Das Sex-Phantom. Sara Jacob

Das Sex-Phantom - Sara Jacob


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neugewonnenen Freiheit? Schlich ich mich tatsächlich in das Kanzleramt und sah mir an, wie Gerhard Schröder so lebte? Irgendwie interessierte es mich nicht,

      Doch ich war ja nicht nur unsichtbar, ich war frei.

      Ich konnte Stars nackt sehen, in den Prominentenabsteigen in Berlin Mitte in die Hotelzimmer gehen und mir die Film- und Musikgrößen nackt ansehen. Aber all das interessierte mich nicht.

      Es gab nur eine Person, die ich nackt sehen wollte, ganz nackt.

      Sarah war über ein Jahr lang meine Fata Morgana gewesen, von der 12. Klasse bis zum Abitur und noch ein wenig darüber hinaus. Immer vor Augen und doch niemals greifbar.

      Sie war der Boxer, der mich mit seinen Schlägen auf Distanz hielt. Gewinnen konnte ich den Kampf nie, doch ich hatte den Kampf nicht abbrechen können, weil ich meinen Gegner liebte.

      Sarah. Knapp 180 Zentimeter große Sehnsucht. Begierde. Traum. Langes, schwarzes Haar, die schönsten Brüste und der perfekteste Po. Manchmal hielt ich es für Liebe, wenn ich nächtelang nicht schlafen konnte und dabei nur an sie dachte; wenn ich in der Schule versuchte, ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken und sie dann mied, wenn es mir gelungen war, weil ich niemals erfolgreich sein konnte.

      Vielleicht war es mehr Besessenheit als Liebe. Die Sehnsucht nach Zurückweisung. Erniedrigung. Nach Schlägen ins Gesicht. Am Ende trennten uns die Ringrichter, und ich trug am Kopf eine tiefe Wunde namens Sarah davon, die nie verheilte.

      Ich hätte auf der Schule so viele andere Freundinnen haben können. Stattdessen verliebte ich mich unsterblich in eine, die genau wusste, dass ich niemals der richtige für sie sein würde. Sie mochte mich, und ich konnte ihr einen einzigen Kuss während der Abiturfeiern abringen.

      »Ach Leon«, sagte sie einmal, »du bist nicht der, den ich mir vorstelle.« Wen sie sich vorstellte, sagte sie nicht. Doch ich wollte nicht, dass sie mich mochte. Ich wollte, dass sie mich liebte. So wie ich sie liebte. Und ich wollte mehr Küsse, wollte Berührungen, wollte sie besitzen, sie ficken.

      »Wie willst du mich, damit du mich lieben kannst?«, fragte ich sogar einmal, als ich nächtelang nicht schlafen konnte. Wenn sie mich nicht als den liebte, der ich war, wollte ich so sein, wie sie es sich vorstellte. Doch sie gab mir keine Antwort. Und dann war die Schulzeit um, und wir sahen uns nicht mehr. Sie verschwand. Selbst zu den Treffen der Ehemaligen kam sie nicht.

      Jahre später, als ich in Hamburg lebte, montierte ich Fotos mit ihrem Gesicht auf nackte Körper anderer Frauen und stellte mir vor, wie ich Sex mit ihr hatte. In allen Positionen.

      In allen Situationen. In alle Öffnungen. Und vor allem auf der Interrailtour, die wir gemeinsam mit vier anderen Freunden gemacht hatten und nach der nichts mehr so war, wie zuvor. Nie wieder verschwand sie aus meinem Kopf. War immer da. Ein Ideal, das ich hochhielt und an dem ich jede andere Frau maß.

      Ich glaubte an sie, weil sie Leidenschaft in mir entfachte, die mir sonst so häufig im Leben fehlte. Die Wunde namens Sarah, die ich so viele Jahre gekratzt hatte, weil ich den Schmerz genoss, verheilte nie. Erst später erfuhr ich, dass Sarah niemals vorhatte, ein normales Leben zu führen und nur einen einzigen Mann in ihrem Leben akzeptieren würde.

      »Ach Leon«, wiederholte sie wieder, und endlich ergaben ihre Worte einen Sinn, »du bist nicht der, den ich mir vorstelle.«

      Schlagartig begriff ich, warum ich nicht Mr. Right gewesen war und nie sein konnte.

      Sarah.

      Alles, was ich wollte, war ein Blick auf ihren nackten Körper um zu sehen, ob er so war, wie ich ihn in meinen Träumen gesehen hatte. Und auch wenn der Gedanke an die versuchte Vergewaltigung über allem stand, so war ich mir sicher, dass mein Schicksal mich zu dem Puzzleteil gemacht hatte, der in Sarahs Leben passte.

      6.

      Vorerst jedoch war ich noch einige Stunden im Sexshop gefangen. Und ich hatte nicht vor, hier Trübsal zu blasen.

      Ganz im Gegenteil.

      Ich gönnte mir keine Ruhepause. Ich fand die Imitation einer Möse mit einem darüberliegenden Arschloch und penetrierte das mit wachsender Neugier.

      »Ich fick dich in den Arsch«, feuerte ich mich an, weil ich es geil fand.

      Beim Blättern durch einen Porno fand ich eine Seite mit kostenpflichtigen Telefonnummern und hoffte, dass das Telefon hinter dem Tresen nicht gesperrt war.

      Analversaute Spielchen war genau mein Ding.

      Ein zerschlissener Bürostuhl, dessen Federung quetschte, bot mir besten Blick auf den Porno. Ich legte die Beine auf dem Tresen ab, so dass ich in der einen Hand den Hörer halten und mit der anderen Hand den Dildo bedienen konnte.

      Nach dem zweiten Klingeln ging eine Frau ran. Ja, ich war einverstanden, dass diese Kosten über die Telefonrechnung abgewickelt wurden. Was sie so mache, fragte ich.

      »Was willst du denn?«

      »Ich will dich in den Arsch ficken.«

      Ich führte mit der Plastikmöse die dazu passenden Bewegungen aus.

      »Willst du nicht erst ein bisschen Vorspiel? Ich möchte, dass du mich ausziehst.«

      Vorspiel. Ja, auf meine Kosten. Nein, korrigierte ich mich, auf die des Sexshops. Aber ich wollte doch genau das nicht. Das Fehlen eines Vorspiels war, was ich am virtuellen Sex so geil fand. Kein Davor, kein Danach, einfach nur Reize empfangen, den Kick im Kopf spüren und danach auflegen.

      Ich spürte, wie die Lust sich in einen Winkel meines Kopfes verkroch und dort in einen Schlummer fiel.

      »Wer ruft sie so an? Einsame Menschen? Fetischisten?«

      »Auch. Manchmal sind es ganz normale Männer, Geschäftsleute, Familienväter. Ich erfahre nicht so viel über sie. Sie wollen meistens, dass ich rede und von mir erzähle. Was bist du?«

      »Ich bin unsichtbar. Man sieht mich nicht.«

      »Für mich sind sie alle unsichtbar.«

      Ich lachte. Es tat gut, mit jemandem zu reden. Es war nicht einmal zwei Tage her, seit ich das letzte Wort gewechselt hatte, und nie hätte ich gedacht, dass es mir einmal fehlen könnte.

      »Erzähl mir von deinen Wünschen.«

      »Ich mag es in den Arsch. Ich will immer nur den Arsch. Von hinten ist es am geilsten, dann muss ich nicht reden oder sie ansehen oder an sie denken. Ich sehe nur den Arsch. Ich weiß nicht warum, ich habe vor allem Lust auf Distanz.«

      Die Worte sprudelten nur so aus mir heraus, und ich merkte, dass mir die Fähigkeit fehlte, ihnen einen Sinn zu geben. Ich wusste nicht, was meine Wünsche waren. Ich wollte nackte Haut, ich wollte Sex, wollte den Kick im Kopf, den Orgasmus, wollte Pobacken massieren und eine Möse am Schwanz spüren, wollte Titten fühlen, aber ich wollte auch keine Nähe.

      »Das klingt nicht einfach.«

      »Ich weiß.«

      Ich schwieg. Das war mir zu kompliziert.

      »Also? Was ist? Willst du, dass ich es dir jetzt mache?«

      »Am Telefon?«

      »Deshalb hast du doch angerufen.«

      »Stimmt.«

      Sekundenlang schwieg ich.

      »Also? Magst du es, wenn ich mich für dich hinknie?«

      Ja, mag ich. Ich starrte auf den Porno, der über den Fernseher flimmerte. Ich hatte Lust, geile Dinge zu sagen. Ohne Konsequenz.

      »Zieh deine Pobacken auseinander.«

      »Mmmh, macht dich das an?«

      »Willst du, dass ich dich in den Arsch ficke?«

      Ich saß mit dem Telefonhörer auf dem Bürosessel und fickte mich dabei eine Plastikpuppe in den Arsch. Dazu flüsterte mir eine unsichtbare Frau die obszönsten Dinge ins Ohr. Es war geil. Und doch war es falsch. Es war unecht. Es war absurd.

      Ich


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