Von Blut & Magie. Melanie Lane

Von Blut & Magie - Melanie Lane


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Es sah aus, wie ein schöner, aber tödlicher Tanz.

      »Wow …«

      »Das ist noch gar nichts.« Duncan grinste mich fröhlich an und verschränkte beide Arme vor der muskulösen Brust. »Sie kämpfen quasi auf Sparflamme.«

      »Magie ist beim Training nicht erlaubt«, erklärte mir King, ohne den Blick von Lucan zu lösen. Die Vorstellung ging noch ein paar Minuten so weiter, ohne dass einer der beiden Männer auch nur ins Schwitzen kam oder außer Atem geriet. Immerhin musste ich mir bei der Kontrolliertheit ihrer Hiebe keine Sorgen machen, dass der angeblich gefährlichste Krieger der Anderswelt meinen Bruder in irgendeiner Weise verletzte.

      Ah, verdammt. Jetzt hatte ich es getan. Ich hatte Nick als meinen Bruder bezeichnet. Wenn auch nur in Gedanken, so hatte ich dem Kind einen Namen gegeben. Aber wie könnte ich auch nicht? Nick war süß und nett zu mir. Aufmerksam und liebevoll. Und immerhin war er mein Bruder, denn ich spürte das Geschwisterband, das uns seit gestern Abend miteinander verband als leises Echo in meiner Seele. Und er konnte kämpfen! Aufgeregt und mit wildklopfendem Herzen beobachtete ich die beiden Männer und fragte mich, ob mein Körper zu solchen Leistungen auch in der Lage war. Zwar war ich nie besonders sportlich gewesen, aber ich hatte es auch noch nie ernsthaft versucht. Vielleicht würde das ja einer der Vorteile sein, wenn ich lernte, meine Magie zu kontrollieren. Ich stockte kurz. Wenn. Seit wann war aus falls und überhaupt ein wenn geworden? Aber es ließ sich nicht leugnen: Was ich hier vor mir sah und was ich die letzten Stunden erlebt und gesehen hatte, war nicht normal. Es war nicht … menschlich. Ich war nicht menschlich. Aus den Augenwinkeln fing ich Lucans dunklen Blick auf und ruckartig blieb der Assassine stehen. Sofort nahm sein Körper wieder die lässig arrogante Haltung von zuvor ein und hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen, dann wäre ich niemals auf die Idee gekommen, dass er sich noch vor Sekunden schneller bewegt hatte als der Wind. Auch Nick stockte mitten in der Bewegung und schaute fragend zwischen uns hin und her.

      »Was ist los?«

      »Sie bleibt«, erwiderte Lucan.

      »Wirklich?«, fragte Nick und drehte sich zu mir um. »Stimmt das?«

      »Ich … äh …«, stammelte ich wenig intelligent.

      Woher zum Teufel wusste Lucan das? Ich hatte es doch eben selbst erst beschlossen. Hatte ihm ein Blick in mein Gesicht gereicht, um meine Gefühle zu erraten? Falls ja, dann musste ich in seiner Gegenwart noch vorsichtiger sein, als ich bis jetzt geahnt hatte. Gott sei Dank hatte er nicht mitbekommen, dass ich ihn schon zweimal vor meinem inneren Auge ausgezogen hatte. Lucan lachte auf und erschrocken hielt ich mir die Hand vor den Mund. Hatte ich das etwa laut gesagt?

      Schnell sah ich zu Nick, der jedoch noch immer verwirrt von Lucan zu mir schaute. Anscheinend nicht, aber wie zum Teufel hatte er das gemacht? Lucan grinste mich diabolisch an ehe er mit einem lässigen Winken über die Schulter Duncan und King zu sich rief und gemeinsam mit ihnen den Trainingsraum verließ, ohne sich noch einmal zu uns umzudrehen.

      Kopfschüttelnd kam Nick zu mir herüber geschlendert und legte vorsichtig einen Arm um meine Schultern. Ganz so, als erwarte er Zurückweisung. Merkwürdigerweise fühlte sich seine Berührung jedoch gut an. Normal und vertraut.

      »Mach dir nichts draus, er ist sehr eigen. An guten Tagen.« Ach was? Ich beherrschte mich jedoch und begnügte mich mit einem kleinen Lächeln.

      »Du bleibst also?«, fragte er mich erfreut.

      »Du glaubst ihm?«

      »Er mag viele Fehler haben, aber so sehr es mich auch schmerzt das zuzugeben, Lilly, Lucan Vale ist der Beste.«

      Noch ein wenig zögerlich nickte ich.

      »Ich bleibe«, bestätigte ich, »das heißt nicht, dass ich alles verstehe, was hier vor sich geht«, nicht mal im Ansatz, »aber ich will es verstehen und ich bin bereit zu lernen.« Hatte ich nicht insgeheim auf eine Art lifechanger gewartet? Eine Chance? Ein Zeichen? Irgendetwas? Eins war klar, sollte ich mich auf dieses - zugegeben - immer noch fantastische Abenteuer einlassen, dann musste ich es zu einhundert Prozent machen. Keine halben Sachen, keine Ausreden. Ich würde mich auf diese neue Welt und meine Rolle in ihr einlassen und Nick die Möglichkeit geben, mich von seinen Worten und seiner Welt zu überzeugen. Nick drückte kurz meine Schulter, ehe er von mir abließ und seine Sachen aufsammelte.

      »Das, Schwesterherz, ist alles, was ich von dir verlange.«

      KAPITEL 4

      »Eure Hoheit?«

      Alinas zaghafte Stimme drang gedämpft durch die schwere Tür meiner Suite. Seufzend fragte ich mich, ob sie wohl einfach aufgeben und gehen würde, wenn ich sie lange genug ignorierte.

      »Hoheit?« Es klopfte erneut, energischer diesmal. »Ich weiß, dass Ihr da drin seid.« Und dann: »Lilly!«

      »Jaja«, murmelte ich und schlug die Bettdecke zurück. »Ich komme«, rief ich Alina wenig begeistert entgegen.

      Im Schneckentempo stieg ich aus meinem Bett und grub meine Zehen in den flauschigen Teppich. War irgendetwas in dieser Welt nicht bis zum Erbrechen perfekt? Etwas oder jemand anderes als ich? fügte ich in Gedanken sarkastisch hinzu. Nicht mal mein Äußeres schien Minister Meyer, der ausgewählt worden war, um mich über Alliandoan und die Anderswelt zu unterrichten, oder Nick, meinen eigenen Bruder, Herrgott nochmal, komplett zufrieden zu stellen.

      Heute war der große Tag, hatte der Minister mich gestern hoch erfreut informiert. Ein ganzes Team aus Anderswelt-Stylisten und Kosmetikern war hier, um mich prinzessinnengerecht aufzuhübschen. Anscheinend konnte man mich außerhalb dieser Wände sonst nicht standesgemäß präsentieren. Schon gar nicht in Arcadia. Bis jetzt war ich immer davon ausgegangen durchaus gute Haut und schöne Haare zu haben. Zusammen mit meinen ungewöhnlichen Augen waren meine weißblonden Haare immer ein Hingucker gewesen. Aber scheinbar war dem nicht so. Adieu Selbstbewusstsein, hallo Anderswelt.

      Drei Wochen war es nun her, dass Nick und Lucan mich aus meiner Wohnung entführt hatten und ich Teil dieser Welt geworden war. Vor drei Wochen hatte ich Todd und Marco eine Nachricht per WhatsApp geschrieben und ihnen erklärt, dass Nick sich als mein verschollener Bruder entpuppt hatte und ich spontan mit ihm gehen würde, um den Rest meiner Familie kennenzulernen. Zumindest war ich so nah an der Wahrheit geblieben wie möglich. Verständlicherweise waren beide nicht sonderlich begeistert von meiner überraschenden Nachricht gewesen. Aber was hätte ich ihnen denn sonst sagen sollen? Todd zumindest hatte mir zugesichert, dass ich eine Arbeit hatte, egal wann ich mich dazu entschloss zurückzukommen. Es waren turbulente Wochen gewesen. Intensive Gespräche mit Nick (Nein, er ging nicht davon aus, dass ich bereits vollständig unsterblich war, wann dies der Fall sein würde, würde die Zeit und vor allem meine Magie zeigen) und Alina (Ja, es war völlig normal, dass ich noch nie wirklich krank gewesen war oder meine Periode bekommen hatte) sowie Unterrichtsstunden mit Minister Meyer (und seinem Lieblingssatz: Ihr müsst verstehen, Hoheit …) hatten meinen Kopf beinahe zum Explodieren gebracht. Dank meines neuen, coolen Runensteinzaubers, den der Minister mir schnell und schmerzlos unter die Haut meines linkes Handgelenkes gebrannt hatte, konnte ich zwar rein sprachlich alles verstehen, aber das hieß noch lange nicht, dass ich auch wirklich alles verstand. Vor knapp zwei Wochen hatte ich Nick in seinem Zimmer überfallen. Bewaffnet mit einer Flasche Wein hatte ich Antworten gewollt. Und sie auch bekommen. Unser Gespräch jedoch hatte, wie so ziemlich jedes Gespräch, das ich in der letzten Zeit führte, fast noch mehr Fragen aufgeworfen.

      »Warum haben wir keine Flügel?«, hatte ich ihn an diesem Abend gefragt. Eine Frage, die mir seit meinem ersten Abend mit Nick auf der Seele brannte. »Wir haben doch keine, oder?«

      Nick hatte lediglich mit den Kopf geschüttelt. »Nein.«

      »Warum? Ich meine, wenn wir Engel sind, sollten wir dann nicht Flügel haben?«

      Man konnte behaupten, dass ich mich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hatte.

      »Wir


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