Erinnerungen aus galanter Zeit. Giacomo Casanova

Erinnerungen aus galanter Zeit - Giacomo Casanova


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Seine Ehrwürden den Beichtvater Monsignores des Erzbischofs.«

      »Durch einen Beichtvater?«

      »Und Sie können sich davon überzeugen, wenn Sie ihn fragen wollen.«

      »Ich werde mich nur für überzeugt halten, wenn ich ihn selbst untersucht habe.«

      »Tun Sie das, wenn er einwilligt; aber mein Gewissen gestattet mir nicht, mich dareinzumischen, denn ich kenne Ihre Absichten nicht.«

      »Es sind ganz natürliche.«

      Ich gehe auf mein Zimmer und lasse durch Petron eine Flasche Cyperwein holen. Er richtete den Auftrag aus und brachte mir von einer Dublone, welche ich ihm gegeben, sieben Zechinen zurück. Ich verteilte diese unter Bellino, Cäcilie und Marina, und bat die beiden jungen Mädchen, mich mit ihrem Bruder allein zu lassen.

      »Bellino, ich bin sicher, daß Ihre Körperbildung von der meinigen verschieden ist; meine Teure, Sie sind ein Mädchen.«

      »Ich bin ein Mann, aber ein Kastrat; man hat mich untersucht.«

      »Erlauben Sie mir, Sie zu untersuchen, und ich schenke Ihnen eine Dublone.«

      »Ich darf es nicht, denn es ist klar, daß Sie mich lieben, und die Religion verbietet mir es.«

      »Mit dem Beichtvater des Bischofs haben Sie solche Umstände nicht gemacht.«

      »Dieser war ein alter Priester, und er hat auch nur im Vorbeigehen einen Blick darauf geworfen.«

      Mit Gewalt wollte ich mich überzeugen, aber er stößt mich zurück und steht auf. Diese Hartnäckigkeit ärgert mich, denn ich hatte schon fünfzehn oder sechzehn Zechinen ausgegeben, um meine Neugier zu befriedigen. Ich setzte mich mit verdrießlicher Miene zu Tisch; aber der vortreffliche Appetit meiner jungen Gäste gab mir meine gute Laune wieder, und ich war der Ansicht, daß, genau besehen, Fröhlichkeit besser wäre als Schmollen, und in dieser Stimmung beschloß ich, mich an den beiden reizenden jüngern Schwestern schadlos zu halten, welche Spaß zu verstehen schienen. Wir saßen, Maronen essend, welche wir mit Cyperwein befeuchteten, vor einem gutem Feuer, und ich fing an, einige unschuldige Küsse zur Rechten und zur Linken zu verteilen und trieb mein Spiel, woran Cäcilie und Marina Gefallen fanden. Da Bellino lächelt, so umarme ich ihn ebenfalls, und da sein halbgeöffnetes Jabot meine Hand herauszufordern scheint, so gehe ich drauf los und dringe ohne Widerstand ein.

      »Nie hat der Meißel des Praxiteles einen so schönen Busen geschaffen! Dieses Zeichen, sage ich nun, läßt mich nicht zweifeln, daß Sie ein vollendetes Weib sind.«

      »Diesen Mangel«, sagte sie, »haben alle meinesgleichen.«

      »Nein, es ist die Vollkommenheit aller Ihresgleichen. Bellino, glaube mir, ich bin hinlänglich unterrichtet, um den unförmlichen Busen eines Kastraten von dem eines schönen Weibes unterscheiden zu können; und dieser Alabasterbusen gehört einer jungen siebzehnjährigen Schönheit.«

      Wer wüßte nicht, daß die Liebe, entflammt durch alles, was sie reizen kann, nicht eher innehält, als bis sie befriedigt ist, und daß eine errungene Gunst nur reizt, nach einer größern Gunst zu streben? Ich war auf gutem Wege, ich wollte weiter gehen und was meine Hand verzehrte, mit glühenden Küssen bedecken; aber der falsche Bellino steht auf und entflieht, als wäre er erst in diesem Augenblick das unerlaubte Vergnügen, welches ich genoß, gewahr geworden. Der Zorn verbindet sich mit der Liebe, und da ich ihn unmöglich verachten konnte, sonst hätte ich zuerst mich selbst verachten müssen, da ich das Bedürfnis fühlte, mich zu beruhigen, indem ich meine Glut befriedigte oder sie verdampfen ließ, bat ich Cäcilie, welche seine Schülerin war, mir einige neapolitanische Arien vorzusingen. Ich ging hierauf zum Bankier, wo ich meinen Wechsel auf ihn mit einem Wechsel auf Bologna vertauschte. Nach meiner Rückkehr nahm ich mit diesen beiden jungen Mädchen ein leichtes Abendessen ein und schickte mich hierauf an, zu Bett zu gehen, nachdem ich Petron befohlen, mir mit Tagesanbruch einen Wagen zu besorgen. Als ich die Tür schließen wollte, erschien Cäcilie halb entkleidet und sagte mir, Bellino lasse mich fragen, ob ich ihn nach Rimini mitnehmen wolle, wo er für die nach Ostern aufzuführende Oper engagiert sei.

      »Sage ihm, mein kleiner Engel, daß ich ihm sehr gern diese Gefälligkeit erweisen werde, wenn er in deiner Gegenwart tun will, was ich wünsche; ich will bestimmt wissen, ob er ein Mädchen oder ein Knabe ist.«

      Sie entfernt sich und kehrt einen Augenblick darauf zurück, um mir zu sagen, daß er im Bett liege, daß, wenn ich aber meine Abreise um einen einzigen Tag aufschieben wolle, er verspreche, meine Neugier am folgenden Tage zu befriedigen.

      »Sage mir die Wahrheit, Cäcilie, und ich schenke dir sechs Zechinen.«

      »Ich kann sie nicht verdienen, denn ich habe ihn nie ganz nackt gesehen und kann nicht beschwören, ob er ein Mädchen ist. Aber er muß wohl ein Knabe sein, sonst hätte er hier nicht auf dem Theater auftreten können.«

      »Wohl, ich werde erst übermorgen abreisen, wenn du mir diese Nacht Gesellschaft leisten willst.«

      »Sie lieben mich also sehr?«

      »Sehr, wenn du mir gut sein willst.«

      »Sehr gut, denn ich liebe Sie sehr. Ich will es meiner Mutter sagen.«

      »Du hast gewiß einen Liebhaber?«

      »Ich habe nie einen gehabt.«

      Sie ging weg und kehrte einen Augenblick darauf sehr fröhlich zurück, indem sie sagte, ihre Mutter halte mich für einen ehrenwerten Mann. Ohne Zweifel hielt sie mich nur für großmütig. Cäcilie schloß die Tür und warf sich in meine Arme, indem sie mich umarmte. Sie war niedlich, reizend; aber ich war nicht in sie verliebt und konnte nicht zu ihr wie zu Lucrezia sagen: du hast mich glücklich gemacht; aber sie sagte es zu mir, ohne daß ich mich dadurch sehr geschmeichelt fühlte, obwohl ich so tat, als ob ich es glaube. Als ich erwachte, wünschte ich ihr einen zärtlichen guten Morgen, und nachdem ich ihr drei Dublonen geschenkt, welche die Mutter ohne Zweifel erfreuten, schickte ich sie weg. Nachdem ich gefrühstückt, ließ ich den Wirt kommen und bestellte ein sehr gutes Abendessen für fünf Personen, da ich überzeugt war, daß Don Sancio, der am Abend zurückkommen wollte, mir die Ehre, mit mir zu speisen, nicht abschlagen würde. Nachdem ich Bellino hatte rufen lassen, forderte ich ihn auf, sein Versprechen zu erfüllen, aber er antwortete mir lachend, der Tag wäre noch nicht vorüber, und er wäre sicher, mit mir zu reisen.

      »Ich sage Ihnen, daß das nicht der Fall sein wird, wenn Sie mich nicht vollständig befriedigen.«

      »Ich werde es tun.«

      »Wollen Sie, daß wir zusammen einen Spaziergang machen?«

      »Recht gern; ich werde mich ankleiden.«

      Während ich auf ihn wartete, kam Marina und fragte mich mit kummervoller Miene, wodurch sie meine Verachtung verdiene.

      »Cäcilie hat bei Ihnen die Nacht geschlafen, morgen reisen Sie mit Bellino; ich bin am allerunglücklichsten.«

      »Willst du Geld haben?«

      »Nein, denn ich liebe Sie.«

      »Aber, Marina, du bist zu jung.«

      »Ich bin stärker als meine Schwester.«

      »Aber es ist auch möglich, daß du einen Liebhaber hast.«

      »Oh, durchaus nicht.«

      »Sehr wohl, wir wollen heute Abend sehen.«

      Ich spazierte mit Bellino nach dem Hafen, wo ich auf einem türkischen Schiff eine griechische Sklavin wiedersah, mit der ich aus meiner Reise von Venedig nach Martorano ein reizendes Liebesspiel von Balkon zu Balkon hatte, ohne daß wir zum höchsten Genuß gekommen wären. Sie erkennt mich sofort, weiß durch eine List ihren Herrn auf einen Augenblick zu entfernen, den wir benutzen, um alle Wonnen der Liebe auszutauschen, in Gegenwart Bellinos, der starr vor Staunen dastand und wie Espenlaub zitterte. Ich kaufte eine Kleinigkeit, als der Türke zurückkam, und begab mich mit Bellino wieder ans Land. Dieser sprach mit mir über das Geschehene, welches meinen Charakter in einem eigentümlichen Lichte zeige.


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