Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik. Группа авторов
Forschung) bzw. den am Forschungsprozess unmittelbar Beteiligten (qualitative Forschung und Handlungsforschung)“ (Küster 2011: 139) und schließlich (5) die „Verantwortung des Fremdsprachenforschers gegenüber gesellschaftlichen und universitären Institutionen und deren Anforderungen“ (Küster 2011: 139). Die Handlungsfelder 3 und 4 werden in diesem Beitrag genauer bestimmt. Das fünfte Handlungsfeld ist u.a. Gegenstand des Kapitels 2 dieses Handbuchs.
Nationale wie internationale Fachgesellschaften aus den Natur- und Sozialwissenschaften haben Ethik-Kodizesethischer Code entwickelt, die Forschenden eine Grundorientierung geben und deren Prinzipien und Regeln sich auch für die Praxis der Fremdsprachenforschung fruchtbar machen lassen.1 Zu den Grundprinzipien, die in diesen Kodizes in unterschiedlichen Graden der Konkretisierung erscheinen, gehören: das Prinzip der Schadensvermeidung, das Prinzip des Nutzens bzw. des Mehrwerts von Forschung, der Respekt vor anderen Menschen sowie das Prinzip der Redlichkeit (vgl. Kitchener/Kitchener 2009: 13–16; Bach/Viebrock 2012). Im Folgenden werden wir die Implikationen solcher Prinzipien für verantwortungsvolles Handeln in der Fremdsprachenforschung verdeutlichen.
4.6.2 Gestaltung von ForschungsbeziehungForschungsbeziehungen
Wesentliches Merkmal empirischer fremdsprachendidaktischer Forschung ist ihr sozialer Charakter, denn sie ist abhängig von und situiert in den Beziehungen des Forschers zu Personen und deren Umfeld (z.B. Kinder mit Migrationshintergrund mehrerer Grundschulen einer Großstadt, Erwachsene über 60 einer Kreisvolkshochschule, Lehrer und Lehrerinnen mehrerer Bundesländer). Aus diesem Umstand ergeben sich Verantwortlichkeiten und Ansprüche gegenüber den Personen und ihren Handlungskontexten auf der einen Seite und gegenüber der scientifc community auf der anderen Seite.
So stellt sich nicht nur die Frage, wie der Forscher Zugang zu dem ForschungsfeldForschungsfeldZugang zum finden kann und welche Regeln dabei zu beachten sind (z.B. Forschungserlasse der Kultusministerien der Länder), sondern auch, wie ein vertrauensvolles Arbeitsbündnis entwickelt wird, das für den anvisierten Forschungsprozess tragfähig ist (vgl. dazu Holliday 2007: 75–104). Die Personen(gruppen) haben Anspruch, dass ihre Interessen geschützt sind und ihre Privatsphäre respektiert wird, dass sie über das Vorhaben, über mögliche Belastungen1 und die Nutzung der Daten (s. Kapitel 4.6.3 und 4.6.4) informiert werden. Arbeitsbündnisse können dann besondere Produktivität entfalten, wenn es gelingt, Formen der Gegenseitigkeit zu entwickeln, die von den am Forschungsprozess beteiligten Personen als gewinnbringend wahrgenommen werden können, wenn es also gelingt, ein Verhältnis des Gebens und Nehmens zu etablieren. Als Beispiele für das forscherseitige Geben sind neben einer möglichen Bezahlung von Untersuchungsteilnehmenden etwa das Versenden der Forschungsergebnisse oder das Angebot von Fortbildungen zu den Forschungsergebnissen zu nennen.2 Im Hinblick auf das forscherseitige Nehmen ist beispielsweise zu reflektieren, dass es angesichts der von den Forschungspartnern investierten Zeit und Mühe nicht gerechtfertigt erscheint, Daten zu erheben, die anschließend nicht ausgewertet werden. Auch wird immer häufiger thematisiert, dass die Forschungspartner (und nicht wie bisher zumeist der Forschende) als Eigentümer der Daten zu konzeptualisieren seien und ihnen damit das Recht der Auswahl von Daten für Analyseprozesse zukomme.
Die ethische Forderung nach TransparenzTransparenz der Ziele, Verfahren und Ergebnisse des Vorhabens bringt allerdings eine doppelte Herausforderung für die Forscher mit sich. Denn zum einen bedarf die Fachsprache der Wissenschaft, die die Beteiligten in der Regel als unzugänglich wahrnehmen, der angemessenen Übersetzung in die Alltagsprache. Verständnis muss erarbeitet und ausgehandelt werden (Holliday 2007: 145–152). Das Dilemma sprachlicher Vermittlung zwischen dem Forscher und den Forschungspartnern einerseits und andererseits den Anforderungen, die an die Veröffentlichung der Ergebnisse von Seiten der Wissenschaft gestellt werden, thematisiert die Referenzarbeit von Schart (2003: 51–52).
Ferner stellt sich die Frage, wie viel TransparenzTransparenz aus ethischen Gründen nötig und aus forschungsmethodischen Anforderungen möglich ist, ohne das Vorhaben selbst zu gefährden. Wenn Forschungspartnern aus Gründen des Forschungsdesigns bestimmte Informationen vorenthalten oder sie getäuscht werden, ist von Seiten der Forschenden explizit zu reflektieren, ob dies für das Design tatsächlich unabdingbar ist und ob den Teilnehmenden dadurch in psychologischer Hinsicht Schaden wie beispielsweise Stress oder Unbehaglichkeit entsteht. In der Debriefing-Phase einer solchen Studie sollten die Verantwortlichen dann gewissenhaft dafür Sorge tragen, dass die Teilnehmenden über die Täuschung und die Gründe für die Täuschung aufgeklärt werden (dehoaxingdehoaxing) und dass sie jegliche, durch die Studie verursachte unangenehme Gefühle abbauen können (desensitizingdesensitizing), beispielsweise indem man unerwünschtes Verhalten oder unangenehme Gefühle auf eine Situationsvariable statt auf die Person des Forschungspartners zurückführt oder indem man verdeutlicht, dass das Verhalten oder die Gefühle der Forschungspartner so erwartbar waren (Johnson/Christensen 2008: 116–117).
Besondere Aufmerksamkeit verlangt schließlich die Phase des Projekts, wenn der Forscher das Feld wieder verlässt und damit die Beziehung beendet. Dieser FeldrückzugFeldrückzug muss bewusst als Beendigung einer Beziehung gestaltet und den Teilnehmenden erklärt werden. Rallis/Rossman (2009: 278) erörtern in diesem Zusammenhang das Bild des Verführens und Sitzenlassens: „The image is that you seduce the participants into disclosing their worldviews, then abandon them when you have gotten what you wanted – data“. Auch gehen viele Forscher davon aus, dass den Beteiligten unbedingt die Ergebnisse der Forschung bekannt zu machen seien. Andere wiederum erkennen darin die Gefahr eines „Verletzungsrisiko[s]“ (Miethe 2010: 933); so reflektiert beispielsweise Viebrock (2007) an einem Beispiel aus der Fremdsprachendidaktik, inwieweit ihr Versuch der kommunikativen Validierung schmerzhaft für die betroffene Forschungspartnerin war.
Da der Forscher mit dem Eintritt in das Feld und mit dem Aufnehmen und Unterhalten der Beziehungen, dies gilt in besonderem Maße bei qualitativen Studien, durch seine Präsenz nolens volens den Forschungsprozess mit prägt und damit das Forschungsvorhaben selbst verändert, wobei Forschungsfragen neu justiert, konkretisiert und oftmals modifiziert werden (Holliday 2007), erwächst eine besondere Verantwortung gegenüber der scientific community, diesen Forschungsprozess, die Rolle des Forscher und die Dynamik der Beziehungen transparent zu machen (Freeman 2009).
4.6.3 Freiwilligkeit der TeilnahmeFreiwilligkeit der Teilnahme
Ein zentrales datenschutzDatenschutzrechtliches und damit gesetzliches Erfordernis empirischer Untersuchungen ist, dass Forschungspartner freiwillig an einer Studie teilnehmen. Forscher müssen deshalb ihre Forschungspartner vor einer Untersuchung über das geplante Vorgehen detailliert informieren und sich deren Teilnahmebereitschaft schriftlich bestätigen lassen. Dies betrifft insbesondere Ziele, Zeitdauer, Procedere, mögliche Nach- und Vorteile für die Forschungspartner, Maßnahmen zur Einhaltung gesetzlicher Datenschutzbestimmungen sowie Ansprechpartner bei rechtlichen und inhaltlichen Fragen (vgl. dazu genauer Mackey/Gass 2005; Johnson/Christensen 2008). Den Forschungspartnern ist ausreichend Gelegenheit zu geben, dazu Fragen zu stellen bzw. zu klären.
Essentiell ist dabei, dass die Forschungspartner keinerlei Nachteile bei Nicht-Teilnahme befürchten und dass sie keinerlei Bedrängnis zur Teilnahme verspüren, wie dies beispielsweise der Fall wäre, wenn Forschungspartner dem Fortschritt der Wissenschaft nicht im Weg stehen wollen und sich deshalb der Autorität des Forschers unterordnen, wenn Vorgesetzte ausdrücklich die Teilnahme ihrer Lehrerschaft wünschen, wenn Lehrpersonen ihre Schülerschaft um EinwilligungEinwilligung bitten oder wenn Eltern bei Nicht-Teilnahme ihrer Kinder Nachteile für diese in der Schule befürchten. Forscher stehen in der Verantwortung, proaktiv Maßnahmen gegen derartigen sanften oder unbeabsichtigten Druck zu ergreifen (beispielsweise mit der Lehrerin abzusprechen, dass sie bei der Datenerhebung nicht anwesend ist).
Die informierte EinwilligungserklärungEinwilligungserklärung sollte grundsätzlich auch auf die Tatsache aufmerksam machen, dass die Teilnahme an der Studie jederzeit (während und auch nach der Datenerhebung) ohne weitere Erklärung zurückgezogen werden kann; zu diesem Zweck sollte der Forscher die entsprechenden Kontaktinformationen bereitstellen. Darüber hinaus müssen die Forschungspartner über die weitere Verwendung der Daten informiert werden. Dazu gehört, dass sie vor ihrer informierten