Internationales Franchise-Recht. Dagmar Gesmann-Nuissl
gefunden werden könne.35 Die Rechtsprechung sah daher keine Veranlassung, den Franchise-Geber eine Standortanalyse durchführen zu lassen. Der Franchise-Geber sei lediglich angehalten, dem Franchise-Nehmer die Instrumente an die Hand zu geben, anhand deren er für den beabsichtigten Standort eine Standortanalyse durchführen bzw. eine Rentabilitätsvorausschau für sein Franchise-Outlet zu Finanzierungszwecken erstellen könne.36 Diese zunächst nachvollziehbare Rechtsprechung hat einen Widerspruch durch das Urteil des OLG Hamm37 gefunden, wonach der Franchise-Geber nicht nur eine Rentabilitäts- und Standortanalyse durchzuführen habe, sondern diese außerdem auf vom Franchise-Geber selbst angestellten Markterhebungen beruhen müsse. Diese Rechtsprechung dient seither als Argumentationshilfe für diejenigen, die eine Standort- und Rentabilitätsanalyse als verpflichtende Information fordern.
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In den Bereich der vorvertraglichen Aufklärung fällt ebenso die Verpflichtung des Franchise-Gebers, den Franchise-Nehmer über andere Vertriebskanäle des Franchisesystems zu informieren, insbesondere wenn die Produkte/Dienstleistungen auch über das Internetportal des Franchisesystems an Kunden vertrieben/angeboten werden, die ihren Sitz im Vertragsgebiet des Franchise-Nehmers haben. Das Unterlassen der gebotenen Aufklärung verletzt die Exklusivität.38
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Selbstverständlich müssen die abgeforderten Angaben wahrheitsgemäß sein und es dürfen auch keine irreführenden Behauptungen aufgestellt werden.39 Zulässig sind hingegen werbende Anpreisungen ohne bindende Zusagen.40
b) Franchise-Nehmer
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Auch den Franchise-Nehmer treffen Aufklärungs- und Offenbarungspflichten, was seine Person, die dahinterstehenden Gesellschafter und seine finanziellen Verhältnisse anbelangt. Insoweit wird auch dort eine qualitative Selektion vorgenommen.
c) Dokumentationspflicht
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Die für den Vertragsschluss wesentlichen Informationen sind vom Franchise-Geber ungefragt zu offenbaren, wobei dies auch für fehlenden Markenschutz oder Angriffe Dritter auf die Franchisemarke gilt. Ob dies verschriftlicht erfolgen muss oder nicht, wird kontrovers diskutiert.
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Sicher ist, dass es keine gesetzlichen Vorgaben zur Offenbarung der Informationen und Auskünfte gibt. Allerdings sind die Parteien für die von ihnen aufzuklärenden Umstände darlegungs- und beweisbelastet,41 sodass es schon aus diesem Grund empfehlenswert ist, die vorvertragliche Aufklärung und Offenbarung ordentlich zu dokumentieren. Die Dokumentation sichert die Parteien ab, sie können nachweisen, dass sie ihren vorvertraglichen Pflichten nachgekommen sind. In der Rechtspraxis findet daher eine umfassende Dokumentation der erfolgten Aufklärung statt.
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Im Rahmen eines solchen Dokumentes zur vorvertraglichen Aufklärung, welches als Muster vom Deutschen Franchiseverband zur Verfügung gestellt wird und das im Anschluss an die Vertragsverhandlungen vom Franchise-Nehmer unterzeichnet werden sollte, werden gemeinhin zumindest die Risiken klar verständlich dargestellt, die für den Franchise-Nehmer mit dem Abschluss des Franchisevertrages verbunden sind.
d) Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die Aufklärungspflicht
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Ein Verstoß gegen die vorgenannten Aufklärungsverpflichtung kann – basierend auf den Grundsätzen der culpa in contrahendo, § 311 Abs. 2, 3 BGB – zur Vertragsaufhebung und der Verpflichtung zum Ersatz des entstandenen Vertrauensschadens führen.42
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Auch Verhandlungsgehilfen (z.B. Franchise-Broker) können in die Haftung geraten.43
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Es besteht nach Auffassung der Rechtsprechung, selbst bei einer umfassenden Dokumentation des Franchisesystems, keine Prospekthaftung wie im Kapitalmarktrecht. Das OLG München44 hat festgestellt, dass die Prospekthaftungsgrundsätze auf Franchisesysteme nicht anwendbar sind. Begründet wird dies damit, dass der Franchise-Nehmer im Gegensatz zu einem Kapitalanleger über weitere Informationsquellen als (nur) dem „Prospekt“ verfügt. Dies wird zum Teil in Frage gestellt,45 wobei dabei sehr klar darauf abgestellt wird, dass eine Prospekthaftung erst dann in Betracht kommen könne, wenn die Prospekte von der Rechtsprechung nicht mehr nur als Werbemittel der Anbieterseite betrachtet würden, sondern tatsächlich als Medium zur Erfüllung vorvertraglicher Aufklärungspflichten angesehen würden. Letzteres sei erst anzunehmen, wenn die vom Franchise-Geber ausgegebenen Prospekte nicht mehr nur die allgemeine Beschreibung des Franchisesystems enthielten, sondern sich in ihnen auch Rentabilitätsberechnungen oder Umsatz- und Gewinnerwartungen bzw. Umsatzprognosen finden ließen. Dann diene das Prospekt auch der Erfüllung einer vorvertraglichen Verpflichtung und wäre durchaus mit einem Prospekt vergleichbar, mit dem ein Kapitalanleger für seine Beteiligung werbe (§§ 19, 20 KAGG a.F.). Gerade diese Auffassung, die durchaus nachvollziehbar ist, führt wieder zurück zu der Dokumentation der Aufklärungspflichten und der Empfehlung, diese getrennt von den sonstigen Angaben zum Franchisesystem zu erstellen. Die Trennung dieser Dokumentationen – einerseits die Darstellung des Systems, andererseits das Fixieren gewährter Informationen zu Beweiszwecken – dient der Vermeidung von Prospekthaftung und zwar gleichgültig, ob die Rechtsprechung eine Standort- oder Rentabilitätsanalyse für verpflichtend erklärt.
3. Rechtswissenschaftliche Analyse
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In Deutschland hat die Rechtsprechung dafür Sorge getragen, die anfänglich bestehende typische Informationsasymmetrie zwischen dem Franchise-Geber und Franchise-Nehmer abzubauen. Die Rechtsprobleme im Zusammenhang mit den vorvertraglichen Aufklärungspflichten sind daher überschaubar und wurden seitens der Rechtsprechung weitgehend46 gelöst, wie ohnehin – im Vergleich zu den Ländern mit vorvertraglichen Sonderregelungen (siehe nachfolgende Länderbetrachtungen) – relativ wenige Streitigkeiten auszumachen sind.
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Auch die rechtswissenschaftliche Literatur hält sich mit Kritik zurück47 – das vorherrschende System wird im Ganzen sehr wohlwollend beurteilt, sodass sich die Notwendigkeit von gesetzlichen Sonderregelungen derzeit in Deutschland nicht aufdrängt.
1 Das Kapitel Deutschland weicht im Aufbau von den nachfolgenden Länderbetrachtungen ab und wird etwas kürzer dargestellt, da hier keine Regelungen zur Informations- und Aufklärungspflicht existieren, die einer weiteren Erklärung bedürften und außerdem der Franchisevertrag – Zustandekommen, Pflichten, Beendigung, nachvertragliche Pflichten – in zahlreichen Werken ausführlich beschrieben ist. Vgl. u.a. Flohr, in Martinek/Semler/Flohr, Handbuch des Vertriebsrechts, 4. Aufl. 2016, § 30. 2 Flohr/Gramlich, Aktuelle Aspekte des Franchising im In- und Ausland, 2009, S. 5. 3 Deutscher Franchiseverband, „Franchisebarometer 2017“, März 2018. 4 EG-Amtsblatt Nr. L 359/52; die VO wurde am 1.1.2000 durch die EU-Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikale Vertriebsbindung (Vertikal-GVO) ersetzt. 5 Harke, in MüKo-BGB, § 581 Rn. 19. Der Deutsche Franchiseverband e.V. definiert Franchising wie folgt: Franchising ist ein vertikal-kooperatives organisiertes Absatzsystem rechtlich selbstständiger Unternehmen auf der Basis eines vertraglichen Dauerschuldverhältnisses. Dieses System tritt am Markt einheitlich auf und wird geprägt durch das arbeitsteilige Leistungsprogramm der Systempartner sowie durch ein Weisungs- und Kontrollsystem eines systemkonformen Verhaltens. Das Leistungsprogramm des Franchise-Gebers ist das Franchisepaket. Es besteht aus einem Beschaffungs-, Absatz-