Die Service-Public-Revolution. Beat Ringger

Die Service-Public-Revolution - Beat Ringger


Скачать книгу
60 Prozent des mittleren Einkommens. Das betrifft fast 15 Prozent der Bevölkerung. Die Zahl dieser Menschen dürfte in den Corona-Monaten stark ansteigen. So befürchtet die schweizerische Konferenz der Sozialdirektor*innen, dass sich allein die Anzahl Menschen in der Sozialhilfe aufgrund der Krise um 20 bis 35 Prozent vergrößern dürfte. In den letzten Jahren waren im Schnitt circa 250’000 Menschen von Sozialhilfe abhängig.

      Laut der Lohnstrukturerhebung von 2018 bekommen in der Schweiz 1,3 Millionen Angestellte und Arbeiter*innen am Monatsende weniger als 4000 Franken netto für ihre Arbeit ausbezahlt. Mit diesen Einkommen ist man/frau in der teuren Schweiz arm oder in einer prekären Situation. Der ehemalige Co-Präsident der größten Schweizer Gewerkschaft Unia, Andreas Rieger, hat zusammen mit der aktuellen Präsidentin Vania Alleva und Pascal Pfister die Lohnstrukturen genauer untersucht. Sie prägen in ihrem Buch Verkannte Arbeit den Begriff »Wohlstand auf Abruf«. Damit meinen sie die 1,3 Millionen Lohnabhängigen, die netto pro Monat zwischen 4000 und 6000 Franken verdienen. Mit diesem Einkommen ist man zwar nicht arm, aber die Menschen sind kaum in der Lage, Rücklagen und Sicherheiten zu bilden. Eine etwas teurere Zahnarztrechnung, ein Unterbruch der Erwerbsbiografie oder eine Kürzung des Einkommens – wie zum Beispiel aufgrund von Kurzarbeit – bringt sie schnell an den Rand ihrer finanziellen Möglichkeiten.

      Die Corona-Krise hat darüber hinaus gezeigt, wie schnell ein großer Teil der 300’000 Einzelunternehmer*innen und vieler Inhaber*innen vor allem kleinerer Betriebe mit anderen Rechtsformen schnell in prekäre Situationen geraten. Viele von ihnen verfügen nur über sehr beschränkte finanzielle Ressourcen und geraten rasch erheblich unter Druck, wenn das Einkommen fehlt, aber die Rechnungen etwa für die Mieten weiterlaufen. Insgesamt waren Ende April 2020 1,9 Millionen Menschen in der Schweiz für Kurzarbeit angemeldet, 153’000 bezogen Arbeitslosengelder und 200’000 Menschen erhielten Leistungen der Erwerbsersatzversicherung. In normalen Zeiten sind Selbständige von der Kurzarbeit und der Erwerbsersatzversicherung ausgeschlossen, in der Krise wurden die Leistungen zumindest kurzfristig ausgeweitet. Insgesamt bezogen also gut 45 Prozent der 5,1 Millionen Erwerbstätigen eine dieser drei Leistungen.

      Die Krise zeigt, wie sinnvoll sozialstaatliche Leistungen wie die Kurzarbeit sind. Sie schützen Menschen sehr effektiv vor dem schnellen Absturz in die Arbeitslosigkeit. In den USA sind Millionen von Erwerbstätigen von diesem Schicksal betroffen – und verlieren dabei überdies auch gleich noch den Schutz einer Krankenversicherung, weil diese an den Arbeitsvertrag gekoppelt ist.

       Effektiv ausbezahlte Nettolöhne in der Schweiz, 12-mal pro Jahr

image

      Quelle: Lohnstrukturerhebung 2018 des Bundesamts für Statistik und aktualisierte Berechnungen durch Andreas Rieger. Vollzeit und Teilzeitangestellte (Löhne nicht auf 100% hochgerechnet).

      Für die Schweiz erfasst das »Denknetz« in seinen Jahrbüchern regelmäßig die neusten Verteilungszahlen. Alle zwei Jahre publiziert zudem der Schweizerische Gewerkschaftsbund eine etwas ausführlichere Untersuchung. Die aktuellste Version von 2020 bestätigt den Trend der letzten Jahre. Auch in der Schweiz nimmt demnach die Konzentration der Löhne ganz oben deutlich zu: Die höchsten Löhne (Top 1 Prozent) haben seit 1996 um 48 Prozent zugelegt, die mittleren Löhne um 15 Prozent. Das führt dazu, dass heute das reichste Prozent der Lohnabhängigen zwischen 11 und 12 Prozent der gesamten Lohnsumme beansprucht. Dieser Anteil war in den 1970er und 1980er Jahren deutlich tiefer und steigt erst seit Mitte der 1990er Jahre an. In Sachen Einkommensungleichheit bewegt sich die Schweiz ziemlich genau im europäischen Durchschnitt, hinter Großbritannien, vor Schweden und ungefähr auf dem Level von Frankreich.

      Was die Konzentration der Vermögen angeht ist die Schweiz seit Jahrzehnten weltweit Spitze. Das vermögendste Prozent besitzt 42 Prozent aller Vermögen, die reichsten 10 Prozent bereits drei Viertel aller Vermögen (ohne Pensionskassenvermögen; siehe Abb. 2, S. 54). Etwas schwierig zu schätzen sind für die Schweiz die Pensionskassenvermögen und Vermögen in der dritten Säule. Da beide auf der Steuererklärung nicht angegeben werden müssen, liegen keine individuellen Daten vor. In Abbildung 2 wird der Vermögenanteil des reichsten Prozents einmal ohne Pensionskassen geschätzt und einmal, wenn man alle Pensionskassenvermögen gleichmäßig auf alle Versicherten verteilen würde. Da Letzteres sicher eine deutliche Überschätzung der tieferen Pensionskassenvermögen darstellt, kann diese zweite Schätzung als eher konservative Untergrenze einer möglichen Verteilung gelten.

      Abb. 2Vermögen in der Schweiz sehr ungleich verteilt In der Schweiz besaß das vermögendste Prozent 2016 mehr als 42 Prozent aller Vermögen (ohne Berücksichtigung der Pensionskassenvermögen).

      Quellen: Schweiz 1913–2016, Föllmi & Martínez (2017); Frankreich 1910–2014, Garbinti & Piketty (2020); USA 1962–2016, Piketty & Zucman (2014); Großbritannien 1910–2012, Alvaredo et al. (2016); Russland 1995–2015, Novokmet et al. (2017).

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.

/9j/4QAYRXhpZgAASUkqAAgAAAAAAAAAAAAAAP/sABFEdWNreQABAAQAAAA8AAD/4QQcaHR0cDov L25zLmFkb2JlLmNvbS94YXAvMS4wLwA8P3hwYWNrZXQgYmVnaW49Iu+7vyIgaWQ9Ilc1TTBNcENl aGlIenJlU3pOVGN6a2M5ZCI/PiA8eDp4bXBtZXRhIHhtbG5zOng9ImFkb2JlOm5zOm1ldGEvIiB4 OnhtcHRrPSJBZG9iZSBYTVAgQ29yZSA1LjYtYzE0OCA3OS4xNjQwMzYsIDIwMTkvMDgvMTMtMDE6 MDY6NTcgICAgICAgICI+IDxyZGY6UkRGIHhtbG5zOnJkZj0iaHR0cDovL3d3dy53My5vcmcvMTk5 OS8wMi8yMi1yZGYtc3ludGF4LW5zIyI+IDxyZGY6RGVzY3JpcHRpb24gcmRmOmFib3V0PSIiIHht bG5zOnhtcE1NPSJodHRwOi8vbnMuYWRvYmUuY29tL3hhcC8xLjAvbW0vIiB4bWxuczpzdFJlZj0i aHR0cDovL25zLmFkb2JlLmNvbS94YXAvMS4wL3NUeXBlL1Jlc291cmNlUmVmIyIgeG1sbnM6eG1w PSJodHRwOi8vbnMuYWRvYmUuY29tL3hhcC8xLjAvIiB4bWxuczpkYz0iaHR0cDovL3B1cmwub3Jn L2RjL2VsZW1lbnRzLzEuMS8iIHhtcE1NOk9yaWdpbmFsRG9jdW1lbnRJRD0iYWRvYmU6ZG9jaWQ6 aW5kZDowNDA3Mjc0OS00OWVhLTExZTMtYjdiZS1mODUxNzJlODg2N2IiIHhtcE1NOkRvY3VtZW50 SUQ9InhtcC5kaWQ6RkY3MjUwRkU5MDY1MTFFQUFGNkVDMzM4MUZBMzAzMDkiIHhtcE1NOkluc3Rh bmNlSUQ9InhtcC5paWQ6RkY3MjUwRkQ5MDY1MTFFQUFGNkVDMzM4MUZBMzAzMDkiIHhtcDpDcmVh dG9yVG9vbD0iQWRvYmUgSW5EZXNpZ24gMTUuMCAoTWFjaW50b3NoKSI+IDx4bXBNTTpEZXJpdmVk RnJvbSBzdFJlZjppbnN0YW5jZUlEPSJ1dWlkOjE5NzU2MzYxLWM1ODEtYmI0NS1iZjI3LWQyODQz YmM1MjM0ZCIgc3RSZWY6ZG9jdW1lbnRJRD0ieG1wLmlkOmI4MjlmYjQzLWFlYWUtNDNjZC04MTJl LTVmOGU1NzllYTZhYiIvPiA8ZGM6dGl0bGU+IDxyZGY6QWx0PiA8cmRmOmxpIHhtbDpsYW5nPSJ4 LWRlZmF1bHQiPldlcm11dGhfQ29yb25hLUJ1Y2hfVUcuaW5kZDwvcmRmOmxpPiA8L3JkZjpBbHQ+ IDwvZGM6dGl0bGU+IDwvcmRm

Скачать книгу