Von Blut & Magie. Melanie Lane

Von Blut & Magie - Melanie Lane


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zu wissen wer oder was wir sind. Aber«, hatte er hinzugefügt, »wir hatten einst Flügel. Unglaubliche sogar.«

      In diesem Moment hatte ich mir ein mentales High Five gegeben. Hatte ich‘s doch gewusst!

      »Was ist passiert?«

      »Der Clash«, hatte Nick geantwortet. Immer lief es auf diesen verdammten Clash hinaus.

      »Ich glaube …«, Nick hatte mich aus intensiv glühenden, grünen Augen angeschaut, »ich glaube, dass die Balance uns die Flügel nahm. Als Strafe. Oder aber, dass sie eine Art Bezahlung waren. Dafür, dass die Balance unserem Vater geholfen hat, während des Clash

      »Aber das sind nur Theorien?«

      »Nur Theorien«, hatte er bestätigt. »In Alliandoan reden wir nicht gerne darüber. Für jene, die sich an eine Zeit mit Flügeln erinnern, ist es zu schmerzhaft. So auch für Olli und Malik. Ich habe ein paar Mal versucht, mit ihnen darüber zu reden, aber meistens blocken sie ab.«

      Malik, der General unserer königlichen Garde. Ich hatte den adretten Engel in Uniform bisher nur kurz gesehen, aber er hatte einen sehr netten und kompetenten Eindruck gemacht.

      »Erzähl mir, wie er so war, unser Vater.«

      »Furchtlos«, hatte Nick geantwortet. »Stur und ziemlich, hm, du würdest es wahrscheinlich als altmodisch bezeichnen. Aber er war ein guter Mann, Lilly. Ein guter Herrscher. Er hatte es nicht einfach.«

      Nicks Miene hatte sich bei seinen Worten drastisch verdüstert, also hatte ich versucht, ihn auf andere Gedanken zu bringen.

      »Also … Zombies?« Wie erwartet hatte Nick angebissen und unser Spiel, das ich von da an zu einem abendlichen Ritual gemacht hatte, mitgespielt.

      »Nein.«

      »Geister?«

      »Nicht direkt.« Hmm.

      »Vampire?« Daraufhin hatte er genickt.

      »Ernsthaft? Vampire?«

      »In früheren Zeiten, ja. Früher hat es eine Menge verschiedener Welten und Spezies gegeben, Lilly. Vampyre«, er betonte das y als wäre es ein ü und ich grinste innerlich – Vampüre – »Furien, Dämonen, die nicht aus Abbadon stammten, verschiedene Unseelie Spezies, wie die Dunkelblüter oder die Elementarfeen. Die Anderswelt war ein aufstrebendes Universum und durch die Vereinigung von Gefährten entstanden wiederum neue Spezies.«

      »Aber jetzt nicht mehr.« Es war keine Frage gewesen, sondern eine Feststellung.

      »Jetzt nicht mehr.« Ein absolut trauriger Gedanke, der mich auch jetzt, Tage nach unserem Gespräch, noch immer beschäftigte. Der Unterricht des Ministers hingegen fiel wesentlich trockener aus als meine Gespräche mit Nick oder Alina.

      Der Minister war ein kleiner, leicht rundlicher Mann mit einem nagetierartigen Gesicht und sehr wenig Geduld. Zumindest was mich betraf. Man konnte getrost behaupten, dass der Minister mich nicht sonderlich mochte. Ich lernte nicht schnell genug, ich konnte mir Dinge nicht gut genug merken, ich war nicht Engel genug, nicht königlich genug. All das stand ihm bei unseren täglichen Treffen ins Gesicht geschrieben. Am Anfang hatte ich seine Haltung akzeptiert, konnte sie sogar nachvollziehen, bedachte man, dass ich diese Welt bis vor wenigen Wochen nicht einmal gekannt hatte und sie eines Tages regieren sollte. Aber die Haltung des Ministers veränderte sich nicht. Im Gegenteil, ich hatte das dumpfe Gefühl, dass der Minister mich von Tag zu Tag weniger mochte. Egal wie viel Mühe ich mir gab.

      Nick hatte mir erklärt, dass Minister Meyer zum heiligen Rat Alliandoans gehörte. Nur Mitglieder des Adels, wirklich, wirklich alte Mitglieder des Adels, waren Teil des aus Ministern bestehenden Rates. Da der Minister äußerlich in seinen Vierzigern zu sein schien, war er entweder sehr spät zu seiner Magie gekommen oder aber er war mehrere Jahrhunderte alt. Alle anderen Unsterblichen, die ich bis jetzt getroffen hatte, waren jung, attraktiv und in der Blüte ihres Lebens. Ich fragte mich, wie der Rest des Rates oder meines sogenannten Adels mich empfangen würde, wenn Minister Meyer, den Nick als Verbündeten bezeichnete, mir bereits so abwertend gegenüberstand.

      In den letzten Tagen hatte ich gehofft, etwas über die Anderswelt und die Engel zu lernen, was mich davon überzeugen würde, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Leider war dem nicht so. Der Clash, die Welten, die Engel … ich verstand viele Zusammenhänge zwar deutlich besser, dennoch schienen die Engel oder eher der Engelsadel ein ignorantes, selbstverliebtes Volk zu sein, das sich einen feuchten Dreck um die Probleme der weniger Begünstigten kümmerte. Insofern hielt sich meine Freude in Grenzen, wenn ich an die heutige Initiation in Arcadia dachte.

      Ich war aufgeregt, ja, immerhin würde ich das erste Mal durch ein magisches Portal in eine andere Welt reisen. Aber ich hatte auch Angst, Bedenken und Zweifel. Nach allem, was ich bis jetzt gelernt hatte, war es gut möglich, dass mich ein wütender Mob mich auf der anderen Seite erwartete. Bereit, mich gegen jemand wesentlich qualifizierteren auszutauschen. Muttermal hin oder her. Es war also keine Untertreibung, zu behaupten, dass ich jetzt schon genervt war. Wenn ich eines hasste, dann waren es fremde Menschen oder eher Unsterbliche, die ungefragt an mir herumzupften und in meinen persönlichen Bereich eindrangen. Grimmig riss ich die Tür auf, lediglich mit meinem kurzen Flanell Pyjama bekleidet, und starrte einer irritierten Alina entgegen. Eine ihrer elegant geschwungenen Augenbrauen hob sich kunstvoll an, als sie mein wenig schmeichelhaftes Outfit inspizierte.

      Oh, wie sehr ich sie um diese Geste beneidete. Aber vielleicht brauchte man ebenso perfekt zurechtgezupfte Brauen wie sie, um die richtige Wirkung zu erzielen.

      »Eure Hoheit«, verneigte sie sich leicht. »Ihr seid noch nicht angekleidet.«

      »Wozu«, gab ich achselzuckend zurück, »dafür, dass ein Haufen Fremder mich gleich wieder auszieht, um an mir herumzuwerkeln?«

      Ich ließ Alina in der offenen Tür stehen und schlurfte zurück in Richtung Bett.

      »Eure Hoheit«, erwiderte Alina bemüht geduldig. »Bitte … Ihr müsst Euch fertig machen.«

      Händeringend baute sie sich vor mir auf. Ihr Gesichtsausdruck zeigte eine Mischung aus Verzweiflung, Gereiztheit und einem Hauch von sorgfältig unterdrückter Wut.

      Diese Wut war es, die etwas in mir ansprach. Etwas, das mich dazu verleitete, in mein Ankleidezimmer zu gehen und mir eine bequeme Yogahose und einen übergroßen roten Pullover zu holen. Wenn sie mich schon quälten, dann wollte ich wenigstens bequeme Klamotten anhaben. Ohne Scham schlüpfte ich aus meinem Pyjama und in frische Unterwäsche.

      »Hoheit, ich …«, Alina räusperte sich. »Lasst mich Euch helfen.«

      »Ich kann mich durchaus alleine anziehen. Aber«, fügte ich hinzu, »du kannst mir erzählen, was und wer genau mich gleich erwarten wird.«

      »Hoheit, ich …«

      »Alina.« Seufzend hielt ich inne. »Ich brauche keine Dienerin oder Kammerzofe«, erklärte ich ihr, »das haben wir doch schon geklärt. Wir sind Freundinnen und wenn ich etwas gebrauchen kann, dann eine Verbündete in diesem Wahnsinn hier. Jemanden, dem ich trauen kann«, fügte ich leise hinzu.

      »Ihr … du hast recht«, erwiderte sie schließlich.

      »Gut.« Nickend drehte ich mich um. »Kannst du mir mit einem Zopf helfen?«

      »Natürlich, Hoheit.« Eifrig kam sie auf mich zu.

      »Lilly«, verbesserte ich sie automatisch.

      »Lilly.«

      Als ihre sanften Hände gleichmäßig durch meine langen Haare fuhren, begann ich mich zu entspannten. Meinen Namen aus ihrem Mund zu hören, klang noch immer ein wenig fremd, ganz so, als teste sie den Klang des Wortes und die Bedeutung dahinter. Mein Titel und meine Stellung standen dabei wie eine riesige Mauer zwischen uns.

      »Lilly«, wiederholte sie, fester diesmal, ehe sie mir mit flinken Fingern einen hübschen Fischgrätenzopf flocht.

      »Ich mag wie sich das anhört«, sagte ich und sah ihr über


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