Die Zukunft ist menschlich. Andera Gadeib
wertgeschätzt. Mehr noch als vor Beginn der digitalen Revolution.
Wie wird dieses Szenario, unser Leben im Jahr 2050, aussehen? Welche Jobs wird es noch geben? Welche Tätigkeiten sind weggefallen, welche sind neu entstanden? Auf welchen Pfad haben wir in den Anfängen des Digitalisierungszeitalters unsere Kinder gesetzt, um ihnen eine bestmögliche Zukunft zu sichern? Welche Windmühlen haben wir gebaut, als der Wind der digitalen Veränderung aufzog?
Auf diese Fragen will dieses Buch eine Antwort geben. Es geht zurück auf die alten Philosophen, die das Wesen des Menschen schon vor Jahrtausenden, lange vor der digitalen (und industriellen) Revolution, erkundet haben. Außerdem greift es auf die neuesten Erkenntnisse der Gehirnforschung zurück und gibt eine Antwort darauf, welche Potenziale wir Menschen im Zeitalter der digitalen Revolution haben. Nicht zuletzt fußt es auf einigen Studien und der Erfahrung der Autorin und mehreren Tausend Interviews zu den Themen Innovation und Digitalisierung.
Im Gegensatz zu all den Horrorszenarien, in denen der Mensch keine Rolle mehr zu spielen scheint, will dieses Buch einen positiven Ausblick darüber geben, wie wichtig der Mensch in diesem Prozess ist. Es beschreibt anhand konkreter Beispiele, dass es an uns Menschen liegt, wie wir die Digitalisierung gestalten. Von Mensch zu Mensch und von Mensch zu Maschine (der Einfachheit halber werde ich im Buch den Computer mit seinen Bits und Bytes Maschine nennen). Es zeigt auf, wie jeder Einzelne Teil dieses aktiven Gestaltungsprozesses werden kann, wenn wir uns darauf einlassen. Wie wir Mut gewinnen, auch kritisch mit dem Digitalen umgehen und den digitalen Wandel aktiv bei den Hörnern packen. Ja, wie wir womöglich lernen, uns für die Digitalisierung zu begeistern.
Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt.
Konfuzius, 551–479 v. Chr.
Dieses Buch ist eine Einladung, Teil dieses großen Transformationsprozesses zu sein, der in die Geschichte eingehen wird. Eine Einladung an jeden Einzelnen von uns, die Weichen für sein eigenes Leben und für das seiner Kinder und Enkel zu stellen. Denn es ist absehbar, dass die Welt unserer Kinder und Kindeskinder vollkommen anders aussehen wird als die Gegenwart, in der wir leben. Gestalten wir diese Zukunft also enkeltauglich.
Dabei meine ich mit »aktivem Gestalten des Digitalen« nicht, dass jeder zwangsläufig programmieren lernen muss, sondern dass wir die neuen, digitalen Angebote verstehen und einsetzen lernen. Dass wir von passiven Nutzern zu aktiven Gestaltern der (digitalen) Zukunft werden.
Das digitale Zeitalter hat gerade erst angefangen, und das in moderatem Tempo, auch wenn uns dies ganz und gar nicht so erscheint. Denn die technologischen Veränderungen entwickeln sich exponentiell und damit wird die Digitalisierung nie mehr so langsam voranschreiten wie heute. Dabei mag es sich jetzt schon anfühlen, als ob ein Schnellzug an einem vorbeirauscht.
Aber all das sollte uns keine Angst machen oder in Ohnmacht versetzen. Denn es könnte der Beginn einer der spannendsten Reisen sein, die wir je gemacht haben. Vorausgesetzt, wir breiten die Arme aus und heißen diese Veränderung willkommen. Denn auch die längste Reise beginnt mit einem ersten Schritt. Öffnen wir uns für das Thema und trauen wir uns, eine erste neue Entdeckung zu machen, die wir zuvor – vielleicht aus Angst – gescheut haben. Seien Sie Teil dieser spannenden Reise. Gestalten Sie sie mit. Dieses Buch wird Ihnen die Perspektiven, Methoden und den Mut geben, das Thema aktiv anzugehen.
So etwa könnte ein Tag in der Zukunft aussehen: Noch bevor ich wach werde, registriert meine Matratze die Schlafqualität und stellt automatisch die optimale Temperatur ein. Sie merkt, wenn ich aufwache, und schickt ein Signal an die Kaffeemaschine. Diese kennt selbstverständlich meine Vorlieben um diese Uhrzeit und bereitet meinen Lieblingscappuccino vor, der frisch gebrüht auf mich wartet, wenn ich noch etwas verschlafen aus dem Bad in die Küche taumele. Nur Kaffee reicht als Flüssigkeitszufuhr über den Tag nicht. Deshalb trinke ich Wasser aus meiner intelligenten Flasche. Der Sensor in der Flasche verfolgt, wie viel Wasser ich über den Tag zu mir nehme, und ein hübsches Blinken in der Flasche sowie eine Push-Nachricht auf meinem Smartphone erinnern mich, wenn ich zu wenig trinke. Was reingeht, muss auch raus. Die intelligente Toilette analysiert wichtige Vitalparameter aus meinem Urin, den Blutdruck über den Sitz, empfiehlt mir vorausschauend die passende Ernährung für den Tag und sendet meine Biodaten selbstständig zum Arzt. Entdeckt dieser etwas Auffälliges in den Daten, meldet er sich bei mir und schlägt eine passende Therapie vor.
Ich mache mich für eine Kurzreise bereit. Bevor ich losfahre, chatte ich per App mit meinen Haushaltsgeräten. Der Kühlschrank schlägt vor, den Stromsparmodus zu aktivieren, und ich bestätige mit einem kurzen »OK« per Smartphone. Daraufhin wünschen mir die Hausgeräte eine gute Reise und ich verlasse das Haus. Vor der Haustür wartet das autonome Auto auf mich. Natürlich kennt es bereits mein Ziel. Ich setze mich in einen der bequemen Sessel und los geht die Fahrt. Selbstredend sitze ich nicht hinter dem Steuer, schließlich fährt das Auto von heute autonom und damit vollkommen selbstständig. Ich kann mich stattdessen während der Reise mithilfe der großen Displays an den Seitenwänden unterhalten lassen. Meine Lieblingsserien werden angezeigt, Vorschläge, die zu meinen Vorlieben passen, und die neuesten, individuell für mich zusammengestellten Nachrichten warten darauf, gelesen zu werden.
Was denken Sie? Ist das Szenario faszinierend oder abschreckend? Der Großteil der Menschen lehnt es heute ab.
Der Mensch im Mittelpunkt
Ich schreibe dieses Buch für die Zeit, in der es uns Menschen noch gibt. Also, in der sie die Oberhand behalten. Und zwar nicht nur weil ich aus tiefstem Herzen Optimistin bin, sondern auch weil ich fest davon überzeugt bin, dass uns noch sehr viel Zeit bleibt. Allerdings ist es auch höchste Zeit, die Zukunft in die Hand zu nehmen.
Die Dystopie von der Welt, in der die Maschinen das Sagen haben, liegt noch in weiter Ferne. Ich schaue wenig Science-Fiction-Filme und mir fehlt vielleicht die Vorstellungskraft, welche Maschinen im Film schon erfunden wurden, die uns Menschen überholen sollen. Aber ich bin von Hause aus mit der Informatik vertraut und glaube, sehr gut zu verstehen, was die letzten Jahrzehnte der Digitalisierung für uns bedeuten und wo die Reise hingehen könnte. Ich kann Sie gleich zu Anfang des Buches schon beruhigen: In jedem Fall sind wir weit davon entfernt, dass irgendwelche Computer für uns denken oder die Weltherrschaft übernehmen.
Da jede Maschine vom Menschen gemacht ist, schließe ich nicht aus, dass es solche Wahnsinnsideen irgendwo auf der Welt gibt. Vielleicht auch häufiger, als uns lieb ist. Begreifen Sie das als Aufruf an Sie, sich aufzumachen und ganz wach zu erkunden, worin wir Menschen gut sind und warum es nottut, dass jeder Einzelne von uns einen Unterschied machen kann. Mir liegt am Herzen, dass jeder ein Mindestmaß an Verständnis für die digitalen Entwicklungen hat und dass jeder Einzelne Verantwortung für seine eigene Zukunft, aber auch für unsere Gesellschaft übernimmt.
Doch sind wir als Gesellschaft, ist jeder Einzelne, die Politik bereit, die digitale Zukunft aktiv zu gestalten? Haben wir eine Vision, wie sich die Überlegenheit des Menschen auf unsere Arbeit auswirkt? Wie können wir mit den Möglichkeiten des Digitalen besser werden? Stehen wir der Digitalisierung positiv genug gegenüber? Was muss passieren, um uns in die Lage zu versetzen, sie positiv zu gestalten?
Mit jedem kleinen Schritt, jeder kleinen Antwort auf die vielen Fragen kommen wir der positiven Utopie näher: der Harmonie zwischen Mensch und Maschine.
Halb voll
Es ist Silvester. Meine 13-jährige Tochter gießt ein Glas ein und hält inne. Sie fragt: »Mama, ist das Glas halb voll oder halb leer?« Ich sage: »Es ist halb voll. Alles eine Frage der Einstellung.« Sie daraufhin: »Mama, es muss halb voll sein. Es gibt kein halb leer.« Auf meinen fragenden Blick erwidert sie: »Ein Glas kann voll sein und halb voll. Aber entweder es ist leer oder eben nicht leer. Ein ›halb leer‹ gibt es nicht.«
Guter Gedanke, schießt es mir durch den Kopf. Vielleicht ist das Töchterchen weiter als die meisten von uns? Ich jedenfalls habe mir diese Halb-voll-Haltung recht bewusst zugelegt. Auf die Chancen zu schauen statt auf die Risiken. Eben auf das Halbvolle, auf die Möglichkeiten,