Die Dämonen. Fjodor Dostojewski

Die Dämonen - Fjodor Dostojewski


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Der Abschluß war immer wie mit einer Schere weggeschnitten. Sehen Sie, was ich für alte Dinge erzähle; aber es ist viel Wahres daran!«

      Sie lächelte, indem sie mich ansah; schon mehrmals hatte sie mich angeblickt; aber Stepan Trofimowitsch hatte in seiner Aufregung vergessen, daß er mir versprochen hatte, mich vorzustellen.

      »Aber warum hängt mein Bild bei Ihnen unter Dolchen? Und wozu haben Sie überhaupt so viele Dolche und einen Säbel?«

      Es hingen bei ihm wirklich an der Wand, ich weiß nicht wozu, zwei gekreuzte Jatagans und darüber ein echter tscherkessischer Säbel. Während sie die obige Frage stellte, schaute sie mir so gerade ins Gesicht, daß ich schon etwas antworten wollte; aber ich unterdrückte es. Stepan Trofimowitsch merkte endlich, wie es stand, und stellte mich vor.

      »Ich kenne Sie, ich kenne Sie,« sagte sie. »Ich freue mich sehr. Auch Mama hat schon viel über Sie gehört. Machen Sie sich auch mit Mawriki Nikolajewitsch bekannt; er ist ein vortrefflicher Mensch. Ich habe mir von Ihnen schon eine komische Vorstellung gemacht; Sie sind ja wohl Stepan Trofimowitschs Vertrauter?«

      Ich errötete.

      »Ach, verzeihen Sie mir, bitte; ich habe einen falschen Ausdruck gebraucht; er sollte keinen komischen Klang haben, sondern nur einen ganz einfachen Sinn ...« (Sie war rot und verlegen geworden.) »Übrigens brauchen Sie sich nicht darüber zu schämen, daß Sie ein so vortrefflicher Mensch sind. Aber es wird Zeit, daß wir gehen, Mawriki Nikolajewitsch! Stepan Trofimowitsch, in einer halben Stunde müssen Sie bei uns sein. O Gott, wieviel wollen wir miteinander reden! Jetzt werde ich Ihre Vertraute sein, und zwar in allen Stücken, in allen Stücken, verstehen Sie wohl?«

      Stepan Trofimowitsch bekam sofort einen Schreck.

      »Oh, Mawriki Nikolajewitsch weiß alles; vor dem brauchen Sie nicht verlegen zu werden!«

      »Was weiß er denn?«

      »Sie fragen noch!« rief sie erstaunt. »Also ist es wahr, daß es geheimgehalten werden soll! Ich wollte es gar nicht glauben. Und Dascha wird auch verborgen gehalten. Die Tante ließ mich neulich nicht zu ihr, mit der Begründung, Dascha habe Kopfschmerzen.«

      »Aber ... aber wie haben Sie es denn erfahren?«

      »Ach mein Gott, ebenso wie alle. Das war kein Kunststück!«

      »Wissen es denn alle?«

      »Nun ja, gewiß. Die Wahrheit ist: Mama hat es zuerst von Alona Frolowna, meiner alten Kinderfrau, gehört; zu der war Ihre Nastasja angelaufen gekommen und hatte es ihr gesagt. Sie haben es ja doch zu Nastasja gesagt? Sie gibt an, daß Sie es ihr selbst gesagt hätten.«

      »Ich ... ich habe einmal davon geredet ...« stammelte Stepan Trofimowitsch, der ganz rot geworden war; »aber ... ich habe nur eine Andeutung gemacht ... j'étais si nerveux et malade et puis ...«

      Sie lachte.

      »Und der Vertraute war gerade nicht bei der Hand, und Nastasja kam Ihnen in den Wurf, – da ist es ja ganz erklärlich! Die aber hat die ganze Stadt zu Gevatterinnen. Nun, lassen wir es gut sein; es ist ja auch ganz gleich; mögen sie es immerhin wissen, sogar um so besser. Kommen Sie nur recht bald; wir essen früh zu Mittag ... Ja, das hatte ich vergessen,« sagte sie und setzte sich wieder hin; »hören Sie mal: was für ein Mensch ist Schatow?«

      »Schatow? Das ist Darja Pawlownas Bruder ...«

      »Das weiß ich, daß er ihr Bruder ist; wie können Sie so antworten, wahrhaftig!« unterbrach sie ihn ungeduldig. »Ich will wissen, was er eigentlich ist, was für eine Art Mensch?«

      »C'est une pense-creux d'ici. C'est le meilleur et le plus irascible homme du monde.«

      »Das habe ich selbst schon gehört, daß er etwas sonderbar ist. Darum handelt es sich übrigens nicht. Ich habe gehört, daß er drei Sprachen beherrscht, auch das Englische, und eine literarische Arbeit ausführen kann. Wenn dem so ist, so hätte ich für ihn viel Arbeit. Ich brauche einen Gehilfen, und je eher ich einen bekomme, um so besser. Wird er eine Arbeit übernehmen oder nicht? Man hat ihn mir empfohlen.«

      »Oh, jedenfalls, et vous ferez un bienfait ...«

      »Ich tue es durchaus nicht um des bienfait willen; es ist mir selbst an einem Gehilfen gelegen.«

      »Ich bin mit Schatow ziemlich gut bekannt,« sagte ich, »und wenn Sie mich mit einer Bestellung an ihn beauftragen wollen, so will ich sofort zu ihm hingehen.«

      »Bestellen Sie ihm, er möchte morgen mittag um zwölf Uhr zu mir kommen. Wunderschön! Ich danke Ihnen. Mawriki Nikolajewitsch, sind Sie fertig?«

      Sie gingen weg. Ebenso natürlich ich, um sofort zu Schatow zu laufen.

      »Mon ami!« sagte Stepan Trofimowitsch zu mir, der mir nacheilte und mich auf den Stufen vor der Haustür einholte, »seien Sie jedenfalls um zehn oder elf Uhr bei mir, wenn ich zurückkomme. Oh, ich stehe sehr, sehr schuldbeladen vor Ihnen da und ... vor allen, vor allen!«

      VIII.

      Schatow traf ich nicht zu Hause; ich ging zwei Stunden darauf noch einmal heran: er war wieder nicht da. Endlich, es war schon sieben durch, begab ich mich noch einmal zu ihm, um ihn entweder anzutreffen oder einen Zettel für ihn dazulassen; aber auch diesmal traf ich ihn nicht. Seine Wohnung war verschlossen, und er wohnte allein, ohne alle Bedienung. Ich wollte unten bei Hauptmann Lebjadkin vorsprechen, um nach Schatow zu fragen; aber auch da war zugeschlossen und kein Laut zu hören und kein Licht zu sehen; es schien kein Mensch da zu sein. Neugierig ging ich unter der Nachwirkung der kurz vorher gehörten Erzählungen an Lebjadkins Tür vorbei. Schließlich entschied ich mich dafür, am nächsten Tage recht früh wiederzukommen. Auch auf den Zettel setzte ich, um die Wahrheit zu sagen, nicht viel Hoffnung. Sehr möglich, daß Schatow sich nicht darum kümmerte; er war so ein eigenwilliger, scheuer Mensch. Mein Mißgeschick verwünschend ging ich schon aus dem Torwege, als ich plötzlich auf Herrn Kirillow stieß; er ging ins Haus und erkannte mich zuerst. Da er selbst zu fragen begann, so erzählte ich ihm alles in den Hauptpunkten und sagte auch, daß ich einen Zettel bei mir hätte.

      »Kommen Sie mit!« sagte er; »ich werde alles erledigen.«

      Ich erinnerte mich, daß er nach Liputins Mitteilung seit dem Vormittage ein auf dem Hofe gelegenes hölzernes Seitengebäude bewohnte. In diesem Seitengebäude, das für ihn sehr viel Platz bot, wohnte mit ihm zusammen eine alte taube Frau, die bei ihm die Aufwartung hatte. Der Besitzer dieses Hauses hatte in einer andern Straße in einem andern ihm gehörigen, neuen Hause ein Restaurant und hatte diese alte Frau, wohl eine Verwandte von ihm, zurückgelassen, um das ganze alte Haus zu beaufsichtigen. Die Zimmer in diesem Seitengebäude waren ziemlich sauber gehalten, aber die Tapeten schmutzig. In demjenigen Zimmer, in das wir eintraten, waren die Möbel bunt zusammengewürfelt, nicht zueinander passend und von sehr geringem Werte: zwei L'hombretische, eine Kommode von Erlenholz, ein großer Brettertisch aus einer Bauernstube oder einer Küche, ein paar Stühle und ein Sofa mit einer Lattenlehne und harten Lederkissen. In einer Ecke befand sich ein altertümliches Heiligenbild, vor welchem die Alte schon vor unserem Eintritte das Lämpchen angezündet hatte, und an den Wänden hingen zwei große, dunkel gewordene Porträts in Öl; das eine stellte den ehemaligen Kaiser Nikolai Pawlowitsch dar und war, nach dem Aussehen zu urteilen, in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts gemalt; das andere war das Bild irgendeines Bischofs.

      Herr Kirillow zündete, sobald er eingetreten war, ein Licht an und holte aus seinem Koffer, der in der Ecke stand und noch nicht ausgepackt war, ein Kuvert, Siegellack und ein kristallenes Petschaft heraus.

      »Siegeln Sie Ihren Zettel ein, und schreiben Sie die Adresse auf das Kuvert!«

      Ich erwiderte, das sei eigentlich nicht nötig; aber er bestand darauf. Nachdem ich das Kuvert adressiert hatte, griff ich nach meiner Mütze.

      »Ich dachte, Sie würden bei mir Tee trinken,« sagte er; »ich habe Tee gekauft. Mögen Sie?«

      Ich lehnte es nicht ab; die alte Frau brachte bald


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