Die wichtigsten Naturwissenschaftler im Porträt. Fritz Krafft

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und so auch aus der Wirkweise hintereinander geschalteter Rollen zur Erfindung des Flaschenzuges geführt werden (die Berechnung kombinierter Maschinen findet sich im Anschluss daran in den ›Mechanika‹ Herons von Alexandria, der im 1. Jahrhundert als Lehrer der mathematischen Wissenschaften am Museion in Alexandria wirkte und in archimedischer Manier auch pneumatische und hydraulische Gerätschaften behandelte). In diesen Zusammenhang gehört sein Ausspruch: »Gib mir einen Punkt, wo ich stehen kann, und ich werde die Erde [mittels Maschinen] in Bewegung setzen« (nach dem damaligen Weltbild befand sich die Erde unbewegt im Mittelpunkt des Universums). – Jener andere Ausspruch, den er unter wohl legendären Umständen beim Baden getan haben soll, das »εὕρηκα« (»Ich habe es gefunden!«), hängt mit der Entdeckung der genau seinem Volumen entsprechenden Wasserverdrängung eines eingetauchten Körpers und seiner Gewichtsverminderung um den Betrag, den dieses Volumen Wasser ausmacht, zusammen (sogenanntes Archimedisches Prinzip), also mit der Entdeckung der Methode, das spezifische Gewicht eines Körpers exakt mittels hydrostatischer Wägung zu bestimmen. Hieron II. von Syrakus soll ihn gebeten haben nachzuprüfen, ob bei der Anfertigung eines goldenen Kranzes das gelieferte Gold auch vollständig verarbeitet worden war, ohne dabei das Kunstwerk selbst zu zerstören. Archimedes’ eigentliche Arbeiten zur Statik der Einfachen Maschinen und zur Hydrostatik sind allerdings schon in der Spätantike verloren gegangen, lassen sich jedoch in großen Zügen aus den Schriften der alexandrinischen Gelehrten Heron und Pappos rekonstruieren. Von seinen Schriften sind auch vor allem nur diejenigen erhalten, die von dem alexandrinischen Mathematiker Eutokios von Askalon im 5. Jahrhundert herausgegeben und kommentiert worden waren; und diese wurden bereits im lateinischen Mittelalter rezipiert und trugen dann seit der Renaissance wesentlich zur Entstehung neuzeitlicher Mechanik und Mathematik bei.

      Archimedes blieb mit seinen ›mechanischen‹ Arbeiten allerdings noch ganz im Rahmen der aristotelischen Differenzierung zwischen ›Kunst‹ und ›Natur‹, indem er Probleme ›künstlicher‹ Mechanik durch eine Reduzierung auf die ihren Geräten schon von der Konstruktion her zugrunde liegende Geometrie mathematisch löste, wie er umgekehrt auch mathematische Probleme durch in der ›Mechanik‹ entwickelte Verfahren einer Lösung zuführte. Die Mathematik selbst war das verbindende Agens, die ›Mechanik‹ eine Angewandte Mathematik. Das macht ihn aus der Sicht moderner Physiker zu einem Aristoteles weit überlegenen, scheinbar modern denkenden, einzigen ›artverwandten‹ Physiker der Antike. Er war aber reiner Mathematiker und somit auch ›Mechaniker‹, der zu den Fragestellungen der antiken ›Physik‹ im Gegensatz zu denen der praktischen ›Mechanik‹ (Technik) auch im eigenen Selbstverständnis wenig beizutragen vermochte. Erhalten haben sich aus diesem Bereich allerdings nur, wenn auch in verkürzter und dem neuen Zweck angepasster Form, eine axiomatische Ableitung des Hebelgesetzes und die Behandlung der Gewichtsverluste verschieden tief ins Wasser getauchter ›Schwimmender Körper‹, weil Archimedes diese mechanischen Erkenntnisse in verblüffender Weise neben in der Praxis verwendeten Indivisibeln (als Ansatz zu einer Integralrechnung) später zur Lösung rein mathematischer Probleme nutzte, etwa zur Bestimmung des Flächen- und Volumenverhältnisses verschiedener geometrischer Körper und des Schwerpunktes krummlinig begrenzter Flächen und deren Rotationskörper oder zur Quadratur der Parabel. Die das Verfahren beschreibende und begründende methodische Schrift (›Ephodos‹) wurde erst 1899 wieder entdeckt. Gemäß der strenge(re)n Auffassung der Antike von der Mathematik bedurfte die aufgefundene Lösung dann allerdings noch eines rein geometrischen Beweises. Hier wurde also umgekehrt die Mathematik von den ›mechanischen‹ Hilfsverfahren, die nach antiker Auffassung allein der Heuristik dienen konnten, klar und deutlich abgegrenzt.

      Besonders widmete Archimedes sich auch der Berechnung von Oberfläche und Volumen geometrischer (Rotations-)Körper. Von dem Axiom, das Umfassende sei größer als das Umfasste, ausgehend gelang ihm dabei entgegen der Annahme des Ari­stoteles wenigstens näherungsweise eine Quadratur des Kreises; er bestimmte die Größe π sehr exakt als zwischen 310/70 und 310/71 liegend (während man in der Praxis wie schon im alten Ägypten von dem Wert 3 ausging). Archimedes entwickelte weiterhin eine Exponentialschreibweise zur Darstellung beliebig großer Zahlen mit Oktaden (108) als Stufeneinheiten (die Griechen kannten noch nicht die dezimale Schreibweise) und konnte damit aufzeigen, dass nicht nur die Zahl der Sandkörner an einem Strand nicht unzählbar ist, sondern dass selbst die Anzahl jener, die das ganze Weltall füllen würden, ohne weiteres darstellbar sei – selbst wenn man der Hypothese des Aristarchos von Samos folge und die Erde um die Sonne kreisen lasse, was ja einen sehr viel größeren Kosmos ergäbe, da sich dann die Erdbahn statt der Erdkugel im Verhältnis zur Fixsternsphäre wie ein Punkt verhalten müsse. – Dieses ist der einzige Hinweis im gesamten Schrifttum der Antike auf die zur Erklärung des Entstehens der Himmelserscheinungen einmal von Aristarchos rein hypothetisch geäußerte Alternative zur Geozentrik.

      Klaudios Ptolemaios

      (* um 100 n. Chr. Ptolemais [Oberägypten], † um 160)

      Klaudios Ptolemaios, der während des zweiten Drittels des zweiten Jahrhunderts in Alexandria, der Hochburg griechischer Wissenschaft und Forschung im Hellenismus, wirkte, hat die mathematischen Inhalte der Astronomie, Optik und Harmonik (Musiklehre) als letzter kreativer Vertreter mathematisch-naturwissenschaftlicher Forscher der griechisch-römischen Antike für lange Zeit abschließend bearbeitet; allein Diophantos, der im 3. Jahrhundert ebenfalls in Alexandria wirkte, erarbeitete mit der Zahlentheorie ein für die Antike neues Gebiet, allerdings aus der reinen Mathematik. Die Spätantike beschränkte sich dann auf die Einbettung der Erkenntnisse in philosophische Systeme (vor allem des Neuplatonismus und des Stoizismus) und auf die Kommentierung älterer philosophischer, mathematischer und naturwissenschaftlicher Schriften, wobei durchaus neue Einzel­erkenntnisse mit einflossen, während die Römer sich überhaupt vorwiegend der selektiven Zusammenfassung des vorliegenden Wissens widmeten.

      Aus dem Leben des Ptolemaios ist aufgrund seiner Beobachtungsdaten lediglich bekannt, dass er zwischen den Jahren 127 und 147 in Alexandria astronomische Beobachtungen angestellt hat; um so größer ist aber der Einfluss seiner Werke auf seine Zeitgenossen und die Folgezeit bis ins 17. Jahrhundert gewesen. Den größten hatte von ihnen ohne Zweifel die ›Syntaxis mathematike‹ (›Mathematische Zusammenstellung‹), das nach einer arabisch-lateinischen Verballhornung so genannte ›Almagestum‹. Das Werk ist allerdings mehr als eine Zusammenstellung der mathematischen Kenntnisse zur Astronomie; denn Ptolemaios ent­wickelt hier darüber hinaus auf der Grundlage eigener und älterer Beobachtungen besonders des Hipparchos zumindest für die Planeten ein erstes, ältere Theorie-Elemente zusammenfassendes Bewegungsmodell, das den beobachteten Planetenörtern für lange Zeit genau genug entsprach, und in seinen übrigen Teilen ist das ›Almagestum‹ als das erste systematische Handbuch der mathematischen Astronomie anzusprechen, dessen Aufbau und Inhalt noch lange vorbildlich bleiben sollten.

      Nach den Beweisen für die zu den Berechnungen und Tafeln benötigten geometrischen Sätze und einer allgemeinen Einführung in das geozentrische Weltbild auf der Grundlage aristotelischer Physik ist das 3. Buch der Bewegung der Sonne und den Jahrespunkten gewidmet, wobei Ptolemaios zwar im Anschluss an die beiden alexandrinischen Mathematiker Adrastos von Aphrodisias und Theon von Smyrna die kinematische Gleichwertigkeit der von Apollonios von Perge vorgeschlagenen Epizykeltheorie und der Exzentertheorie des Hipparchos betont, sich aber wegen der größeren Einfachheit bei der Sonne für die letztere entscheidet. Die scheinbar ungleichförmige Bewegung der Sonne wird daraufhin aus der Exzentrizität ihrer Kreisbewegung abgeleitet. Für den Mond zog Ptolemaios die Epizykeltheorie ihrer größeren Anpassungsfähigkeit wegen vor, musste sie aber zur Berücksichtigung der von ihm entdeckten Evektion gegenüber Hipparchos durch einen beweglichen Exzenter als Träger des Epizykels, auf dem der Mond herumgeführt wird, erweitern. Für die damals bekannten fünf Planeten Saturn, Jupiter, Mars, Venus und Merkur reichte nicht einmal die Kombination beider Bewegungsmodelle aus, um die von der Erde aus ungleichförmig erscheinenden Bewegungen als aus sich überlagernden gleichförmigen Kreisbewegungen (einem Epizykel auf exzentrischem Trägerkreis / ›Deferenten‹) resultierend darstellen zu können. Ptolemaios musste vielmehr einen sogenannten Ausgleichskreis einführen, um die im Anschluss an die aristotelische Physik geforderte Gleich- und Kreisförmigkeit aller Bewegungskomponenten zu erhalten: Der Epizykelmittelpunkt bewegt sich weiterhin auf einem zur Erde exzentrischen Kreis, jedoch


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