Migration|Integration|Exklusion - Eine andere deutsch-französische Geschichte des Fußballs. Группа авторов

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gewirkt, längerfristig aber eine integrative Eigendynamik entwickelt hat: Faktoren wie das Schiedsrichterwesen, die Jugendarbeit und die mit dem Spielbetrieb einhergehende Erlebnisdimensionen haben zu einem wachsenden emotionalen Beheimaten im regionalen und sozialen Umfeld der „Gastarbeiter“-Spieler beigetragen.

      Die Gründungsmythen und tatsächlichen Exklusions- und Inklusionsmechanismen „italienischer“ Fußballvereine in Luxemburg betrachten Jean Ketter und Denis Scuto (Luxemburg) in ihrem Aufsatz. Anhand der Beispiele von Jeunesse Esch und Alliance Dudelange dekonstruieren sie den vermeintlich italienischen Einfluss bei der Gründung luxemburgischer Fußballvereine als Mythos: Zwar sind in den Arbeitervereinen schon in der Frühphase italienischstämmige Spieler vertreten gewesen, eine federführende Rolle spielten diese aber erst in den 1960er und 1970er Jahren. In einer Langzeitperspektive lässt sich konstatieren, dass Migranten*innen aus Italien in Luxemburg heute häufig als Inbegriff gelungener Integration gelten, während die in den 1970er Jahren einsetzende portugiesische Zuwanderung eher als problembehaftet wahrgenommen wird, was sich auch in der Reputation der jeweiligen Fußballvereine widerspiegelt oder am langen Zögern des luxemburgischen Fußballverbandes, portugiesische Vereine in den regulären Spielbetrieb zu integrieren.

      Schließlich stellt Andreas Praher (Salzburg) mit der Salzburger „Jugoliga“ den exemplarischen Fall eines mono-ethnischen Spielbetriebs in Österreich vor: Hintergrund war der Abschluss des Anwerbeabkommens mit Jugoslawien 1966. Das Bundesland Salzburg entwickelte sich zu einem beliebten Zuzugsraum für Migranten*innen aus Jugoslawien, die 1973 etwa ein Fünftel der dortigen Arbeitskräfte ausmachten. Jugoslawische Clubs wie Arena Grödig haben sich seit 1970 gegründet und sich Andreas Praher zufolge bei der Namensgebung an Teams in der Heimat angelehnt oder an die dortige Herkunftsregion: Entsprechend eng blieben die grenzüberschreitenden Fußballkontakte. Ersichtlich wird besonders die starke Präsenz und der Einfluss des jugoslawischen Staates, der auf fortwährende Heimatbindung setzte, den Spielbetrieb mitfinanzierte, zugleich kontrollierte, ob die Vereine im Sinne des Titoismus ethnisch durchmischt waren oder ob an nationalen Feiertagen auch sportliche Wettkämpfe stattfanden: Ein wichtiger Grund, der erklärt, warum die „Jugoligen“ nie in den österreichischen Fußballverband eingegliedert worden und heute aus dem kollektiven Gedächtnis nahezu verschwunden sind.

      Fußball & Migration soziologisch – Deutsche und französische Blicke

      Im dritten, weniger zeithistorisch als sozialwissenschaftlich orientierten Kapitel bietet zunächst William Gasparini (Strasbourg) Einblicke in die möglichen integrativen und exklusiven Effekte des Profifußballs. Beispielhaft wird die Équipe Tricolore angeführt, die gemessen an den anderen Nationalmannschaften die höchste Dichte an Spielern mit Migrationshintergrund aufweist; als eine Art effet de réel nach Roland Barthes wird deshalb Gasparini zufolge die französische Gesellschaft – auch dank der hohen Präsenz des Fußballs in den französischen Medien – noch stärker als Migrationsgesellschaft wahrgenommen. Dabei wird deutlich, dass sich je nach Blickwinkel der (Profi-)Fußball verschieden interpretieren lässt: als Sport der Arbeiterklasse, als Ergebnis der kolonialen Vergangenheit, als Beleg für gesellschaftliches Versagen oder für eine gelungene Integration. Laut Gasparini bedient damit der Fußball eine – im Bourdieuschen Sinne – mentale Disposition, die unbewusste Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsschemata bedingt: Nationalmannschaften können vor diesem Hintergrund sowohl zum Symbol gelungener Integration stilisiert wie auch als Zielscheibe rassistischer Anfeindungen missbraucht werden.

      Sebastian Braun (Berlin) beschäftigt sich in seinem Beitrag aus sportsoziologischer Warte mit der Relevanz deutscher Sportvereine für Integrationsprozesse von Menschen mit Migrationshintergrund. Nach einführenden Bemerkungen zu den vielen staatlich geförderten und verbandspolitisch umgesetzten Programmen der letzten Jahrzehnte folgen Ausführungen zur Rolle der Vereine. Dabei unterscheidet Braun zwei grundlegende Ebenen: erstens die Binnenintegration innerhalb von Vereinsstrukturen („Integration in den Sport“) und zweitens außenintegrative Effekte der Sportclubs („Integration durch den Sport“). Während Aspekte der Binnenintegration mit Blick auf das Vereinsleben und das damit verknüpfte soziale Miteinander relativ leicht zu greifen seien, lasse sich die externe Wirkung – sprich: das „übersportliche“ Zusammenwachsen von Menschen verschiedener Herkunft durch gezielt öffentlich geförderten Sport als „Gesellschaftskitt“ – weitaus schwieriger messen. Stets zu berücksichtigen seien dabei Faktoren wie soziale Ungleichheit oder auch subtile Schließungsmechanismen formal offener Vereine. Über „Spill-over-Effekte“, die sich an die Idee von „Integration durch den Sport“ knüpfen und entsprechende Integrationsleistungen auf andere Handlungskontexte wie Schule oder Beruf übertragen sollen, kann deshalb, so Sebastian Braun, bisher nur wenig empirisch Belastbares gesagt werden.

      Den Fragen, welche Formen von Integrationsverständnis und Integrationspolitik in Deutschland und in Frankreich vorherrschen und wie ähnlich bzw. wie unterschiedlich die nationalen Fußballverbände – die Fédération Française de Football (FFF) und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) – mit Diversität im Spitzen- wie im Amateurfußball umgehen, widmet sich der Beitrag von Pierre Weiss (Luxemburg). Herausgearbeitet wird ein Schema, das sich über mehrere Vergleichsachsen definiert und das für den französischen Fall eine primär räumliche Dimension im Umgang mit Fußballspielenden aus Migrationskontexten hervorhebt, für den deutschen Fall eher eine soziale Dimension, die unmittelbare Maßnahmen im Sinne „kompensatorischer Diskriminierung“ umfasst. Der Artikel setzt sich mit den Vor- und Nachteilen beider Ansätze auseinander, betont aber zugleich, dass letztlich nur dominante Trends zu erfassen sind, die kaum die tatsächliche Komplexität der Gegebenheiten widerspiegeln. Eine Gemeinsamkeit im Vorgehen der Fußballverbände sieht Pierre Weiss in der Grundsatzentscheidung, einen nachdrücklichen Kampf gegen Diskriminierungen zu führen, anstatt eine Politik der Repräsentation ethnischer Gruppen zu betreiben.

      Vor dem Hintergrund dominanter Gender-Ansätze im Erforschen des Frauenfußballs macht Camille Martin (Lyon) im abschließenden Aufsatz darauf aufmerksam, dass solche Analysen vielfach von gesellschaftlich und ethnisch homogenen Gruppen ausgehen, ohne die Differenzkategorien soziale Klasse und kulturelle Herkunft mit einzubeziehen. Dabei hat es wegen der relativ geringen Anzahl an Frauenfußballteams eine hohe Wahrscheinlichkeit, sozial wie ethnisch recht gemischte Gruppen vorzufinden, die sich gemeinsam für ein sportliches Ziel einsetzen. Auf der Basis eigener Einsichten, gewonnen aus der Praxis teilnehmender Beobachtung in einem Verein aus dem Großraum Paris, kann Camille Martin komplexe, ambivalente und stark situationsabhängige Verhaltens- und Kommunikationsmuster der Fußballerinen untereinander anschaulich dokumentieren: Je nachdem, ob sich diese sich im Gesamtteam oder in Untergruppen bewegen, können die Diskurse sowohl der „weißen“ als auch der „migrantischen“ Spielerinnen stark variieren: zwischen xenophob angehauchten und anti-rassistischen Konnotationen auf der einen Seite, zwischen national-französischen und herkunftsbezogenen Identifikationen auf der anderen Seite.

      Kontexte und Danksagungen

      Wie bereits erwähnt gehen die folgenden Artikel bis auf den Beitrag von Camille Martin auf die Saarbrücker Tagung „Migration│Integration│Exklusion – Spannungsfelder einer deutsch-französischen Gesellschafts- und Kulturgeschichte des Fußballs in den langen 1960er Jahren“ im Juli 2018 zurück. In der Hoffnung, dass das Ergebnis allseits zufrieden stimmt, sei zunächst den Autorinnen und Autoren ganz herzlich gedankt, die vor eineinhalb Jahren den Weg an die Saar gefunden, im Rahmen der Veranstaltung einen Vortrag gehalten und später eine ausgearbeitete schriftliche Version zu Publikationszwecken abgeliefert haben. Weiterer Dank gebührt etlichen anderen Personen, die – wie Franz-Josef Brüggemeier (Freiburg) – zum wissenschaftlichen Gelingen der Tagung durch substanzielle Debattenbeiträge oder Kommentare im Laufe der drei Tage unentbehrlich gewesen sind. Ohne die fachdisziplinäre Expertise und wohlwollende Kritik aus geschichts-, kultur-, medien-, sozial- und sportwissenschaftlichen Blickwinkeln, ohne die Offenheit und Diskussionsfreude wäre das Umsetzen eines primären Tagungszieles kaum gelungen: nämlich das Ausloten von Stichhaltigkeit, Mehrwert und Erkenntnispotenzialen einer migrationshistorisch fokussierten und transnational deutsch-französisch-europäisch angelegten Fußballgeschichte der langen 1960er Jahre, die – wie eingangs gezeigt – weiterhin in den Kinderschuhen steckt.

      Veranstaltet


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