Olympische Spiele. 100 Seiten. Gunter Gebauer

Olympische Spiele. 100 Seiten - Gunter Gebauer


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kostbaren Materialien geschmückt – eines der sieben Weltwunder der antiken Welt. In allen Beschreibungen der Besucher Olympias wird sie erwähnt. In der Spätantike wurde sie geraubt und zerstört. Das zweite religiöse Zentrum, das Grab des Pelops, war beim rituellen Festzug der Olympischen Spiele die erste Kultstätte, an der ein Opfer dargebracht wurde, noch vor dem Zeusopfer. Ein dritter bedeutsamer Ort des Kultes war der heilige Ölbaum. Mit seinen Zweigen wurden die Olympiasieger bekränzt. In der Altis befand sich auch der Tempel der Göttermutter Hera. Seine Existenz im heiligen Bezirk spricht dafür, dass auch junge Frauen in Olympia zu Wettkämpfen antraten, allerdings zu einem anderen Zeitpunkt als die Männer. Mädchen durften den Olympischen Spielen beiwohnen. Hingegen war verheirateten Frauen der Zutritt zu den Wettkämpfen bei Strafe verboten.

      Zu den Bauten, die für die Gestaltung der Festlichkeiten errichtet wurden, gehörte das Prytaneion, das Bankettgebäude. Hier brannte das heilige Feuer der Hestia, der Göttin des häuslichen Herdes. An dieser Stätte wurden die Feuer aller Heiligtümer Olympias entzündet. Sie diente als Modell für die olympische Flamme der neuzeitlichen Spiele. Wichtige Anlagen für das Training der Athleten waren das Gymnasion und die Palaistra mit Sporthallen und -plätzen für das Training in den Kampfsportarten und den Sprungwettbewerben. In unmittelbarer Nähe des Stadions befand sich die Echohalle, deren Wände die menschliche Stimme mehrfach zurückwarfen. In ihr entkleideten sich die Athleten, badeten und ölten sich vor dem Wettkampf ein. Durch einen dunklen Gang zogen sie dann nackt in das Stadion.

      Das olympische Fest – religiöse Zeremonien und athletische Wettkämpfe

      Vor den Olympischen Spielen fanden sich die Wettkämpfer mit ihren Begleitern für mehrere Wochen in der benachbarten Stadt Elis ein. Dort lebten sie in Klausur und waren einer streng geregelten Lebensweise unterworfen. Nach Abschluss dieser Klausur zogen die Athleten mit ihrer Begleitung auf der Prozessionsstraße nach Olympia. In der klassischen Form umfasste das olympische Fest fünf Tage. Der erste Tag war der zeremoniellen Vorbereitung am Altar des Zeus gewidmet. Die Athleten mit ihren Begleitern sowie die Kampfrichter legten einen Eid ab; sie schworen, keinen Verstoß gegen die Wettkampfregeln zu begehen. Am zweiten Tag begannen die Wettkämpfe, zuerst mit den Pferde- und Wagenrennen, dann mit dem Pentathlon, der Diskus- und Speerwerfen, Weitsprung, Lauf und Ringkampf umfasste. Am dritten Tag wurden die Opferfeiern abgehalten. Zuerst wurde das Pelops-Opfer mit der Schlachtung eines Widders vollzogen. Nach Pausanias geschah dies in einer nächtlichen Zeremonie. Der Tag gehörte dann Zeus, dem Gott des Tageslichts. An seinem Altar wurde das Stieropfer dargebracht. Philostrat schildert den Ablauf dieser Zeremonie nach alten Quellen: »Wenn die Eleer die Opfer, was immer da Brauch war, geopfert hatten, dann lagen die geheiligten Teile auf den Altar. Feuer war noch nicht an sie gelegt; die Läufer waren ein Stadion weit (was in Olympia rund 190 m entsprach; G. G.) vom Altar entfernt, vor diesem stand ein Priester, der mit einer Fackel das Startzeichen gab. Der Sieger aber legte Feuer an die heiligen Opferteile, und so ging er als Olympiasieger hinweg« (nach Walter Burkert).

      An den Stadionlauf und das Zeusopfer schlossen sich die athletischen Wettkämpfe an: die Läufe über längere Distanzen (zwei Stadien und mehr), die Schwerathletik (Diskus und Speer), Ringen, Boxen und der beliebte Pankration (eine freie Kampfsportart, bei der mit harten Lederbandagen gekämpft wurde). In den Konkurrenzen ging es ausschließlich um den Sieg und das immense Prestige, das dieser dem Athleten und dem Stadtstaat, aus dem er stammte, seiner Polis, verlieh. In den Kampfsportarten wurde so lange gekämpft, bis einer der beiden Kontrahenten aufgab oder kampfunfähig war. Die Brutalität dieser Disziplinen entsprach dem Geschmack der Griechen. Olympiakämpfer gehörten zu den freien Männern, denen der Kriegsdienst oblag, und Kriege zwischen den Stadtstaaten gab es viele im antiken Griechenland. Die große Ausnahme waren die Perserkriege, in denen das vereinte griechische Heer die Angriffe der persischen Könige abwehrte. Nach den Siegen über die persische Streitmacht war Olympia im Jahr 476 v. Chr. der Ort des größten Jubels, als einer der wichtigsten Feldherren, Themistokles, die Spiele besuchte.

      Am fünften Tag wurden die Spiele mit der Siegerehrung beschlossen: Die Olympiasieger wurden mit bunten Bändern geschmückt und empfingen im Zeustempel den Olivenkranz. Den Abschluss bildete ein Festbankett im Prytaneion zu Ehren der Sieger. Aus der Tatsache, dass diese in Olympia nur einen schlichten Siegeskranz erhielten, schloss man in der Frühzeit der modernen Olympischen Spiele auf den Amateurstatus der Wettkämpfer – eine idealisierende Vorstellung. Olympiasieger erhielten von ihrer Polis erhebliche Siegprämien, Befreiung von Steuern, lebenslange freie Speisung, einen Ehrenplatz im Theater und eine Fülle weiterer Vergünstigungen, die manche von ihnen zu reichen Männern machten.

      In Olympia entwickelte sich eine besonders intensive gegenseitige Durchdringung von Religion und Athletik. Religiöse Zeremonien und athletische Wettkämpfe waren im antiken Griechenland ein Mittel der Gemeinschaftsbildung. Walter Burkert verweist auf die Konstellation des Zeusopfers. Auf den Ort dieser Zeremonie führte die Laufbahn des Stadionlaufs hin. Der erste Olympiasieger vollzog mit der Entzündung des Opferfeuers die zentrale rituelle Handlung des religiösen Festes. Der athletische Wettkampf war so Teil der religiösen Handlung. Das Fleisch der Opfertiere wurde gekocht und anschließend an die Beteiligten verteilt. Was als religiöse Handlung begann, mündete in ein gemeinschaftliches Mahl. Beide Handlungen, heilige und profane, wurden vom Sieger des Stadionlaufs miteinander verklammert. Mit seinem Triumph errang er eine höhere Stufe des Menschseins.

      Zeittafel der antiken Olympischen Spiele

      um 2600/2500 v. Chr. Frühbronzezeitlicher Tumulus (Erdhügel) und Kultplatz unter dem späteren Heiligtum des Pelops.

      um 2150–2000 v. Chr. Frühbronzezeitliche Siedlung am Tumulus.

      um 1050–1000 v. Chr. Gründung des Zeuskults und Heiligtums von Olympia.

      776 v. Chr. Nach antiker Zeitrechnung Beginn der Aufzeichnung der Olympiasieger.

      um 550 v. Chr. Erste Stadionanlage.

      476 v. Chr. Panhellenische Siegesfeier bei den ersten Olympischen Spielen nach den Perserkriegen.

      470–456 v. Chr. Bau des Zeus-Tempels.

      ca. 430–420 v. Chr. Entstehung des Zeus-Kultbildes des Phidias.

      364 v. Chr. Kämpfe der Arkader und Eleer um das Heiligtum von Olympia.

      um 250 v. Chr. Bau der Palästra.

      um 180 v. Chr. Bau des Gymnasion.

      146 v. Chr. Der römische Feldherr Lucius Mummius lässt zum Zeichen der Unterwerfung Griechenlands vergoldete Schilde am Zeus-Tempel aufhängen.

      85 v. Chr. Plünderung Olympias durch die Truppen von Sulla.

      um 170 n. Chr. Eingehende Beschreibung Olympias durch den Schriftsteller Pausanias.

      385 n. Chr. Letzte inschriftlich belegte Aufzeichnung von Olympiasiegern.

      393 n. Chr. Verbot der Kultfeiern in Olympia durch den Kaiser Theodosius I.

      5. Jh. n. Chr. Entstehung einer ländlichen Siedlung in Olympia: Umwandlung der Werkstatt des Phidias in eine christliche Kirche.

      Ende des 6. Jhs. n. Chr. Nach schweren Erdbeben und Überschwemmungen verlassen die letzten Bewohner Olympia. Der Ort versinkt allmählich unter hohen Schwemmschichten.

      (nach Helmut Kyrieleis, Olympia. Archäologie eines Heiligtums)

      Die Wiederbegründung der Olympischen Spiele

      Euphorischer Beginn

      In Paris erinnert heute im größten Hörsaal der Sorbonne eine Steintafel an einen Kongress, der hier im Jahr 1894 stattfand. Mit Wissenschaft hatte die Veranstaltung nichts zu tun – sie war eher ein gesellschaftliches Ereignis. Der Baron Pierre de Coubertin (1863–1937) wusste als bestens vernetzter Stratege, wie er seiner lange gehegten Idee die größte Bedeutung, Würde und Resonanz geben konnte: Mit dem mondänen Event zog er angesehene Persönlichkeiten an, um mit ihrer Hilfe ein Ereignis wiederzubeleben,


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