sich Darja Pawlowna?«

      »Sie fragen nach Dascha? Wie kommen Sie darauf?« fragte Warwara Petrowna und blickte ihn forschend an. »Sie ist gesund; ich habe sie bei Drosdows gelassen ... Ich habe in der Schweiz etwas über Ihren Sohn gehört, Schlechtes, nichts Gutes.«

      »Oh, c'est une histoire bien bête! Je vous attendais, ma bonne amie, pour vous raconter ...«

      »Lassen Sie es nun genug sein, Stepan Trofimowitsch, und gönnen Sie mir Ruhe; ich bin ganz erschöpft. Wir werden später noch Zeit genug haben, miteinander zu sprechen, namentlich über das Schlechte. Sie fangen an, Speichel aus dem Munde zu spritzen, wenn Sie lachen; das ist auch schon ein Symptom von Hinfälligkeit! Und in wie seltsamer Manier Sie jetzt immer lachen! ... O Gott, was für eine Menge schlechter Gewohnheiten haben Sie angenommen! Karmasinow wird Ihnen keinen Besuch machen! Und hier sind die Leute sowieso schon über alles mögliche schadenfroh ... Erst jetzt zeigen Sie sich in Ihrer wahren Gestalt. Nun genug, genug, ich bin müde! Man muß dem Menschen auch endlich einmal Ruhe gönnen!«

      Stepan Trofimowitsch »gönnte dem Menschen Ruhe«; aber er entfernte sich in großer Verwirrung und Verstimmung.

      V.

      Bei unserm Freunde hatten sich in der Tat nicht wenige schlechte Gewohnheiten festgesetzt, besonders in der allerletzten Zeit. Er war sichtlich und schnell heruntergekommen, und es war richtig, daß er in seiner äußeren Erscheinung unordentlich geworden war. Er trank mehr, war weinerlicher und hatte schwächere Nerven. Sein Gesicht hatte die sonderbare Fähigkeit erlangt, sich auffallend schnell zu verändern und zum


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