Lust auf Sex, Blut und Rache. Anne Pallas

Lust auf Sex, Blut und Rache - Anne Pallas


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      „Noch so ein Tag“, seufzte Robin Barnes, „und ich kündige und beschäftige mich für den Rest meines Lebens mit der Rosenzucht einer reichen Witwe.“

      Er lehnte sich zurück, schloss die Augen und stieß geräuschvoll die Luft aus. Sein Gesicht wirkte blass und eingefallen. Unter seinen Augen lagen tiefe, dunkle Ringe, die von den überstandenen Anstrengungen des Tages kündigten.

      Ich sah meinen Partner von der Seite an, runzelte die Stirn und lächelte dann wortlos. Barnes war ein Genie im Einsatz als Agent, jedoch weniger als Bodyguard geeignet. Aber ich wusste, dass seine Worte nicht allzu ernst gemeint waren. Er hatte damit lediglich seiner Erschöpfung Ausdruck verleihen wollen.

      Seine tiefe Stimme riss mich aus meinen Gedanken.

      „Ich hoffe, der dämliche Kongress ist morgen beendet“, sagte er.

      Ich seufzte. „Hoffentlich. Noch so einen Tag ...“

      „Als wenn ich es mit meinen Fähigkeiten nötig hätte, einen bescheuerten Wissenschaftler zu bewachen!“

      Ich lächelte und warf einen Blick in den Rückspiegel des Cadillacs, setzte den Blinker und bog von der Hauptstraße in den Waterloo Place ab. Der Cadillac war ein plumpes, schwerfälliges Fahrzeug, aber ich war eine geübte Fahrerin, die auch mit dem ungewohnt großen Straßenkreuzer zurechtkam. Trotzdem sehnte ich mich nach meinem weißen Porsche zurück, der sich in meiner Garage langweilte.

      Der wuchtige, altmodisch wirkende Bau des Apex Waterloo Place Hotel tauchte vor uns auf. Ich verringerte das Tempo und hielt nach einer Parklücke Ausschau.

      „Hinter uns fährt einer raus“, sagte Robin.

      Ich hielt an und sah in den Spiegel. Wenige Meter hinter uns scherte ein Wagen aus der Parklücke aus. Ich legte den Rückwärtsgang ein und fuhr vorsichtig zurück, ohne mich umzudrehen. Der übergroße Innenspiegel des Cadillacs genügte vollkommen.

      Ein dumpfer Schlag traf den Wagen!

      Ich trat instinktiv auf die Bremse, hörte einen dumpfen Aufprall, dann das schmerzerfüllte Seufzen eines Menschen.

      Mist! Was war nun geschehen? Ich riss die Tür auf und sprang aus dem Wagen.

      Eine sehr schlanke junge Frau mit auffallend langen tiefschwarzen Haaren lag direkt hinter dem Reifen des Cadillacs. Sie stöhnte. Auf ihrem Gesicht lag ein schmerzerfüllter Ausdruck. Die rechte Hand presste sie fest gegen das Knie, wo sie die Stoßstange des Wagens getroffen hatte. Die Frau musste direkt in das Auto gelaufen sein.

      Ich kniete neben der Verletzten nieder. Ich war absolut sicher, dass die Straße leer gewesen war, den Rückspiegel hatte ich nicht eine Sekunde aus dem Auge gelassen!

      „Es ... es tut mir leid“, sagte ich unbeholfen. „Ich habe Sie übersehen.“

      „Übersehen?“, keifte eine Stimme hinter mir.

      Ich sah auf und blickte in das Gesicht eines alten, glatzköpfigen Mannes. Er trug einen schäbigen Freizeitanzug, ein billiges, seit Jahrzehnten aus der Mode gekommenes Nylonhemd und schwang drohend seinen Spazierstock.

      „Übersehen?“, wiederholte er aggressiv. „Die junge Frau hat die ganze Zeit dort gestanden. Sie sind direkt in sie hineingefahren!"

      Robin Barnes fuhr auf. „Rufen Sie lieber einen Krankenwagen, statt Volksreden zu halten“, sagte er gereizt. „Die Frau ist verletzt.“

      Der Alte grinste boshaft. „Damit ihr inzwischen die Fliege machen könnt, wie?“, fragte er. „Ich habe es genau gesehen. Sie haben die arme Frau ja fast mit Absicht über den Haufen gefahren. Es ist immer dasselbe mit euch. Nur, weil ihr euch dicke Schlitten leisten könnt, denkt ihr, die Straßen gehören euch!“

      Er wandte sich an die Verletzte. „Wenn Sie mich als Zeuge brauche, dann ...“

      Die Frau schüttelte mühsam den Kopf und versuchte aufzustehen. Ich half ihr, zuckte jedoch erschrocken zurück, als ich den Arm der Verletzten berührte. Die Haut fühlte sich kalt und tot an, wie bei einer Leiche, die auf dem Tisch der Pathologie lag. Außerdem könnte ich die schwarzmagische Aura der Frau spüren, sie strahlte eine ungewöhnlich starke Macht aus. Als ich erschrocken zurücksprang, glommen die Augen der verletzten Schwarzhaarigen schadenfroh auf und nahmen einen rötlichen Farbton an.

      „Zuerst einmal rufen wir einen Krankenwagen“, sagte ich entschieden, um diesen Moment zu überspielen. „Wir besprechen alles andere später. Natürlich werde ich sie entschädigen. Ich habe den Unfall schließlich verschuldet.“

      „Wenn es ein Unfall war“, murmelte Barnes.

      Ich sah meinen Partner verwirrt an. „Wie meint du das?“

      Sein rechter Zeigefinger richtete sich drohend auf den Alten, der noch immer dastand und mich streitlustig musterte.

      „Ist doch recht praktisch, gleich einen Zeugen bei der Hand zu haben, nicht wahr?“, erklärte er.

      „Was soll das heißen?“

      Barnes fuhr unbeirrt fort. „Nichts“, sagte er ruhig. „Noch nicht, jedenfalls. Aber weder du noch ich haben die Frau gesehen. Und sie behaupten, dass sie die ganze Zeit über dagestanden hat.“

      „Hat sie auch!“, brüllte der Alte. Er schnaufte, bedachte Barnes mit einem vernichtenden Blick, den dieser mit einem gleichgültigen Lächeln quittierte, und wandte sich dann an das Unfallopfer.

      „Lassen Sie sich bloß nicht einschüchtern. Wir sollten die Polizei rufen. Die wird dann die Sache schon klären.“

      Die Frau schüttelte mühsam den Kopf. „Keine Polizei“, sagte sie. Ihre Stimme klang seltsam fremd, irgendwie eingeübt, so, als hätte sie selten die Gelegenheit, sie zu benutzen.

      Etwas an der Verletzten störte mich. Es war nichts ungewöhnlich in einer Großstadt schwarzmagische Wesen anzutreffen. Sie existierten neben den Menschen und lebten unauffällig. Aber diese Schwarzhaarige strahlte etwas Ungewöhnliches und extrem Mächtiges aus.

      „Du solltest einen Krankenwagen rufen, Robin.“

      Barnes nickte, ging zurück zum Auto, um sein Handy aus dem Aktenkoffer zu holen.

      „Bitte keinen Krankenwagen. Mir geht es gut. Ich bin nicht verletzt“, beharrte die Schwarzhaarige.

      „Gleich wird sie Ihnen Geld anbieten“, keifte der Alte, durch die Abwesenheit meines Partners merklich mutiger geworden. „Gehen Sie nicht darauf ein. Diese reichen jungen Gören glauben, sich alles erlauben zu können. Aber das Recht können Sie mit Ihrem Geld nicht kaufen. Noch nicht, jedenfalls.“

      Ich fuhr erbost herum, meine dunklen Augen blitzten wütend auf.

      „Es reicht“, sagte ich mit mühsam beherrschter Stimme. „Ich weiß, dass ich an dem Unfall schuld bin. Es tut mir aufrichtig leid, und ich werde die Verletzte entschädigen. Aber zuerst kümmern wir uns darum, dass sie in ärztliche Behandlung kommt.“

      Normalerweise gehörte einiges mehr dazu, mich aus der Fassung zu bringen. Aber ich war nach dem Unfall nervös, und die vollkommen unbegründete Aggressivität des Alten reizte mich noch mehr.

      „Vielleicht sparen Sie sich Ihre schlauen Sprüche auf, bis die Polizei hier ist“, zischte ich.

      Das Selbstvertrauen des Alten schien merklich angeknackst. Augenscheinlich hatte er sich in mir getäuscht – wie schon viele vor ihm. Trotz meines jugendlichen Aussehens war ich eine Frau, die durch ein paar böse Worte allein nicht einzuschüchtern war.

      Ich spürte eine zaghafte Berührung an der Schulter und drehte mich um.

      „Hören Sie, Miss“, sagte die verletzte Frau, „es ... es geht mir schon viel besser. Ich glaube nicht, dass wir den Krankenwagen benötigen.“

      Ich runzelte unwillig die Stirn. Die Frau wirkte blass und verstört, und in ihren Augen stand ein seltsames Flackern. Ganz offensichtlich stand sie unter einem Schock.

      „Es


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