Deine Wahl / Your Choice - Zweisprachiges E-Book Deutsch / Englisch. Christopher Peterka

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demnächst als Ziel formuliert werden und ist prinzipiell von einigen großen deutschen Gewerkschaften und auch amerikanischen Unternehmen anerkannt. Manche Firmen allerdings haben sie getestet und für nicht praktikabel befunden. Aber je mehr Routinetätigkeiten von Robotern und Maschinen übernommen werden, je weniger wir vor Stress unseren ruhelosen Verstand verlieren, je weniger Zeit wir für geregelte Arbeit aufwenden und dafür mehr Zeit für andere Dinge frei haben, scheinen wir Schritte in die richtige Richtung zu machen.

      Unser aus dem 20. Jahrhundert übernommenes Überlebensprinzip bringt uns um. Der Schweizer Uhrenhersteller TAG Heuer wirbt schon lange mit dem Slogan und seit kurzem auch dem Hashtag »Don’t crack under pressure« (Brich unter Druck nicht zusammen). Es ist ein cleveres Wortspiel und eines, das im Kontext der abgebildeten Sportlegenden, die es sich nicht leisten können, unter Druck einzuknicken, absolut Sinn ergibt.

      Aber als Mentalität für unsere heutige Gesellschaft als Ganzes ist diese Einstellung, die aus den Nachkriegsjahren entsprungen ist und wesentlich unser Denken seit den 1980er-Jahren durchdrungen hat, eine furchtbare Idee. Wenn wir wollen, dass unsere Welt, genau wie wir selbst, gesund und human ist, dann müssen wir uns gelegentlich erlauben, unter Druck auch mal nachzugeben. Wir müssen für frühe Anzeichen von Druck empfänglich sein und reagieren, um ihn zu reduzieren, um Risse im Fundament von Anfang an zu vermeiden. Und wenn die Frakturen mal da sind, tapeziert man dann einfach drüber? Oder kümmert man sich lieber gleich um die Reparatur?

      Ist es möglich, eine andere Herangehensweise zu kultivieren und diese Sprünge zu feiern, sie in etwas Schönes zu verwandeln, wie im japanischen Kintsugi, wo zersprungene Objekte weder weggeworfen noch makellos wiederhergestellt werden, sondern die Sprünge mit Edelmetallen gefüllt werden, um die Geschichte des Objektes und sein Überleben zu unterstreichen?

      Wovon wir hier sprechen, ist, wieder mal, ein Wandel in der Herangehensweise. Eine Entspannung der Angelegenheiten. Vielleicht weniger neu als neu gedacht. Langsamer, ganzheitlicher, humaner. Es bedeutet nicht, alles abzustellen und komplett neu anzufangen, sondern den Unterschied zwischen solidem Wachstum und Wucher, ungehemmtem Wachstum zu erkennen; zwischen Auswuchs und Anstieg: in Substanz, Wohlbefinden, Struktur. In Gesundheit.

      Der Vorschlag, alles zu entschleunigen oder Wachstum neu zu denken, mag vehemente Reaktionen erzeugen. Manche Leute, vor allem jene, die mit dem historischen Prinzip stets expandierender wirtschaftlicher Aktivität, also »Wohlstand«, aufgewachsen sind, werden sich tendenziell bedroht und ängstlich fühlen, dass man ihnen etwas wegnehmen möchte. Das Auto, das Steak, den Urlaub auf Mauritius. Aber darum geht es hier gar nicht.

      Die Bandbreite von guter, befriedigender materieller Existenz bis hin zu Wucher – Exzess bis zum Punkt der Zerstörung – ist riesig. Und unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Prioritäten in unterschiedlichen Lebensabschnitten. Deine Arbeit mag es notwendig machen, zweimal die Woche mit dem Flugzeug zu fliegen. Vielleicht musst du deine Kinder mit dem Auto zur Schule bringen und von dort auch wieder abholen. Und vielleicht liebst du es einfach, dein Wochenende auf deinem Motorboot zu verbringen.

       [WIR HABEN VON ALLEM GENUG.]

      Freude, Spaß und Feuerwerk sind Teil unserer Zivilisation, sie machen uns zu Menschen. Feiere sie. Um das richtige Maß zu finden, muss man auch mal übers Ziel hinausschießen. Es ist nicht das Verhalten, das unserem Planeten wirklich Schaden zufügt. Der kommt von dauernder systematischer Überlastung, und gegen die kommen wir nicht an, wenn wir den Leuten ihren gelegentlichen Exzess verbieten wollen. Viel eher müssen wir die Struktur unserer Wirtschaft unter die Lupe nehmen wie auch einen kritischen Blick darauf werfen, was wir auf prinzipieller Ebene im Leben priorisieren, tagein, tagaus.

      An dieser Stelle wollen wir zwei Punkte wiederholen und betonen:

      Erstens: Knappheit. Die Idee, dass wir nicht genug Energie oder genug Wasser oder genug Raum auf dem Planeten haben, um alle zu versorgen, die ihn jetzt bewohnen, als auch für die, die in den nächsten zwei, drei Jahrzehnten noch dazukommen, ist eine Täuschung. Wir haben von allem genug. Der Planet ist reich an Wasser und Energie, und Land gibt es auch mehr als genug. Unser Problem ist, dass wir es nicht optimal nutzen, dass wir unsere Ressourcen in vielen bewohnten Bereichen der Welt überstrapazieren und dabei immer noch von fossilen Brennstoffen abhängig sind. Wir können – und wir werden – die globale Bevölkerung mit nachhaltiger, erneuerbarer Energie versorgen, und wir können – und werden – die Mittel finden, um Wüsten in fruchtbares Ackerland zu verwandeln, und wir können – und werden – die Kapazität haben, um die knapp zwei Milliarden weiteren Brüder und Schwestern willkommen zu heißen, deren Ankunft wir noch in unserer menschlichen Familie erwarten können, bevor das Bevölkerungswachstum ganz natürlich abflacht. Nicht weil alle in einem ökologischen Armageddon krepieren, sondern weil das passiert, wenn Bevölkerungen einen Sättigungsgrad an Bildung und materiellem Wohlstand erreichen.

      Zweitens: Besitz. In Erinnerung an das, was wir oben über die Sharing Economy geschrieben haben, müssen wir uns ernsthaft fragen, was »Besitz« bedeutet und warum wir ihn wollen. Nützt er uns, oder knechtet er uns mehr, als er uns befreit? Das ist keine verkleidete marxistische Argumentation, sondern eine einfache, gerechtfertigte Frage: Wenn du ein geteiltes Auto fahren kannst, wann immer du es brauchst, warum eines besitzen? Wenn du drei Jahre in Hanoi verbringst und die nächsten vier in Sydney, musst du deine Wohnungen an beiden Orten besitzen, oder macht es Sinn, von einer zur nächsten zu hüpfen, in einem Pool geteilter Räume, als Teil einer globalen Gemeinschaft? Das ist doch nichts anderes, als zu mieten, sagst du jetzt vielleicht. Aber noch einmal: Wem gehören die gemieteten Objekte? Wir denken ein oder zwei Schritte weiter, an Dinge im gemeinschaftlichen Besitz, die nicht darauf ausgerichtet sind, eine große Menge Profit für eine kleine Menge bereits sehr reicher Menschen zu generieren, sondern tatsächlich der Gesellschaft im Ganzen zum Vorteil gereichen. »Das ist Sozialismus!«, rufst du jetzt vielleicht. Nicht, wie er im letzten Jahrhundert aufgefasst wurde. Wir reden nicht von einem System, in dem der Staat alle Kontrolle an sich reißt, sondern von Gemeinschaften von Menschen und Nutzern und Mitwirkenden, die ihre Ressourcen zusammenlegen und teilen.

      Beide Ideen mögen für viele, wenn nicht eindeutig gefährlich, dann wenigstens schwachsinnig oder utopisch klingen. Alles, was wir uns vorstellen, kann real werden, und alles, was wir uns tatsächlich vorstellen, wird früher oder später real, weswegen es so wichtig ist, was man sich vorstellt. Hierbei geht es nicht um spirituelles Heraufbeschwören, es ist einfach das, was passiert: Das, worauf man sich konzentriert und worein man seine Energie steckt, das ist, was entsteht. Du bringst es hervor, indem du deinen Fokus und deine Energie und Aufmerksamkeit darauf richtest.

      Und vergiss nicht das etwas banal klingende, aber nichtsdestotrotz wahre Sprichwort: »Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.« Wir nehmen es dir nicht übel, wenn du jetzt meckerst: »Das ist euer Argument?« Na ja, weniger Argument als Beobachtung: Als die Finanzkrise 2008 begann, fingen die Zentralbanken auf der ganzen Welt an, Geld zu drucken wie nie zuvor, und haben bis heute, elf Jahre später, nicht damit aufgehört. Plötzlich war es möglich, weil es für nötig und sinnvoll erachtet wurde. Es ist das Sprichwort in Praxis: Es gab einen Willen, sie fanden einen Weg. Sie haben es erfunden und nannten es »quantitative Lockerung«. Plötzlich, aus dem Nichts, wurden Billionen Dollar in ein System gepumpt, das man für erhaltenswert erachtete.

       [ES GAB EINEN WILLEN, SIE FANDEN EINEN WEG.]

      Es ist schwer, sich vorzustellen, wie groß diese erfundene Geldmenge ist. Wenn man eine Million US-Dollar in Hundertdollarnoten stapeln würde, wäre dieser Stapel ungefähr einen Meter hoch: ungefähr die Höhe der Rückenlehne eines Stuhls. Wenn man diese Hundertdollarnoten weiter bis auf eine Milliarde Dollar stapeln würde, wäre dieser Turm einen Kilometer hoch, knapp höher als das höchste Gebäude der Welt, das Burj Khalifa in Dubai.

      Wollte man dann mit diesen Hundertdollarnoten eine Billion erreichen – und sich dabei ins Gedächtnis rufen, dass der durchschnittliche Amerikaner von diesen Scheinen vielleicht acht oder neun in der Woche mit nach Hause nimmt, wenn er Vollzeit arbeitet –, dann würde dieser imaginäre Turm 1000 Kilometer in den Himmel ragen, zweieinhalbmal so weit, wie die International Space Station von der Erde entfernt ist. Eine Billion ist viel. Und wir sprechen davon im Plural.


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