Polizeibeamte als Zeugen im Strafverfahren. Kai Müller
Art. 103 I GG hinaus wird dem Beschuldigten bereits im Ermittlungsverfahren das rechtliche Gehör eingeräumt. So muss die Staatsanwaltschaft ihm spätestens vor Abschluss der Ermittlungen Gelegenheit zur Stellungnahme geben (§ 163a I StPO).
b) Anwesenheit
Der Angeklagte muss und darf während der Hauptverhandlung anwesend sein (§§ 230 I, 231 StPO). Ist er „ausgeblieben“, d. h. trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen, so wird er vorgeführt. Ist er hingegen abwesend, d. h. sein Aufenthaltsort ist unbekannt oder er hält sich im Ausland auf und seine Gestellung vor das zuständige Gericht ist nicht möglich (§ 276 StPO), so darf keine Hauptverhandlung stattfinden, sondern allenfalls ein Beweissicherungsverfahren durchgeführt werden (§ 285 StPO). Von dieser Anwesenheitspflicht können in einigen Fällen Ausnahmen gemacht werden (§§ 231 II ff. StPO). Auch kann dem Angeklagten vorübergehend während einer Vernehmung auf Anordnung des Gerichts die Anwesenheit untersagt werden (§ 247 StPO). Beispielsweise muss der Angeklagte sich auf Anordnung des Gerichts aus dem Sitzungssaal entfernen, wenn durch seine Anwesenheit die konkrete Gefahr besteht, dass der Zeuge nicht die Wahrheit sagen wird oder bei der Vernehmung eines Kindes die konkrete Befürchtung eines erheblichen Nachteils für das körperliche und seelische Wohl des Zeugen besteht.63
c) Dolmetscher
Weiterhin haben Angeklagte, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, für das gesamte Verfahren und damit auch schon für die Vorbereitung der Hauptverhandlung Anspruch auf die unentgeltliche Zuziehung eines Dolmetschers (Art. 6 III a, e EMRK; §§ 185 I 1, 187 I GVG).64 Die Tatsache, dass der Angeklagte Ausländer ist, begründet nicht automatisch die Notwendigkeit eines Dolmetschers. Entscheidend ist, ob der Angeklagte die Gerichtssprache Deutsch (§ 184 GVG) beherrscht oder nicht.
d) Plädoyer und letztes Wort
Dem Angeklagten steht immer das letzte Wort in der Hauptverhandlung zu (§ 258 II StPO). Hat der Angeklagte keinen Verteidiger, so darf er nach dem Plädoyer des Staatsanwalts auch selbst plädieren. Plädiert für den Angeklagten ein Verteidiger, so hat der Vorsitzende danach den Angeklagten stets zu fragen, ob er selbst noch etwas dem Plädoyer seines Verteidigers hinzufügen möchte (§ 258 III StPO). Dadurch soll der Angeklagte die Möglichkeit erhalten, sich abschließend zum gesamten Prozessstoff äußern zu können und dem Gericht vor der Beratung einen möglichst frischen Eindruck seiner Person und Sichtweise des Geschehens zu geben.65
3. Der Verletzte als Nebenkläger
Wer durch eine der in § 395 I StPO genannten Straftaten verletzt worden ist, kann sich als Nebenkläger der öffentlichen Klage anschließen, um so seine Interessen an dem Strafverfahren wahrzunehmen. Der Nebenkläger tritt insoweit neben die Staatsanwaltschaft, um diese zu kontrollieren und durch eine Bestrafung des Angeklagten persönliche Genugtuung für das erlittene Unrecht zu erhalten.66 Ist das Opfer verstorben, so steht dieses Recht den Kindern, Eltern, Geschwistern, Ehegatten oder Lebenspartnern zu (§ 395 II StPO). Sind Kinder Nebenkläger, übt der gesetzliche Vertreter die Nebenklagerechte aus.67 Bei bestimmten schweren Straftaten wie versuchtem Totschlag oder Mord, bei Straftaten, die zu schweren körperlichen oder seelischen Schäden geführt haben, und bei Straftaten an jugendlichen Opfern hat der Nebenkläger einen Anspruch auf einen Opferanwalt, dessen Kosten von der Staatskasse übernommen werden (§ 397a StPO). In anderen Fällen besteht die Möglichkeit auf Gewährung von Prozesskostenhilfe nach §§ 114 ff. ZPO (§ 397a II StPO).
Die Rechte des Nebenklägers finden sich in § 397 StPO. In der Hauptverhandlung hat er – auch wenn er als Zeuge vernommen werden soll – ein Anwesenheitsrecht, aber keine Anwesenheitspflicht. Er kann sich in der Hauptverhandlung durch einen Rechtsanwalt (§ 397 II StPO) oder einen Rechtslehrer einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt (§ 138 I, III StPO) vertreten lassen, was regelmäßige Praxis ist. Wie die anderen Verfahrensbeteiligten hat er ein Fragerecht, das Recht zur Beanstandung von Anordnungen des Vorsitzenden und von Fragen, ein Beweisantragsrecht und das Recht zur Abgabe von Erklärungen. Da er neben die Staatsanwaltschaft tritt, ist er auch im selben Umfang zuzuziehen und zu hören. Im beschränkten Umfang hat der Nebenkläger unabhängig von der Staatsanwaltschaft auch das Recht zur Rechtsmitteleinlegung (§§ 400, 401 StPO). Weiterhin hat der Nebenkläger als Verletzter über seinen Rechtsanwalt ein Akteneinsichtsrecht (§ 406e StPO). Oftmals muss er als Hauptbelastungszeuge aussagen.
Merke:
Durch die Akteneinsicht besteht für den Nebenkläger insoweit die anderen Zeugen verwehrte Möglichkeit, sich gezielt auf seine Aussage vor Gericht vorzubereiten. Auch ist der Nebenkläger als Opfer der Straftat bei seiner Zeugenaussage möglicherweise von Rachegefühlen oder ähnlichen Beweggründen motiviert.68 Hier zeigt sich die problematische Verbindung von Partei- und Zeugenrolle in der Person des Nebenklägers,69 die in anderem Gewand auch bei dem Polizeibeamten als Zeugen noch zu erörtern sein wird.
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