Little Pearl. Madlen Schaffhauser

Little Pearl - Madlen Schaffhauser


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als ich über den Sauger steige und Dylan nach unten folge, spüre ich mein wild hämmerndes Herz. Allein Sawyers Auftauchen ist der Grund dafür. Plötzlich bekomme ich Panik, dass er schon wieder verschwinden könnte. »Wo gehst du hin?«

      »Ich hole den Schrank.«

      »Du weißt gar nicht, wo er steht«, rufe ich und sehe ihn gerade noch, um die Ecke ins Esszimmer biegen.

      »Doch!«, kommt es zurück.

      Als ich auch endlich in den ehemaligen Wohnraum komme, der zu einem Esszimmer umfunktioniert wurde, öffnet Dylan gerade die Schranktür. Sie gibt ein lautes Knarren von sich.

      »Warum ist der noch voll?« Sichtlich genervt dreht er sich zu mir.

      Was er kann, kann ich auch. Alles muss ich mir nicht gefallen lassen. »Wenn du angerufen hättest, hätte ich ihn vorher leerräumen können.« Ich stelle mich zwischen ihn und dem Schrank. »Außerdem bin ich keine Prinzessin«, fauche ich ihn an.

      Dylan ignoriert mich geflissentlich und greift hinter mich. »Was ist das denn für Schnickschnack?« Er breitet eine weiße Spitzendtischdecke aus und rümpft die Nase. »Oder das?« Schon hat er eine zweite und eine dritte in der Hand. »Für was brauchst du das alles?«, fragt er und deutet auf den mit Decken und anderen alten Sachen vollgestopften Schrank.

      »Das geht dich nichts an.« Ehrlich gesagt, überlege ich mir schon lange, was ich mit all dem Zeug machen soll. Ich finde sie zu altmodisch, als dass ich sie meinen Gästen auflegen würde. Vielleicht sollte ich es Mom überlassen, was sie damit tun will. Schließlich stammen diese Dinger von ihr und meiner Großmutter.

      «Wo soll ich sie hinlegen?«

      Überrascht sehe ich auf Dylans Hände, in denen er einen Stapel Stoff hält. Jetzt erkenne ich auch das Tattoo, das ich bei unserem ersten Treffen nicht richtig sehen konnte. Eigentlich sind es mehrere, die ineinander verschlungen sind. Ein Frauengesicht, das von stacheligen Ranken umrandet ist. Ich öffne schon den Mund, um ihn zu fragen, wer das ist, stattdessen sage ich: »Was machst du da?«

      »Nach was sieht es denn aus?« Er schaut mich abwartend an. Als ich mich weder bewege, noch ihm sage, wo er die Sachen hinpacken soll, hebt er eine Augenbraue. »Also?«

      Ich kann nicht anders, meine Mundwinkel verziehen sich zu einem breiten Grinsen.

      »Was?«, fragt Dylan verärgert.

      Aber seine Stimme klingt nicht so gehässig, wie ich es eigentlich von ihm gewohnt bin. Was mich dazu bringt, in sein Gesicht zu sehen. Zum ersten Mal wirken seine markanten Züge weicher. Mir bleibt fast die Luft weg, als ich seinen Augen begegne. Doch sobald er meinen Blick bemerkt, wird seine Miene wieder hart.

      »Nichts, nichts.« Du siehst zum Anbeißen aus.

      Solche Gedanken sollte ich nicht haben, ich weiß. Dennoch fühle ich mich zu ihm hingezogen, obwohl er sich eher wie ein Arschloch als ein Kavalier verhält.

      »Du kannst sie auf den Tisch hier legen.« Ich nehme ebenfalls einen Berg weißer Deckchen und staple sie auf den uns am nächsten stehenden quadratischen Esstisch. »Aber du brauchst das nicht machen. Ich kann dich anrufen oder eine Nachricht schicken, sobald ich hier fertig bin.« Insgeheim hoffe ich, er möge meinen Vorschlag ablehnen, damit ich noch ein wenig seine Gesellschaft genießen kann.

      Andererseits habe ich Angst, einer meiner Brüder könnte auftauchen. Sie wären von Dylans Anwesenheit nicht gerade begeistert. Große Untertreibung. Es würde Ärger geben zwischen ihnen und mir, was ich überhaupt nicht leiden kann.

      »Keine Sache, wenn du auch etwas mehr anpacken würdest.«

      Erwischt hebe ich ruckartig den Kopf, um nicht weiter auf seinen Bizeps zu starren, der sich, wenn er etwas hochhebt, deutlich unter dem feinen Baumwollstoff seines T-Shirts abzeichnet.

      Dylan steht keine zwei Schritte vor mir und sieht mich mit kritischem Ausdruck auf dem Gesicht an.

      »Tut mir leid«, entschuldige ich mich schnell und wende mich ab. Meine Wangen fühlen sich warm an. Hoffentlich hat er nicht bemerkt, wie peinlich es mir ist, dass er mich beim Gaffen erwischt hat. »Was glaubst du, wie lange du für die Restauration brauchst?« Ich möchte ihn so viele andere Dinge fragen, wie zum Beispiel: Was hat dich nach Little Pearl geführt? Wie alt bist du? Wo wohnen deine Eltern? Hast du eine Freundin? Allerdings getraue ich mich nicht. Ich bin neugierig aber nicht aufdringlich.

      »Eine Woche.«

      »Was, nur? Das ist schnell.«

      »Nicht wirklich«, sagt er, als er sich bückt und abermals in den Schrank greift. »Ach du meine Fresse«, schnauft Dylan. »Was ist denn hier noch drin?« Er nimmt eine anscheinend schwere Kartonschachtel aus dem Kasten und stellt sie auf den Boden.

      »Keine Ahnung«, sage ich und sehe mich im Raum um. »O je.« Ich rolle mit den Augen. Mittlerweile sind neun der zwölf Stühle und alle sechs Tische, die um den Kamin stehen, mit Krams aus dem Schrank belegt. »Wo sollen denn jetzt die Gäste frühstücken?«

      Es ist mehr ein Pusten als ein Lachen, das durchs Esszimmer geht. Während ich mir verzweifelt Gedanken über das herrschende Chaos mache, scheint sich Dylan köstlich zu amüsieren, auch wenn in seinem Gesicht nichts von Erheiterung zu lesen ist.

      Ich habe ihn noch nie wirklich lachen gehört oder ihn Lächeln sehen. Und mit einem Mal frage ich mich, warum er sich verbietet, glücklich zu sein.

      Er klopft sich die Hände an der Hose ab und dreht sich zum Durchgang, der in den Flur führt. »Hab ich Glück, dass das nicht mein Problem ist«, reißt mich Dylan aus meinen Überlegungen. »Ich hole den Hubroller und werde mal das Prachtstück aufladen. Wenn ich mit meiner Arbeit fertig bin, werde ich dir Bescheid geben.«

      »Dieses Mal wirst du mich aber erst anrufen, ehe du hier auftauchst«, sage ich bevor Dylan aus dem Raum verschwinden kann.

      »Klar, Prinzessin.«

      Ich stemme meine Hände in die Hüfte und werfe ihm giftige Pfeile zu. »Ich. Bin. Keine. Prinzessin. Es definiert mich mit etwas, was ich nicht bin. Kapiert?«

      Er hebt bloß die Augenbrauen. »Wie du meinst, Clé.«

      Verdutzt über den neuen Spitznamen, der sich irgendwie wie ein Kosewort anhört, sehe ich seinem breiten Rücken nach. Normalerweise nennen mich die anderen Cee oder Céc. Na auch egal, Hauptsache er sagt mir nicht mehr Prinzessin.

      Ich muss mir unbedingt überlegen, wo ich mit den Sachen aus dem Schrank hinwill. Ich kann wohl schlecht alles liegen lassen. Also hole ich ein paar Kisten aus dem Keller, stopfe sie nacheinander voll und stelle sie im Flur unter die Treppe, wo sie weniger auffallen. Sobald ich Zeit habe, werde ich sie in den Keller verfrachten. Während ich meiner Arbeit nachgehe, kommt Dylan wieder. Vor sich her stoßend einen Transportroller. Gerade als er das Möbelstück befestigt, klingelt das Telefon.

      Ich renne in den Flur, wo sich das Haustelefon auf einem Tresen, das gleichzeitig mein Empfangsbereich bildet, befindet und nehme ab. »Blue House Inn, Cécile am Apparat. Was kann ich für Sie tun?« Um in Ruhe telefonieren zu können, gehe ich in die Küche. Bevor ich mich in den angrenzenden Raum begebe, schnappe ich mir noch schnell meinen Kalender.

      »Hallo, ich würde gern ein Zimmer buchen«, sagt eine männliche Stimme.

      »Da sind Sie bei mir genau richtig. Wann und für wie lange möchten Sie kommen?« Während ich das frage, ziehe ich den Deckel meines Schreibers ab.

      »Am achten Juli. Ich weiß, ich bin etwas spät«, fügt er schnell an, »aber ich hoffe, Sie haben dann noch ein Zimmer für mich und meine Freundin.«

      »Warten Sie bitte einen kurzen Moment. Ich muss in meiner Agenda nachsehen«, sage ich dem Mann am anderen Ende der Leitung und blättere währenddessen im Kalender. »Sie haben Glück. Ich habe da noch ein Zimmer. Es wird Ihnen gefallen.« Ich lächle in den Hörer, weil nun alle sechs Zimmer für den gesamten Monat vermietet sind. »Für wen darf ich also die Buchung aufnehmen?«

      Nachdem


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