Der Lizenzvertrag. Michael Groß
nur eine Entscheidung ergangen.136 In der Literatur waren die Auffassungen hierüber geteilt. Pietzcker, Krausse/Katluhn/Lindenmaier und Isay wollten dem ausschließlichen Lizenznehmer in der Regel nur ein Minderungsrecht und bei Vorliegen besonderer Umstände ein Rücktrittsrecht einräumen.137 Klauer/Möhring räumte dem Lizenznehmer einen Anspruch gegen den Lizenzgeber auf Übertragung der diesem aus der Zwangslizenz zustehenden Gebühren ein.138 Nach Reimer konnte der Lizenznehmer nach seiner Wahl entweder Abtretung des dem Patentinhaber gegen den Zwangslizenznehmer zustehenden Anspruchs auf Zahlung der Vergütung oder Minderung seiner Lizenzgebühr verlangen. Ein Kündigungsrecht (Rücktrittsrecht) konnte nach Auffassung Reimers nur in seltenen Ausnahmefällen zugebilligt werden.139 Rasch hielt schließlich ein Wahlrecht zwischen Kündigung und Minderung für gegeben.140
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Die nachträgliche Erteilung einer Zwangslizenz hatte für den Inhaber der ausschließlichen Lizenz ähnliche Wirkungen wie die nachträgliche Feststellung des Vorbenutzungsrechts. Dem Lizenznehmer war daher bei nachträglicher Erteilung einer Zwangslizenz ebenfalls ein Minderungsrecht zuzubilligen.141 Es musste ihm auch ein Kündigungsrecht zustehen, es sei denn, dass die Beeinträchtigung durch die Zwangslizenz nur geringfügig war.142 Zu welchem Zeitpunkt die Kündigung des Vertrages zulässig ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dies ist spätestens mit der Rechtskraft der Erteilung der Zwangslizenz der Fall, u.U. jedoch schon früher, wenn sich z.B. durch die bevorstehende Erteilung der Zwangslizenz die Ausnutzung des dem Lizenzvertrag zugrunde liegenden Patents verbietet.
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Der von Wertheimer vertretenen Auffassung, dass der „Rücktritt“ u.U. für einen Zeitpunkt ausgesprochen werden konnte, der vor der Rücktrittserklärung lag, konnte nicht gefolgt werden. Wertheimer wollte in Fällen, in denen der Lizenznehmer erst nachträglich feststellte, dass der Absatz des Lizenzgegenstandes infolge einer Zwangslizenz nicht mehr möglich war, den „Rücktritt“ mit Wirkung für den Zeitpunkt zulassen, zu dem die Produktion tatsächlich unrentabel wurde.143 Für eine derartige Konstruktion ließ sich jedoch kein Rechtsgrund finden; sie war unserem Recht fremd. Es bestand auch kein Bedürfnis hierfür, weil der Lizenznehmer ein riskantes Geschäft eingegangen war und es daher nicht gerechtfertigt war, jegliches Risiko dem Lizenzgeber aufzuerlegen.
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Im Gegensatz zum Vorbenutzungsrecht erhält der Patentinhaber für die Zwangslizenz eine Lizenzgebühr. Nach dem allgemeinen Grundsatz des § 281 BGB a.F. konnte man dem Lizenznehmer daher neben der Kündigung wahlweise einen Anspruch auf Abtretung der Forderungen des Patentinhabers gegen den Inhaber der Zwangslizenz auf die Zwangslizenzgebühren einräumen.144 Ein Verschulden setzte § 281 BGB a.F. nicht voraus. Es handelte sich um einen Anspruch, der nicht kraft Gesetzes entstand, sondern erst durch das Verlangen des Berechtigten (Lizenznehmers).
(c) Auswirkungen auf die einfache Lizenz
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Durch die Erteilung einer Zwangslizenz wird dagegen die rechtliche Stellung des Inhabers einer einfachen Lizenz meist nicht geschmälert. Ob neben einer erteilten einfachen weitere Lizenzen vergeben werden, hängt in der Regel vom Willen des Patentinhabers ab; der Inhaber einer einfachen Lizenz hat hierauf keinen Einfluss. Er muss mit der Möglichkeit der Erteilung weiterer Lizenzen rechnen. Ob dies durch die vertragliche Vereinbarung oder durch eine Zwangslizenz geschieht, ist unerheblich. Der Inhaber einer einfachen Lizenz kann daher nach allgemeiner Ansicht aus der nachträglichen Erteilung einer Zwangslizenz keine besonderen Rechte herleiten.
(5) Wirkungsbeschränkung des Patents im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt und der Staatssicherheit
(a) Allgemeines
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Im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt und der Staatssicherheit kann die Bundesregierung bzw. die zuständige Bundesbehörde die Wirkung des Patents beschränken. Hierdurch wird das Ausschließlichkeitsrecht des Patentinhabers, je nach dem Umfang der Beschränkung, aufgehoben.145 Der Patentinhaber hat dann einen Anspruch auf angemessene Vergütung gegen den Bund. Die Benutzung des Patentgegenstands kann Dritten, die durch die zuständigen Behörden zu bestimmen sind, eingeräumt werden; der Patentinhaber ist insoweit nicht mehr in der Lage, dem Inhaber einer ausschließlichen Lizenz die Möglichkeit der ausschließlichen Benutzung einzuräumen. In ihrer Wirkung kommt die Beschränkung durch behördliche Anordnung einer Zwangslizenz gleich, wenn auch die rechtliche Konstruktion eine andere ist. Das Reichsgericht sprach bei dieser Beschränkung ursprünglich von einer Enteignung, später von einem besonders geregelten Fall der Zwangslizenz.146
(b) Auswirkungen auf die Lizenz
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Für die Rechte des Lizenznehmers bei nachträglicher Beschränkung des Patents gelten die Ausführungen über die nachträgliche Erteilung einer Zwangslizenz entsprechend. Der von Reimer vertretenen Auffassung,147 dass keine Bedenken bestehen, hinsichtlich der angemessenen Vergütung den ausschließlichen Lizenznehmer als Berechtigten anzusehen, da er den Patentinhaber völlig abgefunden habe und dieser daher auch keine Schadensersatzansprüche gegen widerrechtliche Benutzer habe, konnte nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, dass in § 13 PatG als Berechtigter der Patentinhaber angeführt ist, besteht kein Anlass, hier anders als bei der Zwangslizenz zu verfahren, wonach der Lizenznehmer allenfalls einen Anspruch auf Abtretung hat.
2. Rechtslage ab dem 1.1.2002
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§ 313 BGB n.F. erfasst jetzt die Sachverhalte, die vor dem 1.1.2002 nach den von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage behandelt wurden.
§§ 323 Abs. 1 HS 2, 472, 473 BGB a.F. werden bei einer Verpflichtung des Lizenznehmers zur Erbringung einer Teilleistung im Falle des teilweisen Ausschlusses der Leistungspflicht des Lizenzgebers durch §§ 326 Abs. 1, Satz 1 HS 2, 441 Abs. 3 BGB n.F. ersetzt. Das aus der analogen Anwendung des § 626 Abs. 1 BGB (vor dem 1.1.2002) hergeleitete Kündigungsrecht ergibt sich jetzt aus § 314 BGB n.F.148
87 Vgl. oben Rn. 65 ff.; Benkard, PatG, Rn. 170 zu § 15. 88 Vgl. Rn. 364. 89 Vgl. zum Begriff der Abhängigkeit auch Rn. 338; Benkard, Rn. 171. 90 Vgl. dazu Stumpf, Der Know-How-Vertrag, Rn. 68 ff.; vgl. auch zur Schadensersatzpflicht eines Videolizenzgebers wegen Zahlung des Lizenznehmers an einen nichtberechtigten Dritten BGH, 15.11.1990, NJW 1991, 1109. 91 Zum Begriff der Zwangslizenz vgl. Rn. 349 ff. 92 Vgl. zum Begriff des Vorbenutzungsrechts Rn. 345 ff. 93 Vgl. auch Rn. 382. 94 §§ 581 Abs. 2 i.V.m. 538–541 BGB a.F. = §§ 581 Abs. 2 i.V.m. 536a, b, d, 536 Abs. 3 BGB; siehe auch BGH, 3.2.1998, WRP 1998, 619 ff. zur Anfechtung eines Lizenzvertrags wegen arglistiger Täuschung. 95 §§ 581 Abs. 2 i.V.m. 538–541 BGB a.F. = §§ 581 Abs. 2 i.V.m. 536a, b, d, 536 Abs. 3 BGB. 96 §§ 581 Abs. 1 i.V.m. 542 BGB a.F. = §§ 581 Abs. 2 i.V.m. 543 BGB; siehe auch BGH, 3.2.1998, WRP 1998, 619 ff., zur Anfechtung eines Lizenzvertrags wegen arglistiger Täuschung. 97 §§ 581 Abs. 2 i.V.m. 539 BGB a.F. = §§ 581 Abs. 2 i.V.m. 536b BGB. 98 Benkard, PatG, Rn. 159 ff., 169 f. zu § 15; Malzer, GRUR 1964, 350; Rasch, S. 7.