Internationales Franchise-Recht. Dagmar Gesmann-Nuissl
den Bundesstaaten Delaware und Kalifornien, China, Brasilien, Japan, Südafrika und Australien außerhalb Europas. Diese Länderbetrachtungen bilden den Startpunkt eines Handbuches, das in der Zukunft um weitere Länder ergänzt werden soll.
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Dabei liefern Länderbetrachtungen wichtige Informationen für Franchise-Geber und Franchise-Nehmer, aber auch für alle interessierten Kreise, die einen Überblick über die länderspezifischen Regelungen, Rechtsprechung und wissenschaftliche Meinungen zur Ausgestaltung von vorvertraglichen Aufklärungs- und Informationspflichten bei Abschluss von Franchiseverträgen erhalten wollen. Ferner kann das vorliegende Werk die Diskussionen um gesetzgeberische Maßnahmen sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene inhaltlich begleiten.
1 Ergebnisse der Befragung des Deutschen Franchiseverbands, dargestellt im sog. „Franchisebarometer 2017“ von März 2018. Demnach bestehen bundesweit rund 970 Systeme mit knapp 124.000 Partnern, was eine Steigerung von 3,6 % zum Vorjahr darstellt. Insgesamt beschäftigen die über 162.000 Franchisebetriebe (Steigerung um 1,9 % zum Vorjahr) etwa 707.000 Mitarbeiter (Steigerung um 1,3 % zum Vorjahr) und tätigen einen Umsatz von 112,2 Mrd. EUR (Steigerung um 8 % zum Vorjahr). Vgl. dazu www.franchiseverband.com/verband/franchisebarometer/. 2 U.a. OLG München v. 16.9.1993 – 6 U 5495/92, NJW 1994, 667 ff.; OLG Hamm v. 22.12.2011 – I 19 U 35/10, ZVertriebsR 2012, 177 ff.; OLG Düsseldorf v. 25.10.2013 – I 22 U 62/13, ZVertriebsR 2014, 46 ff.; OLG Hamburg v. 28.7.2015 – 4 U 10/14, ZVertriebsR 2015, 78 ff.; weitere Nachweise bei Martinek/Semler/Flohr, Handbuch des Vertriebsrechts, vor § 29 „Rechtsprechung zur vorvertraglichen Aufklärung“. 3 European Franchise Federation (EFF), Europäischer Verhaltenskodex für Franchising (Ethikkodex); Deutsche Franchiseverband e.V. (DFV), Richtlinie zur vorvertraglichen Aufklärung beim Abschluss von Franchiseverträgen. 4 Vgl. zuletzt etwa die Entschließung des Europäischen Parlaments v. 12.9.2017 für eine Europäische Richtlinie zum Franchiserecht „Legal Perspective of the Regulatory Framework and Challenges for Franchising in the EU“. Siehe dazu auch: Giesler/Güntzel, Franchising: Aufklärungspflichten und kein Ende?, NJW 2007, 3099 ff.; Braun, Aufklärungspflichten des Franchise-Gebers bei den Vertragsverhandlungen, NJW 1995, 504 ff.; Flohr, Editorial, ZVertriebsR 2016, 1 f. sowie ZVertriebsR 2018, 69 f.
Teil A: Franchiseregelungen in Europa
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In Europa gibt es kein einheitliches Franchise-Recht, welches das Franchise im Allgemeinen oder die (vor-)vertraglichen Pflichten der Franchiseparteien im Besonderen umfassend regeln würde. Während in einigen Ländern – wie etwa in Deutschland – keine Notwendigkeit für eine Reglementierung der (vor-)vertraglichen Pflichten gesehen wird, die Parteien vielmehr privatautonom unter Berücksichtigung der Grenzen der Rechtsprechung agieren, haben andere Mitgliedstaaten Gesetze zum Franchise und den (vor-)vertraglichen Pflichten, insbesondere zur Aufklärung (disclosure requirements) beim Abschluss von Franchiseverträgen, geschaffen. Hier lassen sich z.B. Frankreich, Belgien, Spanien, Schweden und Italien nennen. Dabei beschränken sich diese Gesetze weitgehend darauf, Informationspflichten betreffend der vorvertraglichen Aufklärung zu normieren, um in dieser Weise das Informationsgefälle zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer zu vermeiden bzw. zu minimieren. Hierbei setzen sie aber durchaus unterschiedliche Schwerpunkte und werden auch durch die Rechtsprechung und Wissenschaft in unterschiedlichem Umfang begrenzt und begleitet, ein Aspekt, der im Rahmen der nachfolgenden Länderbetrachtung gut sichtbar wird.
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Die in Europa vorherrschende Situation der unterschiedlichen Regelungen führt in der Rechtspraxis u.a. dazu, dass ein (Master-)Franchise-Geber, der einen auf das Franchisesystem bezogenen Vertrag mit einem außerhalb des eigenen Landes befindlichen Franchise-Nehmer abschließen möchte, die Rechtslage im Zielland genau kennen muss, um bei der Aufnahme der Vertragsverhandlungen nicht bereits erhebliche Fehler zu begehen, die zur Unwirksamkeit des Vertrages oder Sanktionen führen können. Ferner werden – so auch die Auffassung des Europäischen Parlaments – die Interessen der Franchise-Nehmer in unterschiedlich starker Weise geschützt, was zumindest im Rahmen eines gemeinsamen europäischen Handelsmarktes nicht immer nachvollziehbar ist.
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Gerade deshalb beschäftigte sich das Europäische Parlament schon im Jahr 2013 mit dem Franchising und stellte damals fest, dass „Franchising als Geschäftsmodell, welches neue sowie kleine Unternehmensformen unterstützt, zu begrüßen“ sei. Andererseits mutmaßte es, dass in bestimmten Fällen „unfaire, den Franchise-Nehmer benachteiligende Bestimmungen vorherrschen“ und verlangte nach transparenten und fairen Vertragsbedingungen, die idealerweise europaweit normiert seien.1 Am 12.9.2017 wurde diese Thematik erneut aufgegriffen und eine Resolution im Europäischen Parlament verabschiedet (2016/2244 (INI)), die europaweit einheitliche Richtlinien für Franchiseverträge fordert.2 Darin wird die Europäische Kommission u.a. aufgefordert, das Franchising im Handel hinsichtlich der Existenz von unfairen Vertragsbestimmungen und anderen ungerechten Handelspraktiken zu überprüfen. Das Europäische Parlament hebt insoweit die Prinzipien einer ausgeglichenen Partnerschaft zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer hervor und sieht sie offenbar als stark gefährdet an. Es konstatiert hierzu, dass es in vielen Mitgliedsstaaten zwar gesetzliche Regelungen gebe, diese jedoch uneinheitlich seien und oft nur Teilaspekte regeln würden. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen seien daher nicht ausreichend, um die unfairen Geschäftspraktiken europaweit zu unterbinden. Zudem führe die zersplitterte Gesetzessituation auch zu einer Behinderung der Weiterentwicklung und Verbreitung des Franchising in Europa. Das Parlament vergleicht Europa mit den USA und fordert – wie in den USA geschehen – zumindest einheitliche europäische Rechtsstandards („Leitlinien für Franchiseverträge“). Zwar – so führt das Parlament aus – gebe es innerhalb Europas die sog. „Codes of Conduct“ einzelner Franchiseverbände und insbesondere den vom Europäischen Franchiseverband (European Franchise Federation – EFF) ausgearbeiteten Europäischen Verhaltenskodex für das Franchising. Allerdings seien diese Verhaltenskodizes nicht vom Gesetzgeber, sondern vielfach von Franchisegeberverbänden entworfen worden und spiegelten daher nicht immer auch die Interessen der Franchisenehmerseite wieder. Die Entschließung empfiehlt daher einen eigenen europäischen „Regelungsrahmen“ und schlägt darin sehr konkrete Inhalte vor, u.a. eine eigenständige Definition des Franchising; Regelungen zur Bereitstellung klarer, zutreffender und umfassender vorvertraglicher Informationen, darunter auch Informationen über die Performance der Franchise-Formel; Regelungen zur Geheimhaltung zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer; schriftliche Informationspflichten vor der Unterzeichnung des Vertrags; Einräumen einer Bedenkzeit nach Unterzeichnung des Vertrags; Festschreiben einer kontinuierlichen betrieblich-technischen Unterstützung seitens des Franchise-Gebers u.v.m. – Regelungsinhalte also, welche sich an bereits bestehenden Franchise-Regularien orientieren.
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Kritiker dieser Resolution3 fordern vor der Verabschiedung eines solchen gesetzlichen Regelungsrahmens zunächst einmal, dass Parameter aufgestellt werden, anhand derer überprüft werden könne, wie die vorvertragliche Aufklärung und die Franchiseverträge in den einzelnen EU-Staaten ausgestaltet sind, um am Ende auf dieser Basis eine Entscheidung zur Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung zu treffen. Es soll also darum gehen, erst einmal zu ermitteln, welche Regelungen sich in den über Gesetze verfügenden Mitgliedstaaten bewährt haben und die gegebenenfalls in ein solches Gesetzesvorhaben einfließen könnten und welche ihre Zielsetzung verfehlten und daher verzichtbar sind. Eine solche Bewertung setzt die Auseinandersetzung mit den Regelungen der jeweiligen Länder voraus und auch inwieweit sie von Wissenschaft und Rechtsprechung begleitet werden – die nachfolgenden Länderbetrachtungen können hierzu erste Hinweise liefern.
1 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11.12.2013 zu dem Europäischen Aktionsplan für den Einzelhandel zum Nutzen aller Beteiligten (2013/2093 (INI)), http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+TA+P7-TA-2013-0580+0+DOC+PDF+V0//DE.