Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik. Группа авторов

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Verfahren gar nicht erst in den Blick genommen werden. Dies mindert nicht nur die Qualität der Ergebnisse, sondern kann bei häufigerem Vorkommen sogar das Ansehen der Disziplin beeinträchtigen. Ein weiterer, in vielen Disziplinen zu beobachtender Effekt besteht in der Bildung sog. ‚Schulen‘. Damit bezeichnet man die Tendenz, dass einzelne Wissenschaftler_innen oder Gruppen von Wissenschaftler_innen für die jeweilige Wissenschaft ganz grundsätzlich bestimmte Forschungsverfahren und Designs propagieren. Um diese – möglicherweise begrenzenden – Einflussfaktoren zu erkennen, ist es sinnvoll, sich bei der Planung des eigenen Forschungsvorhabens auch außerhalb des eigenen Standortes und ggf. auch außerhalb der eigenen Disziplin beraten zu lassen.

      Nicht zuletzt bestimmen individuelle Vorlieben und die von der einzelnen Forscher_in mitgebrachten sowie die von ihrem Umfeld bereitgestellten Ressourcen forschungsmethodische Entscheidungen: Wie viel Zeit steht zur Verfügung? Wer kann die Forscher_in wobei womit unterstützen? Welche administrativen Hürden sind zu überwinden? Auf welche technischen Ressourcen kann zurückgegriffen werden? Diese Faktoren bestimmen nicht nur die individuellen Forschungsentscheidungen, sondern auch forschungsmethodische Entwicklungen innerhalb einer Disziplin. So waren die zunehmend preisgünstige Verfügbarkeit von technisch ausgereiften Kameras und die Entwicklung von spezieller Auswertungssoftware Voraussetzung für den aktuellen Boom der Videographie in der fremdsprachendidaktischen (Unterrichts-) Forschung (vgl. Kapitel 5.2.3).

      Eine Möglichkeit, sich die vielfältigen Einflussfaktoren auf die eigenen Forschungsentscheidungen bewusst(er) zu machen, besteht bei den Überlegungen zur RelevanzRelevanz der eigenen Forschungsarbeit. Reflektiert werden kann bzw. sollte hier zum einen die Relevanz für die involvierten Personen bzw. Institutionen: die Forscher_in persönlich, ihr unmittelbares berufliches Umfeld, Geldgeber, ‚Abnehmer_innen‘ bzw. Anwendungsbereiche. Was sind ihre expliziten oder impliziten Interessen und Ziele? Zum anderen kann man sich anhand der Relevanz der eigenen Arbeit für das Forschungsfeld, die Disziplin und möglicherweise auch die Nachbardisziplinen größere Klarheit darüber verschaffen, welche Erwartungen dadurch an die eigene Arbeit gerichtet werden.

      Generell wird zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung unterschieden, wobei die Grenzen fließend sind. GrundlagenforschungGrundlagenforschung ist vom reinen Erkenntnisinteresse geleitet; sie geht generellen Fragen nach und versucht allgemein gültige Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten aufzuspüren. Angewandte ForschungForschungangewandte ist dagegen auf praxisrelevante, ‚nützliche‘ Ergebnisse ausgerichtet. Innerhalb der angewandten Forschung können weitere Forschungszweige, wie z.B. die Entwicklungsforschung oder die Evaluationsforschung unterschieden werden. Je nach erkenntnistheoretischer Position, Forschungszweig, Forschungsstand und Erkenntnisinteresse kommt Forschung unterschiedliche Funktionen zu: Die Spannweite reicht vom Aufzeigen und genauen Beschreiben von bestimmten Phänomenen über die Strukturierung, Systematisierung und Kategorisierung von Wirklichkeitsbereichen bis hin zur Entwicklung und Überprüfung von Hypothesen, Konzepten und Modellen. Im Bereich der anwendungsorientierten Forschung liegt der Schwerpunkt dabei auf der Erzeugung von praxisrelevantem Wissen sowie der theoriegeleiteten, systematischen Entwicklung und empirischen Überprüfung von für die Praxis ‚nützlichen‘ Konzepten und Materialien.

      Jeglicher Forschung gemein ist, dass sie fokussiert und zielgerichtet verläuft und dabei zugleich offen ist für Unerwartetes. Üblicherweise beruht Forschung daher auf einer gezielten und gründlichen Suche. Forschung kann aber auch durch ein beiläufiges Finden angeregt werden, das dann ein gezieltes Weiter-Suchen auslöst (zum Wechselspiel zwischen Suchen und Finden vgl. Schlömerkemper 2010: 11–13).

      Im Unterschied zum anfangs skizzierten Erwerb von Alltagswissen zeichnet sich wissenschaftliche Forschung durch eine in zweifacher Hinsicht systematische Vorgehensweise aus: zum einen bezüglich der untersuchten Phänomene (hier gilt es, alles zu berücksichtigen, was man findet, und nicht nur das, was zur eigenen Vorstellung passt), zum anderen bezüglich der Forschungsschritte und Forschungsverfahren. Der Forschungsprozess erfolgt methodisch reflektiert und kontrolliert, die Ergebnisse sind überprüfbar bzw. intersubjektiv nachvollziehbar. Ein wesentliches Merkmal besteht darin, dass die Ergebnisse auf der Basis bzw. in Zusammenhang mit bereits vorhandenem wissenschaftlichem Wissen entstehen und diskursiv verhandelbar bzw. korrigierbar sind. Daher ist es erforderlich, dass die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung veröffentlicht bzw. allgemein zugänglich gemacht werden. Die genannten Kriterien für wissenschaftliches Arbeiten gelten für jede Forschungsarbeit, sie werden mit zunehmender Größe und Bedeutung der Forschungsarbeiten jedoch differenzierter und strenger gehandhabt (vgl. auch Kapitel Kap. 3.3, Stufen der Empirie).

      2.2 Was ist fremdsprachendidaktische Forschung? Und welches sind ihre zentralen Forschungsfelder?

      Fremdsprachendidaktische Forschung konstituiert sich durch ihren Gegenstandsbereich, „das Lehren und Lernen fremder Sprachen in allen institutionellen Kontexten und auf allen Altersstufen“ (Bausch/Christ/Krumm 2003: 1). Aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre könnte man diese bekannte Definition durch die Elemente „Zweitsprachen“ und „außerinstitutionelle Kontexte“ (vgl. Burwitz-Melzer/Königs/Riemer 2015) ergänzen. Während die Ursprünge fremdsprachendidaktischer Forschung bereits im 19. Jahrhundert liegen (vgl. Kapitel 3.1), etablierte sich die Fremdsprachendidaktik erst nach dem 2. Weltkrieg als eigenständige Disziplin. Folgende sechs Merkmale sind als besonders charakteristisch herauszustellen (vgl. im Folgenden Bausch/Christ/Krumm 2003, Doff 2008 und 2010, Edmondson/House 2006, Grotjahn 2006):

      1 Das wichtigste Charakteristikum fremdsprachendidaktischer Forschung ist ihr ErkenntnisinteresseErkenntnisinteresse. Noch in den 1950er und 60er Jahren wurde die zentrale Aufgabe der Didaktik darin gesehen, praktische Empfehlungen für den schulischen Unterricht zu geben. Seit den 1970er Jahren ist nicht zuletzt unter dem Einfluss der Sprachlehrforschung sowohl eine stärker theoretisch ausgerichtete (Grundlagen-) Forschung als auch eine stärkere Ausdifferenzierung des Theorie-Praxis-BezugTheorie-Praxis-Bezuges zu beobachten. Das theoretische Ziel fremdsprachendidaktischer Forschung besteht – ganz allgemein – darin, die einzelnen Faktoren fremdsprachlichen Lernens und Lehrens differenziert zu erforschen und in ihrem Zusammenwirken immer genauer zu verstehen. Das praktische Ziel besteht – grob gesagt – darin, die Qualität des Fremdsprachenunterrichts und außerunterrichtlicher Lernangebote beständig zu verbessern. Dies kann angesichts der Vielfalt und Komplexität der Praxis jedoch nicht durch simple Ableitung theoretisch gewonnener Erkenntnisse geschehen, sondern nur in der Interaktion zwischen Theorie und Praxis. Als anwendungsorientierte WissenschaftanwendungsorientierteWissenschaftanwendungsorientierte Wissenschaft zeichnet sich die Fremdsprachendidaktik daher durch ein beständiges Wechselspiel zwischen Forschung und Anwendung aus.1 Generelles Ziel ist es, durch das forschungsgeleitete Aufstellen, empirische Überprüfen und erkenntnisbasierte Ausschärfen von theoretischen Grundlagen, Begriffen, Konzepten und Modellen das Erkennen, Verstehen und Erklären von komplexen Lehr- und Lernsituationen voranzutreiben und das Handeln in diesen Situationen zu verbessern.

      2 Charakteristisch für den Gegenstandsbereich der Fremdsprachendidaktik ist weiterhin seine FaktorenkomplexionFaktorenkomplexion (Königs 2010), denn beim Lehren und Lernen von Fremdsprachen wirken zahlreiche Faktoren zusammen. Ein bekanntes Modell stammt von Edmondson (1984, wiedergegeben in Edmondson/House 2006: 25, im Folgenden leicht adaptiert). Er unterscheidet fünf große, sich gegenseitig beeinflussende Faktorenkomplexe:Unterricht (beeinflusst durch Curriculum, Lern-/Lehrziele, Lehrinhalte, Lehrmethoden, Prinzipien, Übungsformen, Lehrwerke, Medien usw.)Lehr- und Lernumgebungsfaktoren (Dauer, Frequenz, Ausstattung, Lerngruppengröße usw.)personenbezogene Faktoren, d.h. Lehrkräfte und Lerner_innen (personale Faktoren, Ausbildung, Motivation/ Interesse, fremdsprachige Kompetenzen etc.)soziopolitische Faktoren (Status der Fremdsprache, Fremdsprachenpolitik, Ausbildung, ökonomische Bedingungen etc.)wissenschaftliche Faktoren (Ergebnisse aus der Sprachlehrforschung und der Fremdsprachendidaktik sowie aus den Bezugswissenschaften).Angesichts der Vielzahl und der Interdependenz der – keinesfalls vollständig aufgeführten – Einzelfaktoren leuchtet unmittelbar ein, dass die isolierte Darstellung und Erforschung eines Einzelfaktors forschungsmethodisch nicht sinnvoll zu realisieren ist. Fremdsprachendidaktische Forschung muss sich daher auch bei der notwendigen Fokussierung auf einen oder wenige Faktoren stets der Tatsache bewusst sein, dass es sich um Einzelaspekte innerhalb eines komplexen Gefüges handelt.

      3 Aus


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