"Und jetzt, kommen Sie!". Dieter Gronau


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war heute Morgen aber wirklich auf Zack hatte die richtige Vermutung und hatte sofort richtig gehandelt. Mensch ein Mann mit einer Pistole bei uns im Bus, zwei Reihen hinter mir, hinter meinem Nacken, unmöglich. Ich, und alle Fahrgäste schwebten die ganze Zeit über in akuter Lebensgefahr. Unmöglich, was hätte alles geschehen können, wenn? Man hatte ich heute Morgen mal wieder Glück! Wenn ich das heute Abend meiner Frau erzähle,“ platzte es halblaut aus mir hervor.

      Der Zweizentner Mann trat mir beinahe beim Aussteigen in die rechte Ferse. Er ratschte mit seiner Schuhspitze über meinen Schuhabsatz, das war für mich Glück im Unglück, denn wenn er auch noch gestolpert wäre und womöglich auf mich gefallen wäre, wie wäre es mir dann wohl ergangen? Ich erhöhte sofort, wie von einer Tarantel gestochen, meine Schrittzahl, um ganz sicher diesen schweren Schuhen hinter mir zu entkommen. Ein Niesanfall erschütterte das Fleischgebirge hinter mir und dröhnte wie ein Gewitter durch den vor mir beginnenden U-Bahntunnel. Eine gewaltige Fontäne von feinen, fast kaum sichtbaren, Niesbläschen versuchte mich von hinten zu erwischen, aber ich war, Gott sei Dank, außer ihrer Schussweite, als ich , nach Luft und Fassung ringend an dem Zeitungskiosk auf dem Bahnsteig ankam.. Dort stand bereits an der Verkaufsluke unser kleiner Schwarzhaarige aus dem Bus. Wie war der bloß so schnell aus dem Bus dorthin gekommen?

      „Richtig, der musste durch die Bustür bei unserer Busfahrerin entwischt sein. So hatte er einen etwas kürzeren Weg zum U-Bahntunneleingang. Ich war so mit der Beobachtung der anderen beschäftigt, das ich gar nicht gesehen hatte, wie und wo er ausgestiegen war. Es konnte nur die vordere Bustür gewesen sein.

      An wievielter Stelle, in unserer Reihenfolge, er im Tunnel und auf dem Bahnsteig angekommen war, konnte ich nicht mehr nachvollziehen, er war plötzlich am Zeitungskiosk.

      „Merkwürdig, der musste ja förmlich geflogen sein. Siehste, siehste, so ungenau beobachtet der Mensch manchmal, wenn er nur ein bisschen abgelenkt ist. Hatte er womöglich sogar den Bartstreichler noch auf der Außenseite überholt? Wie hatte er das gemacht? War er der große Außenseiter, der auf der Außenbahn alle zügig und unbemerkt überholt hatte? Das wäre der Erfolg für ihn und eine Niederlage für alle anderen,“ stellte ich erstaunt fest.

      Er war wirklich sehr klein mit seinen großen Hosenbeinen. Die Beine, welche Energiebündel mussten das sein, die für solche Leistungen fähig waren. Vielleicht war er ein durch und durch trainierter Hochleistungssportler, der heute Morgen zu einem Trainings-Meeting fuhr. Er hatte nur eben mal auf dem Weg vom Bus bis auf den U-Bahnsteig ein wenig Gas gegeben, nur so zum Spaß für sich selber. Mit dem linken Arm auf der Holzverkaufsluke aufgestützt, blickte er dem Kioskverkäufer zu, der große schwergewichtige Zeitungsballen mit einem Messer aufschnitt. Der Schwarzhaarige verlangte fast aus jedem Ballen je eine Zeitung, eine von einem ganz bestimmten Platz in einem Regal und zwei von einem Platz unter einem Tisch.

      „Mein Gott, der kann Zeitungslesen! Das sind ja alles türkische Zeitungen. Was will der denn damit? Was hat der denn für einen Job? Soviel Zeit zum zeitunglesen? Vermutlich muss er in Deutschland leben und arbeiten, um an seinem Arbeitsplatz so viel Zeit zum Zeitung lesen zu haben. Sowas habe ich an meinem Arbeitsplatz noch nie bemerkt.

      Der Bahnsteig dieser U-Bahnstation ist sehr breit. In der Mitte befindet sich ein Gebäude mit einer Frühbäckerei. Dort werden den ganzen Vormittag Brötchen frisch gebacken und es duftet einfach himmlisch. Ab 05.00 Uhr früh gibt es hier die ersten ofenfrischen Brötchen mit etwas drauf oder nach Wunsch belegt und beschmiert, dazu, wenn man möchte, einen Kaffee, Tee oder heißen Kakao für die Leute, die nach dem Aufstehen und der Morgentoilette noch nicht frühstücken können. Davon muss es scheinbar sehr viele geben, denn wenn ich morgens vorbei gehen, stehen die Leute dort in einer Schlange vor dem Tresen. Nun ja, die ruckartige Busfahrt und der Spurt haben jetzt schließlich auch die letzte Schlafmütze geweckt und der Körper und der Magen schreien nach einem Frühstück, wenn auch nur sehr unbequem im Stehen. Hauptsache da rutscht etwas in den Magen.. So riecht nach geraumer Zeit jeder U-Bahnwagen, nach frischen Brötchen und einem heißen Getränk. Warum auch nicht, in der Bahn konnte man wenigstens beim Frühstücken sitzen und hatte es viel bequemer. Das stand einem auch zu, bevor der tägliche Stress in der Firma begann.

      „Oh Mann, das riecht aber verdammt gut! Jeden Morgen wird mir förmlich schwindelig bei diesen Frühstücksdüften in der Bahn, hoffentlich konnte bald meine Nase wieder in die frische Luft strecken und ganz, ganz tief Luft holen,“ seufzte mein Ich. Einige Fahrgäste senkten neugierig ihre Morgenzeitung, blickten um sich, um festzustellen, woher der Kaffee-, der Kakao- oder der Tee Duft kamen. Mit einem Schmunzeln auf dem Gesicht vertieften sie sich danach wieder in ihre morgendliche Information, der Zeitung. Bestimmt schluckten sie heimlich und unbewusst ein paar Mal, bei den verführerischen Düften, war das ganz normal, wer konnte da schon widerstehen, auch mit einem guten Frühstück von Zuhause bereits schon im Magen.

      Wer womöglich heute das erste Mal in der U-Bahn fuhr, dachte bestimmt, halt hier in Hamburg gibt es in der U-Bahn morgens immer ein Frühstücksbüfett, eine tolle Einrichtung, warum gibt es das bei uns in Berlin, Köln oder München nicht? Ist doch ein toller Service! So konnte man gestärkt und etwas zufriedener seinen Arbeitsplatz ansteuern. Belegte Brötchen, heiße Getränke in der U-Bahn, ein Automat könnte das bestimmt auch zaubern!

      Hinter dem Backwarenstand befand sich ein Kiosk in herkömmlicher Art mit den üblichen Reiseutensilien, Zeitschriften, Zeitungen, Süßigkeiten und Getränken mit und ohne Alkohol. Meist alles im Kleinformat. Das weitere Gebäude war früher einmal ein Dienstgebäude. Dort war der Arbeitsplatz vom Bahnsteigschaffner. Heute hielten sich dort hin und wieder mal die Mitarbeiter von der Bahnwache auf..

      Seitlich vom Zeitungskiosk trafen sich jeden Morgen immer zwei ältere Männer mit einer Frau mittleren Alters. Der eine der Männer, vermutlich kurz vor dem Rentenalter, hatte eine ziemlich laute Stimme. Vermutlich konnte er gar nicht leise reden. So konnte ich und viele andere wartenden Fahrgäste ungewollt immer alles mithören, was dort bei den Dreien so wichtiges geredet wurde.. Meist beschwerte er sich über die da oben, die Politiker. Die wieder mal unsinnig unsere Steuergelder ausgeben, dann erfuhr jeder der Umstehenden, was er an diesem Wochenende alles unternommen hatte und was er heute und in den nächsten Tagen unbedingt und ganz bestimmt alles unternehmen will. Er erzählte allen laut und deutlich, natürlich ungewollt, was ihn so belastete und bedrückte. Manchmal schimpfte er über seinen Arbeitsplatz und seine Kollegen.

      „Du, der muss aber einen sehr lauten Arbeitsplatz haben, dass er immer so laut reden musste, oder war er hochgradig schwerhörig? Echt, der geht mir fürchterlich auf den Geist. Lass uns woanders auf die Bahn warten,“ schlug ich meinem Ich vor und ging ein paar Schritte weiter bis ich die nervige Stimme

      Kapitelüberschrift 5

      nicht mehr hörte. Seine beiden Begleiter, der Mann und die Frau, sprachen und erwiderten kaum etwas, sie nickten ihm nur immer zustimmend zu und machten sehr ernste Gesichter. Waren es seine Arbeitskollegen, die Einzigsten, mit denen er sich gut verstand und die ihn, den alten Mann, verstanden? Hört man das rumoren der nahenden U-Bahn auf den Schienen im Tunnel, liefen alle drei in unterschiedliche Richtungen auseinander und riefen sich viele Abschiedsgrüße und Wünsche für den beginnenden Arbeitstag zu. Mit einem leichten Ruck kam der Zug zum Stillstand fast alle Waggontüren flogen auf, viele Fahrgäste stiegen aus und zwängten sich hastig, einige mit Brötchen und Getränkebechern mit einem Deckel, in die Waggons, die Türen schnellten mit einem lauten Klack wieder zu, der Zug setzte sich langsam wieder in Bewegung und verschwand, uns nur noch seine beiden roten Schlusslampen zeigend, im Tunnelanfang am Ende des Bahnsteiges. Die Wagen waren alle gut mit arbeitswilligen Frühaufstehern besetzt, das heißt, der Zug war zu so morgentlicher Stunde verdammt voll. Für einige Fahrgäste gab es schon keine Sitzplätze mehr, sie mussten stehen. Ich setzte mich immer zu gerne neben einem Gast, der in einer Zeitung las und dieselbe bereits so in beiden Händen vor sich ausgebreitet hielt, das ich , danebensitzend, ohne großartig den Kopf zu verdrehen aus dem Augenwinkel wunderbar mitlesen konnte und seien es auch nur die fettgedruckten Überschriften und Schlagzeilen in der Zeitung. Wenn es nicht so einen Sitzplatz gab, setzte ich mich genau gegenüber und so alles auf der Rückseite der Zeitung mitlesen. Hatte ich dann noch das unverschämte Glück, ich hatte einen langsam Leser, so


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