Deine Wahl / Your Choice - Zweisprachiges E-Book Deutsch / Englisch. Christopher Peterka
Cupertino, Kalifornien, und die vielen anderen Datenzentren. Die benötigte Energie erzeugt Apple zu einem großen Teil selbst, hauptsächlich über Solarinstallationen auf dem Dach des Hauptquartiers mit einem Output von 17 Megawatt – die zurzeit mächtigste Solardachanlage der Welt.
Jeff Bezos, der CEO von Amazon, und Bill Gates, Gründer und früherer CEO von Microsoft, sind Investoren in Malta. Nicht der kleine Staat im Mittelmeer ist gemeint, sondern ein Start-up, das aus X entwickelt wurde, dem experimentellen Zweig von Alphabet, der Firma, in deren Besitz sich Google befindet. Malta erforscht die Möglichkeiten, Energie aus erneuerbaren Quellen durch Erhitzen geschmolzenen Salzes zu speichern. Dies könnte enorm nützlich werden, denn eine der größten Herausforderungen bei der Erezeugung von Solarenergie, über die Kalifornien reichlich verfügt, sind immer noch lokale Speicher. Sollte sich dieses Vorhaben also als erfolgreich erweisen, wird dies ein weiterer Schritt in Richtung der Sicherung einer stetigen Energieversorgung sein.
Wir denken eigentlich nicht sofort an Apple, Amazon oder Microsoft als Energiekonzerne. Sie sind allerdings alle schon in Energieunternehmen involviert, entweder direkt oder indirekt.
NEUE SCHLACHTFELDER, NEUE RECHTE, NEUE IDENTITÄTEN
[UM VIRTUELLES TERRITORIUM WERDEN HEFTIGE REVIERKÄMPFE AUSGETRAGEN.]
Obwohl, wie gesagt, die Entwicklung des Internets mit Geldern des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums gefördert wurde, liegt die frühe Geschichte viel näher an der Hippiekultur und einer sehr idealistischen, fast utopischen Perspektive. Es ging um einen freien, demokratischen, offenen, unbeschränkten Bereich für Kommunikation, Information, Austausch, Lernen und Gemeinschaft. Dieses Ideal ist leider dahin.
Mittlerweile werden Revierkämpfe um virtuelles Territorium ausgetragen, und sie sind ähnlich schwer wie jene, die auf klassischen Schlachtfeldern stattfinden.
Manche sind recht subtil, andere weniger. Huawei ist ein klarer Fall, der bereits viel Aufmerksamkeit erhalten hat. Ähnlich auch die handfesten Belege zur Einmischung der russischen Regierung in Wahlen und Abstimmungen in mächtigen westlichen Demokratien. Aber das ist eher die Spitze eines gewaltigen Eisbergs. Auch in der kommerziellen Sphäre findet ein ständiger Kampf um die Vorherrschaft statt.
Statt viele unabhängige und unterschiedliche Anbieter geschaffen zu haben, ist das Internet eher zu einer Art digitalem Superkontinent geworden, auf dem sich alles – alle Arten von Produkten und Dienstleistungen – im Besitz eines halben Dutzends von Unternehmen befindet. Wir bezeichnen sie als GAFATA, was momentan die wichtigsten Spieler umfasst.
In dieser Art Konfrontation sieht man einen Hauptspieler – sagen wir Amazon –, der sich plötzlich einfach weigert, bestimmte Produkte einer Firma anzubieten, mit der er sich in Konkurrenz befindet, wie zum Beispiel Apple. Das ist kein hypothetischer Fall, sondern ein aktueller Fakt.
Das Wasser wird trüber und alles noch komplexer, wenn kommerzielle Interessen und staatliche Überwachung auf erklärte Ideologien und implementierte Kontrolle über den Datenverkehr treffen.
Sagen wir mal, ich gehe nach China mit meinem Laptop oder Smartphone und entdecke, dass ich weder Google noch andere gewohnte und für mich wichtige Dienstleistungen nutzen kann. Was kann ich tun? Na ja, ich kann eine kleine Software herunterladen, die ein Virtuelles Privates Netzwerk (VPN) erzeugt, das mir erlaubt, einen virtuellen »Tunnel« unter Chinas Firewall hindurchzugraben und so zu tun, als wäre ich woanders. Wahrscheinlich funktioniert das eine Weile ganz gut, aber: Wer besitzt das VPN? Kann ich ihm wirklich meine Daten anvertrauen? Wer versichert mir, dass die Leute, die mir meinen kleinen persönlichen Tunnel bereitstellen, mit den Leuten, unter deren Mauer ich hindurchgraben will, nicht unter einer Decke stecken?
[IST ES NOCH MÖGLICH, PRIVAT ZU SEIN? UNSICHTBAR?]
Oder ich gehöre zu einer Gruppe von Leuten, die in großen Teilen der Welt diskriminiert werden. Zum Beispiel die LGBT-Community. Im Juli 2019, zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Buches, gibt es immer noch 69 Länder auf der Welt, die Homosexualität gesetzlich einschränken oder verbieten. Wenn du in eines dieser Länder reist, wird dein Onlineprofil eventuell nicht nur zum Hindernis, etwa weil du kein Visum bekommst, es könnte auch zur existenziellen Bedrohung werden, zum Beispiel weil du verhaftet und angeklagt oder von einer Meute verprügelt wirst.
Was genau bedeutet es für mich, in einer Welt zu sein, in der meine virtuelle und körperliche Existenz nicht trennbar sind? Bedeutet es, dass ich, um sicher und halbwegs frei zu sein, mehrere Profile erstellen muss? Entspräche dies einer multiplen Persönlichkeit? Wie würde ich das überhaupt anstellen? Schau dir zum Beispiel dein Facebook-Profil, dein Amazon-Konto und deine Apple-ID an: Sie sind alle ein Teil desselben Korbs an Vermögenswerten, den deine Person darstellt. In vielerlei Hinsicht tragen sie dazu bei, dass es im digitalen Zeitalter so bequem ist, du zu sein. Das Ganze ist eine Sache der Funktionalität: Allein die Tatsache, dass ich für eine ganze Reihe von Apps, ob Einkauf, Dating oder Sonderdienstleistung, mein Facebook-Profil nutzen kann, um mich einzuloggen, macht alles so einfach. Es ist brillant. Und auch das, was mich digital unmöglich von meiner Online-Identität unterscheiden lässt.
Das führt uns zu dem Punkt, dem wir bisher ausgewichen sind – die Privatsphäre. Ist es in Anbetracht all dieser Umstände immer noch möglich, privat zu sein? Unsichtbar zu sein? Wenn wir es wollen? Wollen wir überhaupt noch privat sein? Und wenn ja, wer soll diese Privatsphäre schützen? Welche Gesetze können nicht nur meine Privatsphäre, sondern auch meine grundlegendsten Menschenrechte schützen?
Die Verquickung von virtueller und realer Sphäre hat es völlig unmöglich gemacht, zu erkennen, wer was kontrolliert, wer die Regeln bestimmt, wer sie befolgt und wer sie schlichtweg ignoriert. Wir haben einen Dschungel verzweigter Interessen, verschachtelter Kompetenzen und diffuser Verantwortlichkeiten erschaffen und das Ganze in etwa so gut reguliert wie den Wilden Westen. Kein Wunder, dass wir in der Patsche sitzen.
Was wir also brauchen, ist ein umsichtiges, differenziertes und diszipliniertes Management der digitalen Infrastruktur und Organisation. Nicht um irgendjemandem Kontrolle darüber zu geben, sondern um für einen angemessenen Grad an digitaler Hygiene zu sorgen, eine gesunde Welt, in der Beziehungen transparent sind und in der wir als Bürger und Gemeinschaft einen Schutz unserer Rechte erfahren und unser körperliches und digitales Wohlergehen garantiert wird.
[WIR BRAUCHEN EINE CHARTA, DIE GESETZLICH DIE INTEGRITÄT UND DAS WOHLBEFINDEN ALLER VERANKERT.]
Dazu gehört die Klärung der Frage, was möglich und was vertretbar ist. Gibt es für das, wozu wir technisch in der Lage sind, auch eine ethische Rechtfertigung? Mit jedem Schritt unserer technologischen Evolution haben wir uns genau diese Frage stellen müssen, am gründlichsten bei der Kernforschung. Obgleich dieses Dilemma bei weitem nicht neu ist, erreicht es uns schneller als zuvor und ist vielleicht jetzt auch komplexer. Die Atombombe wurde und wird bis heute zur Abschreckung verfügbar gehalten: Wenn man genug Zerstörungskraft auf Knopfdruck abrufbereit hält, um die gesamte Zivilisation zu vernichten, dann traut sich auch dein Gegner nicht, sein Potenzial einzusetzen – verfügbar gehalten. Ein hochriskantes Kalkül, das bisher aber scheinbar aufgeht. Die heute notwendigen Entscheidungen scheinen allerdings weit weniger eindeutig und offensichtlich, dabei jedoch nicht weniger wichtig.
Wenn wir ein regelndes, ethisches, anwendbares Rahmenkonzept fordern, das unsere Menschenrechte als digitale Bürger definiert und schützt, dann stellt sich natürlich die Frage: Wer soll diese Aufgabe erfüllen? Wer entwirft welche Art Charta und unterschreibt sie? Wer stellt sicher, dass die »digitalen Superstaaten« – GAFATA und wer immer im Laufe der nächsten Jahre als globaler Spieler dazukommt – sich daran halten?
Wir behaupten, dass sie selbst es sein müssen. Nicht isoliert, sondern in engem Verbund mit den G20 und den Vereinten Nationen.
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges – der bis heute größten von Menschen ausgelösten Katastrophe – von den Vereinten Nationen verabschiedet. Sie war der erste Versuch, auf globaler Ebene die grundlegendsten Rechte, die alle Menschen unabhängig