Handbuch Hamburger Polizei- und Ordnungsrecht für Studium und Praxis. Sven Eisenmenger

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Kette reicht in Hamburg vom Volk über die gewählte Bürgerschaft, den Ersten Bürgermeister, den Senator für Inneres und Sport, den Polizeipräsidenten, weitere Vorgesetzte bis hin zum einzelnen Polizeivollzugsbeamten.

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      Die weiteren Staatsstrukturprinzipien sind das Bundesstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG), das letztlich auf die Gliederung in Bund und Bundesländer zielt (vgl. auch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie in Art. 28 Abs. 2 GG), das Prinzip der Republik (Art. 20 Abs. 1 GG), also die „Verneinung“ der Monarchie, sowie das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG), das zusammen mit der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) einen Anspruch auf Gewährleistung des Existenzminimums sichert.164 Die Staatsziele Umwelt- und Tierschutz (Art. 20 a GG) werden gemeinhin als von den Staatsstrukturprinzipien getrennt gesehen, wobei diese Abgrenzung sich nur schwerlich erschließt.165 Die Staatsziele sind jedenfalls fester Bestandteil der Verfassung und wichtige Abwägungsposten in einer Verhältnismäßigkeitsprüfung.

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      Für die Freie und Hansestadt Hamburg als Stadtstaat gelten die Grundsätze Rechtsstaat, Demokratie, Republik und Sozialstaat schon über die Homogenitätsklausel gem. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG. Darüber hinaus nennt Art. 1 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg das Bundestaatsprinzip. Art. 3 Abs. 1 dieser Verfassung bestätigt das Demokratie-, Sozialstaats- und Rechtsstaatsprinzip.

       a) Überblick

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      Als Grundrechte kann man alle diejenigen subjektiv-öffentlichen Rechte bezeichnen, die in den Artikeln 1 bis 19 des GG normiert sind. Dazu zählen die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), die Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) mit den weiteren spezielleren Freiheitsrechten und der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) mit den weiteren speziellen Gleichheitssätzen. Soweit auch außerhalb der Art. 1 bis 19 GG subjektiv-öffentliche Rechte bestehen, wie etwa der Anspruch auf rechtliches Gehör bei Gericht (Art. 101 Abs. 1 GG), so werden diese Rechte als grundrechtsgleiche Rechte166 bezeichnet. Diese Rechte sind in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG enumerativ aufgeführt. In anderer Weise kann man Grundrechte und grundrechtsgleiche Rechte auch in Freiheitsrechte (z. B. Art. 2 Abs. 1 GG) und Gleichheitsrechte (z. B. Art 3 Abs. 1 GG) unterteilen.

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      Grundrechte, die in der englischen Fachsprache als „Fundamental Rights“167 bezeichnet werden, können auch in der Weise kategorisiert werden, dass nach den Grundrechtsberechtigten differenziert wird. Handelt es sich um Jedermann-Rechte, wie z. B. die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), so werden diese Rechte als Menschenrechte bezeichnet (vgl. z. B. auch die EMRK bzw. European Convention on Human Rights). Solche Grundrechte hingegen, die auf bestimmte Staatsangehörige abstellen, wie z. B. die in Art. 8 Abs. 1 GG zugunsten Deutscher normierte Versammlungsfreiheit, sind Bürgerrechte bzw. Citizens‘ Rights.

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      Grundrechte binden als Grundrechtsverpflichtete – wie auch Art. 1 Abs. 3 GG belegt – alle staatliche Gewalt, mithin Gesetzgebung, Verwaltung (u. a. Polizei) und die Rechtsprechung (Grundrechtsverpflichtete). Grundrechtsberechtigte, also Personen, die sich auf Grundrechte berufen können, sind alle natürlichen Personen (Deutsche und – soweit die Grundrechte nicht nur auf Deutsche hin formuliert168 sind – auch Ausländer), außerdem inländische169 juristische Personen (AG, GmbH, Limited; auch nicht-rechtsfähige Vereine wie z. B. Gewerkschaften) und Personengesellschaften (z. B. KG, OHG), wenn das Grundrecht dem Wesen nach auf sie anwendbar ist (Art. 19 Abs. 3 GG), so z. B. bei den „Wirtschaftsgrundrechten“ u. a. mit der Unternehmerfreiheit i. S. d. Art. 12 Abs. 1 GG. Versucht man herauszufiltern, welche Grundrechte im Rahmen gefahrenabwehrrechtlicher Maßnahmen von Relevanz sind, so ergibt sich folgendes Bild (Einzelheiten s. jeweils bei den einzelnen Maßnahmen unter B., C. und D.):

      1. Menschenwürde, Art. 1 Abs.1 GG

      2. Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG (subsidiär bzw. nachrangig gegenüber speziellen Freiheitsgrundrechten)

      3. Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG

      4. Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG

      5. Freiheit der Person, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG

      6. Gleichheitsgebote, Art. 3 GG (3 Abs. 1 GG ist subsidiär bzw. nachrangig gegenüber speziellen Gleichheitsgeboten wie etwa in Art. 3 Abs. 2 und 3 GG)

      7. Glaubens- und Gewissensfreiheit, Art. 4 GG

      8. Meinungs-, Informations-, Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit, Art. 5 Abs. 1 GG

      9. Kunst- und Wissenschaftsfreiheit, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG

      10. Versammlungsfreiheit, Art. 8 Abs. 1 GG

      11. Allgemeine Vereinigungsfreiheit, Art. 9 Abs. 1 GG

      12. Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, Art. 10 Abs. 1 GG

      13. Freizügigkeit, Art. 11 Abs. 1 GG

      14. Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG

      15. Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. 13 Abs. 1 GG

      16. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG

      17. Justizgrundrechte (Rechtsweggarantie, Art. 19 Abs. 4 GG, Justizgrundrechte in Art. 101 und 103 GG)

       b) Funktionen der Grundrechte

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      Die Funktionen von Grundrechten sind seit Unterzeichnung des GG vor rund 70 Jahren nachfolgend durch die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung und durch die Literatur konkretisiert worden. Die Systematisierung dieser Grundrechtsfunktionen erfolgt in der Literatur keineswegs einheitlich. So wird etwa zwischen „Grundfunktionen“, „Funktionsausweitung durch objektive Wertentscheidungsgehalte“ und „querliegenden Funktionen“ unterschieden170, wiederum von anderen zwischen „subjektiv-rechtlichen“ und „objektiv-rechtlichen Dimensionen“171. Entsprechend der Auflistung von Sodan und Ziekow172 lassen sich im Überblick folgende Funktionen herauspräparieren:

      – Abwehrfunktion

       Hier geht es letztlich um die Abwehr von eingreifenden staatlichen Maßnahmen, z. B. mit Blick auf polizeiliche Maßnahmen, wenn diese verfassungswidrig sind. Geschützt wird damit die Freiheitssphäre der Bürger. Das BVerfG führt hierzu aus: „Die Grundrechte sind dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern; sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat.“173

      – Originäre Leistungsrechte

       In diesen Fällen enthalten Grundrechte ausdrückliche Ansprüche gegenüber dem Staat (z. B. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG mit der Rechtsschutzgarantie oder Art. 103 Abs. 1 GG mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör bei Gericht). Ausnahmsweise abgeleitet aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip wird auch das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.174

      – Gleichbehandlungsfunktion

       Einige Grundrechte – insbesondere Art. 3 Abs. 1 GG – erfüllen ebenfalls eine Gleichbehandlungsfunktion, an die sich auch derivative Leistungs- und Teilhaberechte anschließen können.175 Hier geht es vor allem um die gleiche Vergabe von Studienplätzen.176


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