Lust auf Sex, Blut und Rache. Anne Pallas

Lust auf Sex, Blut und Rache - Anne Pallas


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hüpfte sie auf dem verletzten Bein auf und ab. Aber offensichtlich hatte sie sich unterschätzt. Sie stieß einen schmerzhaften Seufzer aus, taumelte und wäre gestürzt, wenn ich nicht blitzschnell zugegriffen und sie am Arm gehalten hätte.

      Und in diesem Moment geschah es!

      Die Schwarzhaarige krallte sich an mir fest, so als müsste sie gestützt werden. Aber das war nicht der Grund ihrer Aktion. Sie ritzte mit ihrem Fingernagel die Haut meines Unterarms auf. Ich spürte, wie die Wunde heiß wurde, wie mein Blut ungewöhnlich zirkulierte, als müsste es gegen einen eindringenden Fremdkörper anzukämpfen.

      Ich sprang einen Schritt von der Schwarzhaarigen zurück, die sich gegen den Wagen lehnte und mich hochmütig anlächelte. Was sollte das bedeuten?

      „Sehen Sie!“, keifte der Alte. „Ich habe ja gesagt, die Frau ist verletzt! Und Sie sind schuld!“

      Ich verstand nicht, was der Auftritt des Alten bedeutete. Aber er ging entschieden zu weit. In mir wallte plötzlich Zorn auf. Dem Alten sollte eine kleine Lektion erteilt werden. Ich beschloss, ihn mit einem bösen Zauberspruch für sein unverschämtes Verhalten zu bestrafen.

      Die Straße hinter mir war leer, als ich mich umdrehte!

      Ich runzelte verblüfft die Stirn, sah hastig nach rechts und links und hielt nach dem alten Mann Ausschau.

      Er war verschwunden!

      „Aber das ist doch unmöglich“, flüsterte ich fassungslos. Die wenigen Sekunden, die ich den Alten aus den Augen gelassen hatte, waren viel zu kurz gewesen, als dass ein Mensch spurlos verschwinden konnte.

      Plötzlich spürte ich eine seltsame, unerklärliche Kälte, so, als würde ich von einem eisigen Windstoß getroffen. Ich schauderte.

      Ich drehte mich erneut um, um nach der Schwarzhaarigen zu sehen.

      Aber die Frau war ebenfalls verschwunden!

      Ich hatte allerhöchstens vier, fünf Sekunden nach dem Alten Ausschau gehalten. Mit dem verletzten Bein konnte sie in dieser Zeit unmöglich weiter als ein paar Schritte gekommen sein. Aber die Straße zu beiden Seiten war leer. Und das einzige Gebäude, das er in den wenigen Augenblicken erreicht haben konnte, war das Hotel.

      Ich eilte mit raschen Schritten um den Wagen. Robin saß auf dem Beifahrersitz und telefonierte mit seinem Handy. Ich riss die Tür auf.

      „Wo ist sie?“, fragte ich übergangslos.

      „Wer?“

      „Die junge Frau, die ich angefahren habe“, entgegnete ich ungeduldig. „Sie ist verschwunden.“

      „Verschwunden?“, echote Robin. „Was heißt das?“

      „Verschwunden wie verschwunden“, erklärte ich gereizt. „Weg. Nicht mehr da. Fort. Ich hatte mich einen Augenblick umgedreht, um mit diesem komischen Alten zu reden. Als ich wieder hinsah, war die Frau weg. Aber sie kann mit ihrem verletzten Bein unmöglich weiter als ein paar Schritte gelaufen sein. Ich dachte, sie wäre vielleicht um das Auto gegangen.“

      Robin schüttelte den Kopf. „Ich habe niemanden gesehen, Anne. Die werden sich aus dem Staub gemacht haben. Wahrscheinlich haben sie gemerkt, dass sie mit ihrem Trick an die falschen geraten sind.“

      „Was für ein Trick?“

      „Er ist nicht gerade neu, aber sie versuchen es immer wieder. Und es gibt noch genügend Dumme, die darauf hereinfallen. Diese Gauner arbeiten meist zu zweit. Einer springt vor einen Wagen und mimt den Verletzten, der andere tritt als zufällig anwesender Zeuge auf und beschwört, dass das Opfer wirklich unschuldig an dem Unfall ist.“ Er grinste. „Die beiden konnten es sich nicht leisten, auf die Polizei zu warten.“

      Ich winkte widerwillig ab. Robins Worte klangen logisch und überzeugend. Aber irgendwie sträubte ich mich dagegen, die Erklärung zu akzeptieren. Mit den beiden hatte etwas nicht gestimmt. Die schwarzmagische Aura der Frau hatte ich eindeutig gespürt, daher glaubte ich einfach nicht daran, dass es sich nur um zwei geschickte Trickbetrüger gehandelt hatte. Außerdem begann die Wunde an meinem Unterarm zu brennen, die Stelle, die der Fingernagel aufgeritzt hatte.

      Und da war noch ein Gedanke, der sich in mein Bewusstsein einnistete: Ich war absolut sicher, dass die Straße hinter dem Wagen leer gewesen war, als ich in den Spiegel gesehen hatte.

      Constable Macbain kritzelte etwas in seinen Block, schüttelte den Kopf und steckte seinen Kugelschreiber zurück.

      „Ich glaube“, sagte er nach kurzem Überlegen, „dass Mister Barnes Recht hat.“

      Er klappte seinen Notizblock zu und schenkte mir ein scheues Lächeln.

      „Wahrscheinlich haben die beiden wirklich versucht, Sie hereinzulegen. Ein uralter Trick. Ich bin froh, dass Sie nicht darauf hereingefallen sind.“

      Ich erwiderte den Blick des Polizisten gelassen. Robin hatte trotz meines Protestes darauf bestanden, die Polizei einzuschalten. Ich gab mir Mühe, meine Verärgerung darüber nicht an dem jungen Beamten auszulassen.

      „Wenn ich ehrlich sein soll“, sagte ich nach einer Weile, „wäre es mir am liebsten, wenn wir die ganze Angelegenheit so schnell wie möglich vergessen würden.“

      „Sie wollen keine Strafanzeige stellen?“

      Ich lächelte flüchtig. „Gegen wen? Ich wüsste kein Gesetz, nach dem sich ein Unfallopfer strafbar macht, wenn es sich weigert, eine Entschädigung anzunehmen.“

      Macbain überlegte sichtlich. Auf der einen Seite mochte er froh sein, die Angelegenheit so schnell erledigen zu können. Aber ich war sicher, dass ihm seine Vorgesetzten eingeschärft hatten, die Sache mit aller Aufmerksamkeit zu verfolgen. Schließlich zuckte er mit den Achseln und stand auf.

      „Wie Sie wünschen, Miss Pallas.“

      „Trotzdem vielen Dank für Ihre Hilfe, Constable“, sagte ich.

      Der Polizist nickte nochmals und schritt zu seinem Streifenwagen zurück. Robin starrte ihm stirnrunzelnd nach. Dann drehte er den Kopf und musterte mich durchdringend.

      „Was ist eigentlich mit dir los?“, fragte er unverblümt.

      Ich zuckte unwillig mit den Achseln. „Nichts. Ich ...“

      Ich brach ab, schüttelte den Kopf und ging zum Auto zurück, um meine Handtasche zu holen, in der sich meine Glock-17 Dienstwaffe befand. Normalerweise brauchte ich keine Pistole, um mich zu verteidigen oder um meinen Willen durchzusetzen. Mit einem gut gesetzten Zauberspruch würde es auch gehen. Aber meine Chefin von der CEDIS, Julie Waldenfels, bestand auf diese lächerliche Waffe. Sie meinte, ich solle in Schottland nicht als Hexe auffallen, sondern als normale Sicherheitsbeamtin durchgehen.

      „Ich fühle mich nicht wohl“, flüsterte ich. Mein Blut wurde immer heißer, ich konnte den Temperaturanstieg genau spüren.

      „Der Unfall“, meinte Robin nickend. „Vergiss ihn. Die junge Frau kann nicht schwer verletzt gewesen sein. Sonst wäre sie wohl kaum so schnell verschwunden. Vielleicht war sie wirklich ein Betrüger.“

      Ich starrte schweigend die Straße entlang. Ich wusste, dass er Recht hatte, aber die seltsame unerklärliche Unruhe, die von mir Besitz ergriffen hatte, schien sich eher noch zu verstärken. Irgendetwas war mit dieser Frau nicht in Ordnung gewesen. Ich war mir vollkommen sicher, dass sie im Rückspiegel des Autos nicht sichtbar gewesen war.

      Eigentlich war das vollkommen unmöglich. Jeder Mensch, jeder materielle Gegenstand, hatte ein Spiegelbild. Nein, das Geheimnis, das diese junge Frau umgab, musste anderer Natur sein. Erneut dachte ich an die schwarzmagische Aura der Frau. War es eine Hexe, ein Dämon oder eine Vampirin gewesen?

      Ich stieß mich vom Auto ab und ging auf Robin zu. Es hatte keinen Sinn, sich den Kopf über etwas zu zerbrechen, das ich im Moment sowieso nicht lösen konnte.

      „Du hast Recht“, flüsterte ich. „Es wird Zeit, dass wir wieder unseren Posten einnehmen.“

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