Handbuch Hamburger Polizei- und Ordnungsrecht für Studium und Praxis. Sven Eisenmenger

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      Im Rahmen des Prüfungspunktes Verantwortlichkeit ist zu prüfen, wer Adressat der Maßnahme sein kann, also ob die Voraussetzungen als Verhaltensverantwortlicher (§ 8 SOG), Zustandsverantwortlicher (§ 9 SOG) oder subsidiär Nichtverantwortlicher (§ 10 SOG) vorliegen. Die Einzelheiten dazu sind unter B. I.3. entfaltet. Sind mehrere Personen auswählbar, ist die konkrete Auswahl im Rahmen des Auswahlermessens zu thematisieren (s. unter B. I.4.b.cc.).

       III. Allgemeine Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen

      Hier können anlassbezogene andere Rechtsprobleme thematisiert werden. Insoweit ist an die Vorgabe des § 37 Abs. 1 HmbVwVfG zu erinnern, nach dem Verwaltungsakte inhaltlich hinreichend bestimmt sein müssen. Eine Begründung ist bei mündlichen Verwaltungsakten nach dem SOG, PolDVG und HafenSG grundsätzlich nicht erforderlich, vgl. § 39 Abs. 1 HmbVwVfG.

       IV. Rechtsfolge: Ermessen

      Soweit das Gesetz jeweils anordnet, die Behörde „kann“, „darf“ oder „ist befugt dazu“ Maßnahmen (zu) ergreifen, liegt eine Ermessensentscheidung vor (vgl. dazu die einzelnen Checklisten bei den jeweiligen Befugnissen). Nur in den seltenen Ausnahmefällen, in denen Normen im Polizei- und Ordnungsrecht den Behörden kein Ermessen einräumen, sondern eine bestimmte Maßnahme konkret und zwingend anordnen („müssen“), liegt eine gebundene Entscheidung vor.

      Dies ist etwa im besonderen Gefahrenabwehrrecht der Fall, so etwa bei der Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung: „Die Ausübung eines Gewerbes ist … zu untersagen, wenn …“). Wegen der Einzelheiten zum Ermessen und den jeweiligen Stufen einschließlich Verhältnismäßigkeitsprinzip wird auf B. I.4.b.bb. verwiesen. Zu prüfen ist jedenfalls:

      1. Entschließungsermessen

      2. Gestaltungsermessen: Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

      a) Legitimer Zweck der Maßnahme

      (§ 4 Abs. 1 Satz 1 SOG, Gefahrenabwehr, weiter zu konkretisieren)

      b) Prüfung

      aa) Geeignetheit (§ 4 Abs. 1 SOG)

      bb) Erforderlichkeit (§ 4 Abs. 2 und 4 SOG)

      cc) Angemessenheit (§ 4 Abs. 3 und ggf. § 5 SOG)

      3. Auswahlermessen

       V. Sonstiges

      Hier sollten noch „Nebennormen“ (in den Checklisten „Maßnahmenspezifische Verfahrens- und Formerfordernisse“) zu Modalitäten geprüft werden, angefangen von Richtervorbehalten über Belehrungspflichten bis hin zu Benachrichtigungsrechten (z. B. § 13 a–c SOG, § 16 Abs. 3 bis 5 mit § 16 a SOG). Diese Elemente können – auch gut vertretbar – unter der „Formellen Rechtmäßigkeit“ ergänzend geprüft werden. Nicht jede Verletzung führt indes zur Rechtswidrigkeit der gesamten Maßnahme. Insoweit ist hinsichtlich der Konsequenzen eine Einzelbetrachtung nötig.

       c) Kooperationsformen

       106

      Der Staat kann in verschiedenen Formen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abwehren. Dazu stehen ihm verschiedene Handlungsformen zur Verfügung, die von allgemeinen bis zu konkreten Maßnahmen reichen. Von Bedeutung sind aber auch Kooperationen, insbesondere mit Polizeivollzugsbeamten des Bundes und anderer Länder und Bediensteten ausländischer Staaten, wie sie in § 30 a SOG fixiert und etwa auch beim G-20-Einsatz im Jahr 2017 zum Einsatz gekommen sind. Spiegelbildlich können nach § 30 b SOG auch hamburgische Polizeivollzugsbeamte außerhalb Hamburgs tätig werden, soweit dies insbesondere auch im Recht des Partnerlandes festgeschrieben ist.

       107

      Kooperationen bestehen im Übrigen auch zwischen Polizei und privatem Sicherheitsgewerbe auf Hamburger Landesebene. Schon nach § 43 Abs. 2 der Versammlungsstättenverordnung hat der Betreiber für Versammlungsstätten mit mehr als 5.000 Besucherplätzen im Einvernehmen mit den für Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden, insbesondere der Polizei, der Feuerwehr und den Rettungsdiensten, ein Sicherheitskonzept aufzustellen. Im Sicherheitskonzept sind die Mindestzahl der Kräfte des Ordnungsdienstes, gestaffelt nach Besucherzahlen und Gefährdungsgraden, sowie die betrieblichen Sicherheitsmaßnahmen und die allgemeinen und besonderen Sicherheitsdurchsagen festzulegen. Weitere Kooperationen existieren in den Business Improvement Districts in der Stadt („Beobachten und Melden“). Die Zusammenarbeit am Flughafen und den Bahnhöfen betrifft dagegen vor allem das Verhältnis zwischen Bundespolizei und Sicherheitsgewerbe.197

      Kristin Pfeffer

       a) Vorbemerkung

       108

      Wird im Polizei- und Ordnungsrecht von der „Generalklausel“ gesprochen, so geht es regelmäßig um die allgemeine Ermächtigung zum Ergreifen von „Maßnahmen zur Gefahrenabwehr“ „im Einzelfall“, § 3 Abs. 1 SOG. Dabei findet sich eine ganz ähnlich strukturierte Generalklausel mit einer Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Gefahrenabwehrverordnungen in § 1 Abs. 1 SOG (zu dieser Handlungsform im Ordnungsrecht, vgl. B.I.1.a.). Statt um die Abwehr konkreter Gefahren, wie bei § 3 Abs. 1 SOG, geht es bei der Verordnungsermächtigung um die Bekämpfung abstrakter Gefahren (zur Unterscheidung dieser Gefahr von der konkreten Gefahr unter B. I.2.g.aa.2.).

       b) Struktur

       109

      Die beiden Generalklauseln des SOG sind gleich aufgebaut. Die Tatbestandsseite normiert jeweils die Eingriffsvoraussetzungen: Als Schutzgüter müssen die „öffentliche Sicherheit oder Ordnung“ betroffen sein. Für eines dieser beiden Schutzgüter muss eine „Gefahr“ oder bei § 3 Abs. 1 SOG alternativ bereits eine Störung vorliegen. Auf Rechtsfolgenseite besteht ausdrücklich (§ 3 Abs. 1 SOG) oder konkludent (§ 1 Abs. 1 SOG, „wird ermächtigt“) Ermessen (zum Ermessen vgl. B.I.4.).

       110

      In § 3 SOG werden die ordnungsbehördlichen und polizeilichen Aufgaben (Schutz der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung) und die Befugnis zum Treffen der „erforderlichen Maßnahmen“ gemeinsam innerhalb einer Norm geregelt. Dennoch sind Aufgabe und Befugnis bei Grundrechtseingriffen strikt auseinanderzuhalten: Aus der Aufgabe ergibt sich noch nicht die Befugnis für Maßnahmen mit Eingriffscharakter. Hier kann „von der Aufgabe nicht auf die Befugnis geschlossen werden“198. Die bloße Aufgabenzuweisung (sachliche Zuständigkeit) ist lediglich hinreichend für ein Tätigwerden, das nicht mit einem Grundrechtseingriff verbunden ist (z. B. Streifenwagenfahrt, Warnung vor Gefahren, Öffentlichkeitsarbeit per Facebook und Twitter199, u. U. Gefährderansprache). Die vom Gesetzesvorbehalt geforderte Ermächtigungsgrundlage für einen Eingriff in Grundrechte des Betroffenen durch die Polizei ergibt sich erst aus der Befugnisnorm.200

      In einigen Bundesländern werden Aufgabe und Befugnis daher jeweils in getrennten Bestimmungen normiert, wodurch die Unterscheidung von Aufgabe und Befugnis deutlicher wird. Zusammengenommen stellen diese Bestimmungen dann dort die Generalklausel dar.201

       c) Vereinbarkeit mit dem Vorbehalt des Gesetzes und dem Bestimmtheitsgebot

      


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