Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen


Скачать книгу
bleibe ich auch zu Hause.“

      „Wenn du bei Marcel ausgezogen bist, wo wohnst du denn dann jetzt?“, fragt Michaela.

      Was soll ich ihnen antworten? Ich will keine langen Erklärungen abgeben.

      „In Tims Wohnung. Er hat sie mir überblassen.“ Da keiner weiß, wo die ist, besteht auch nicht die Gefahr, dass sie mein Domizil verraten.

      Michaela und Sabine sehen sich grinsend an. „Ach, in Tims Wohnung! Sieh an.“ Sabine lacht. „So viel zu - keine Männer mehr.“

      „Ich wohne nur in seiner Wohnung. Mehr nicht.“

      Andrea raunt: „Tim? Nicht dein Ex, oder?“

      „Oh doch!“, säuselt Sabine. „Der ist noch schwer hinter ihr her. Ihr hättet an Ellens Geburtstag dabei sein sollen. Was für eine Show! Und dann die Story von dem Fluch!“

      „So Mädels, ich muss weiter“, sage ich schnell. Ich will nicht, dass die Geschichte jetzt auf den Plan kommt.

      „Wohin willst du denn?“, fragt Susanne.

      „Ich gehe mir jetzt einen Job suchen“, antworte ich nur und eile in die Unterführung, die mich zur Fußgängerzone bringt. Die anderen sehen mir perplex hinterher.

      Froh, ihnen entronnen zu sein, gehe ich durch die Fußgängerzone und überlege, was ich jetzt machen soll.

      Als erstes kaufe ich mir eine Kugel Pfefferminzeis. Das ist für meine angeschlagene Psyche. Dann schlendere ich weiter, schaue mir ganz in Ruhe die Schaufenster an und genieße, dass ich tun und lassen kann, was ich will. Es gibt weder eine Ellen, die mich von A nach B zerrt, noch einen Marcel, der erwartet, dass ich pünktlich zu Hause bin.

      Wow! Ungewohnt! Aber durchaus angenehm. Noch nie konnte ich mir so ausgiebig und in Ruhe die Auslagen der unzähligen Geschäfte anschauen.

      Ich beschließe, die ganze Fußgängerzone hinaufzuschlendern, bis ich an das kleine Cafe komme, dass einen Zettel im Fenster hängen hat, dass dort Aushilfen gesucht werden.

      Erst habe ich Schwierigkeiten, es wiederzufinden. Es ist in einer kleinen Nebenstraße in der Altstadt und ich hatte es nur durch Zufall gesehen, als wir an Ellens Geburtstag zu einer der Kneipe gegangen waren.

      Ich bin ziemlich nervös, als ich das Cafe betrete. Aber ich möchte es wenigstens versuchen.

      Eine Frau mittleren Alters, mit langen schwarzen Haaren, braunen Augen und braun gebrannter Haut, sieht mir freundlich entgegen und bringt zwei Männern, die an einem der vielen Tische sitzen, Kaffee.

      Ich stelle mich an den Tresen und warte bis sie zurückkommt.

      „Guten Tag!“, grüßt sie und ich antworte ihr: „Hallo, mein Name ist Carolin Maddisheim und ich wollte fragen, ob sie noch eine Aushilfe suchen.“

      Die Frau wirkt überrascht und sieht mich von oben bis unten an. Dann lächelt sie und antwortet: „Ja, schon. Hast du denn so etwas schon mal gemacht?“

      Ich schüttele verlegen den Kopf.

      „Was für Arbeitszeiten stellst du dir denn vor?“

      „Ich kann jeden Tag ab fünfzehn Uhr“, antworte ich schnell und Hoffnung steigt in mir auf.

      „Oh, jeden Tag. Das hört sich gut an. Die meisten können nur bestimmte Tage oder zu Zeiten, wo ich niemanden gebrauche.“

      „Ich arbeite, wenn ich gebraucht werde. Aber bis halb drei habe ich immer Schule.“

      „Schule? Auf welche Schule gehst du denn?“

      „In die Hauswirtschaftsschule in Haste.“

      Die Frau lacht. „Das ist gut. Da war meine Tochter auch.“

      Da noch keine weiteren Gäste da sind, unterhalten wir uns über die Lehrer und wie das jetzt in der Schule läuft. Ich fühle mich sofort wohl und scheinbar mag mich die Frau, die sich als Alessia vorstellte. Ihr gehört das Cafe, dass sie eigentlich allein betreibt. Aber da sie auch Oma ist und für ihre Enkel etwas mehr Zeit haben will, sucht sie jemanden, die ihr hilft.

      Als erneut Gäste kommen, schiebt sie mich hinter den Tresen und zeigt mir alles. Sie geht zu den zwei Pärchen und fragt, was sie wünschen und gibt ihnen die Karte.

      Ich schaue mir in der Zwischenzeit die Kühltheke mit den verschiedenen Kuchen an. Natürlich erkenne ich viele, weil wir einige davon in der Schule schon selbst gebacken haben. Und auch die Kaffeesorten kann ich benennen und weiß, wie sie hergestellt werden. Hier macht das allerdings eine Maschine, die auf Knopfdruck alles liefert.

      Alessia kommt zur Theke zurück und zeigt mir, wie sie die Kuchen auf die Teller stellt, Kuchengabeln gekonnt in die Kuchenstücke steckt, dass sie halb auf dem Teller liegen, aber trotzdem nicht durch die Gegend purzeln. Dann stellt sie die Unterteller und Kaffeetassen auf kleine Tabletts, legt Zucker und Milch dazu und stellt an jede Tasse ein Glas kaltes Leitungswasser. Dann zeigt sie mir die Bedienung der Kaffeemaschine.

      Die Gäste möchten zwei Cafe latte Macchiato und zwei Cappuccino. Ich sehe Alessia zu, wie sie alles zubereitet und zu dem Tisch bringt. Dann geht sie zu den anderen Gästen, die bezahlen wollen. Als sie wieder an den Tresen kommt und ich dem Pärchen zusehe, wie es sich von den Stühlen erhebt und er ihr in die Jacke hilft und sogar die Tür aufhält und uns ein freundliches: „Bis bald!“, zuruft, lächele ich Alessia an. „Die sind aber nett.“

      Sie schmunzelt und um ihre braunen Augen ziehen sich unzählige kleine Fältchen. „Die kommen jeden Nachmittag.“

      Ich gehe zu dem kleinen Tisch und hole die zwei Kaffeetassen an die Theke. Alessia putzt den Tisch ab.

      „Meinst du, du hättest Lust hier zu arbeiten?“, fragt sie mich nach meinem ersten Eindruck und ich nicke.

      „Magst du heute schon hierbleiben und weiter zuschauen?“

      „Ja, gerne“, sage ich begeistert.

      So vergeht der Nachmittag wie im Flug. Ich darf schon einige Café Macchiato caldo, Café Latte Macchiato und Cappuccino mit Milchschaumverzierungen machen, und alle Kuchensorten kann ich bald aus dem FF.

      Alessia freut sich über meine Wissbegierde und hält mich für ein Coffeemaker-Talent. Außerdem gefällt ihr, wie ich mit den Gästen umgehe, die mir alle sehr freundlich begegnen. Sie sagt, dass nicht jeder die Ausstrahlung hat und den Leuten ein Lächeln auf die Gesichter zaubert. Dann erzählt sie mir von ihrer Heimat Italien und den sonnigen Gemütern dort.

      Als wir um halb acht alles sauber haben und sie hinter uns die Tür abschließt, freue ich mich schon auf den nächsten Nachmittag, an dem ich kommen darf.

      „Wie ist es mit Montag?“, fragt sie.

      „Ich komme gerne“, freue ich mich über meinen Job und bin richtig glücklich.

      „Dann bis Montag.“

      Sie geht und ich bleibe unschlüssig stehen und weiß erst nicht, was ich als Nächstes machen möchte. Am liebsten würde ich jemanden anrufen und von meinem neuen Job erzählen. Aber wen? Meine Eltern wage ich nicht anzurufen, weil sie bei Julian waren und bei ihnen die Stimmung bestimmt wieder voll am Boden ist. Marcel fällt auch aus. Tim ist bestimmt mitten in seinen Auftrittsvorbereitungen und Ellen soll noch gar nichts davon wissen. Also gibt es niemanden.

      Ich schlendere erneut durch die Fußgängerzone und überlege, ob ich mir ein Hähnchen vom Kochlöffel gönnen soll. Alessia hatte mir zwanzig Euro in die Hand gedrückt, obwohl ich nichts haben wollte. Ab Montag bekomme ich acht Euro die Stunde. Ich freue mich riesig darüber und nehme mir schon mal vor, mich bis dahin noch über alle Kaffeesorten und Kuchen ausführlich schlau zu machen. Ich möchte unseren Gästen etwas bieten.

      Ich nehme mir die andere Seite der Geschäfte vor und bestaune die Auslage … und träume auch schon davon, mir mal was kaufen zu können.

      Beim Kochlöffel suche ich mir im oberen Stockwerk einen Platz und esse ein halbes Hähnchen. Ich esse es sogar ganz auf. Tim


Скачать книгу