Bambis Kinder. Felix Salten
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Bambis Kinder
Felix Salten
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Inhaltsverzeichnis
I
Feierlich war die nächtliche Stille.
Der Wald schlief, die Bäume, die Sträucher schlummerten, die Vögel hatten ihre Köpfe unter den Fittichen versteckt, selbst die Luft der warmen Frühsommernacht ruhte.
Lautlos und duftend atmete der Wald, in dem Traum seines Blühens befangen.
Klang zuweilen der wehmütig schöne Sang der Eule oder das kurze, gellende Schreien, das der Kauz hin und wieder ausstieß, so wurde dadurch die Stille noch tiefer.
Das Wild, Hirsche, Rehe, Hasen, vom Menschen seit undenklichen Zeiten gezwungen, sich tagsüber zu verbergen, streifte in der Finsternis auf Wiesen, Blößen, Schneisen umher und genoß Nahrung in Sicherheit.
Fuchs, Marder, Iltis, Wiesel vollführten ihre Raubzüge. Sie wurden minder gefürchtet als der Mensch, dessen Gegenwart auch sie mieden.
Noch blinkten die Sterne am Himmel, doch sie fingen an zu erblassen.
Ein allererster, fahler Schein frühester Dämmerung lockerte die Schwärze der Nacht, ohne sie merkbar zu erhellen.
»Wer geht denn da?« schäkerte erwachend die Elster.
Ihr Gefährte hob den Kopf aus dem Flügel, darin er ihn während des Schlummers geborgen hatte, und meinte: »Niemand! Wer soll auch jetzt schon kommen? Es dämmert ja kaum. Und ich höre nichts. Keinen Laut!«
Unten, vom Gebüsch her, wisperten die Meisen: »Doch! sicherlich! Jemand ist unterwegs. Das hat uns geweckt. Seltsam! Wir staunen.«
Mit schlaftrunkener Stimme zirpte die Amsel: »Ich wundere mich gleichfalls. So früh! So früh!«
Da kreischte der Häher: »Faline! Hach! Faline und ihre Kinder!«
Jetzt fing der Specht zu trommeln an: »Die brave Faline!« Er lachte gellend. »Die dumme Faline! Zu komisch!« Er hielt nämlich alle Geschöpfe für dumm außer sich selbst, und er trommelte stürmisch; das klang alarmierend.
Aus den Nestern flatterten die Krähen. »Faline!« krächzten sie mißbilligend, »Faline tut, was die Kinder befehlen! Eine Erziehung! Unerhört!« Sie stoben flügelklatschend davon.
In den Baumwipfeln regten sich die Tauben. »Stillsitzen!« mahnten sie einander, »sitzen bleiben, bis es hell wird. Noch lauert die Eule! Noch jagt der Kauz!«
Nun vernahmen alle leise zögernde Schritte.
Auf dem schmalen Pfad bogen sich die Zweige zur Seite; sie hingen schwer von Tau, und dicke Tropfen näßten das Fell der Rehe, die hier täglich gingen.
»Du bist merkwürdig, Geno«, sagte Faline zu ihrem Sohn, »warum drängst du immer so sehr, dich hinzulegen?«
»Weil ich müde bin«, antwortete Geno kurz.
»Er ist gar nicht müde«, ließ sich Gurri vernehmen, die immer dicht an der Flanke Falinens blieb. »Ich hätte noch so gerne draußen auf der Wiese gespielt.«
»Lauf doch hinaus!« rief Geno, »lauf nur! Ich bin müde und schläfrig.«
»Aber nein!« widersprach die Schwester, »das glaub ich dir nicht.«
»Dann laß es bleiben«, murrte jetzt Geno unwirsch.
»Kinder ... Kinder ...«, beschwichtigte Faline.
Die Geschwister neckten einander. Sie waren ganz jung, waren kaum im Begriff, die weißen Sprenkel zu verlieren, die sie bei ihrer Geburt mit auf die Welt gebracht hatten. Ihre roten Röckchen färbten sich um einen Schatten dunkler.
»Boso und Lana sind gewiß noch draußen«, klagte Gurri, »die warten, bis ihnen die Mutter das Zeichen gibt, einzuziehen. Nur du wartest nie! Aber so früh wie heute ...!«
Geno schwieg.
»Tante Rolla wird mit ihnen nun gewiß schon zur Ruhe gehen«, sagte Faline.
»Ach, es ist noch lang Zeit«, plauderte Gurri, »und ich hab die beiden so gerne, Boso und Lana.«
»Ich mache mir gar nichts aus ihnen«, urteilte Geno.
»Sie sind so fröhlich«, wandte Gurri ein.
»Albern sind sie!« beharrte Geno.
»Natürlich! Nur du bist gescheit!«
»Ich? Ich bin ein Kind!«
»Wir alle sind Kinder. Und Boso ist reizend.«
»Meinetwegen.«
»Lana hat ein ... sie schaut entzückend aus.«
»Lana?« Geno wollte spotten, da entfuhr ihm ein Schreckensruf. »Ba –« Er sprang mit allen vier Läufen hoch.
Durch Farne und Lattich raschelte etwas.
»Wer war das?« Geno zitterte am ganzen Leib.
»Nur